Trotz geplünderten Stauseen genügend Strom
Viele Zeichen deuten in der Schweiz momentan auf einen Stromengpass hin: Der Verbrauch im Inland ist hoch, weil die Temperaturen weit unter dem Nullpunkt liegen. Gleichzeitig produzieren die Schweizer Kraftwerke so wenig Strom wie selten. Denn die beiden Atomkraftwerke Beznau I und Leibstadt stehen seit Monaten still. Die Wasser-Laufkraftwerke produzieren unterdurchschnittlich, weil die Flüsse wenig Wasser führen. Und die meisten Fotovoltaik-Panels liegen unter einer dicken Schneedecke.
Vorrat in den Stauseen so tief wie nie
Einzig die Speicherkraftwerke in den Alpen liefern so viel Strom wie selten. Das belegt die neuste Statistik des Bundesamtes für Energie: Allein in den ersten zwei Januarwochen plünderten die Elektrizitätswerke ihre Stauseen um 900 Millionen Kilowattstunden (kWh) oder zehn Prozent der in den Speicherbecken ruhenden Elektrizität. Die Folge davon: Der Füllungsgrad der Stauseen sank bis 16. Januar auf 40,2 Prozent. Das ist an diesem Datum der tiefste Vorrat seit 20 Jahren.
Mit dem starken Abbau ihrer Vorräte machten die Besitzer der Speicherkraftwerke Kasse. Denn die Börsenpreise für Spitzenstrom stiegen auf dem Strommarkt in den ersten 16 Januartagen auf den höchsten Durchschnittswert seit 2011; dies weil der Stromverbrauch im Inland kältebedingt die Stromproduktion der inländischen Kraftwerke deutlich übertraf.
Kommt dazu: In Frankreich, wo lange Zeit viele Atomkraftwerke still standen, und wo die Regierung letzte Woche noch eine Warnung vor Stromengpässen heraus gab, lag das Niveau der Marktpreise noch höher als jenes in der Schweiz. In Spitzenzeiten exportierte die Schweiz darum auch Elektrizität nach Frankreich, was mit ein Grund ist für den starken Abbau des Stausee-Füllungsgrads.
Viel Import und freie Importkapazität
Die Summe aller Faktoren – wenig Inlandproduktion, tiefe Vorräte in den Stauseen, kältebedingt hoher Verbrauch, hohe Marktpreise – deutet auf einen Engpass in der aktuellen Schweizer Stromversorgung hin. Doch die «Arbeitsgruppe Winter» unter Leitung des nationalen Netzbetreibers Swissgrid, welche die Versorgungslage beobachtet, gibt in ihrem jüngsten Bericht Entwarnung. «Im Moment droht kein Engpass in der Schweizer Stromversorgung», bestätigt auf Anfrage Swissgrid-Sprecher Patrick Mauron. Die Erklärung für diesen erstaunlichen Befund: Die Schweiz importiert zurzeit sehr viel Strom – und könnte noch weit mehr importieren.
Den hohen Überschuss an Importstrom illustriert eine Momentaufnahme von gestern Mittwoch um 16.50 Uhr: Aus Frankreich (wo inzwischen wieder mehr Atommeiler dampfen), Deutschland und Österreich zusammen importierte die Schweiz Strom mit einer Leistung von 5000 Megawatt und exportierte gleichzeitig 2800 Megawatt nach Italien. Das ergibt einen Importüberschuss von 2200 Megawatt, was der zweifachen Spitzenleistung des AKW Leibstadt entspricht, wenn es nicht still stände.
Trotz diesem Importüberschuss, der schon seit November auf dem Niveau von 2200 Megawatt schwankt, verfügte und verfügt die Schweiz auf ihren grenzüberschreitenden Stromleitungen weiterhin über brach liegende Importkapazitäten. Das zeigt der Bericht der der «Arbeitsgruppe Winter» (Seite 8): Die mittlere Importkapazität, die in den letzten Monaten im Schnitt 4700 Megawatt betrug, wird nicht einmal zur Hälfte ausgelastet. Unter dem Strich kann die Schweiz also noch weit mehr Strom importieren, als sie es heute tut. Und sie kann in Spitzenzeiten weiterhin Strom aus ihren Speicher-Kraftwerken exportieren – und wird es tun, wenn die Marktpreise im Ausland temporär höher sind als im Inland.
Transformations-Problem entschärft
Damit bleibt noch folgende Frage: Warum gab Swissgrid vor 14 Monaten eine Versorgungs-Warnung heraus, obwohl damals das Ungleichgewicht zwischen Stromkonsum und Stromproduktion im Inland kleiner war als in den letzten Monaten? Schon damals fehlte es der Schweiz nicht an Strom auf dem 380-Kilovolt-Übertragungsnetz. Doch Swissgrid fürchtete einen Engpass in der inländischen Stromverteilung, die über das 220 Kilovolt-Netz abgewickelt wird, weil es an Transformatorleistung fehlte, um den Strom vom 380- aufs 220-Kilovolt-Netz hinunter zu transformieren. Dieses Problem sei inzwischen durch planerische und technische Massnahmen entschärft worden, teilt Swissgrid auf Anfrage mit. Dazu kommt: Das AKW Beznau II, das seine Produktion direkt ins 220-Kilovolt-Netz einspeist und damals ausser Betrieb war, ist heute wieder am Netz; dies im Unterschied zu Beznau I.
Die aktuelle Situation bestätigt die alte Regel: Innerhalb Europas fehlt es der gut vernetzten Schweiz an Strom zuletzt, weil sie neben hohen Importkapazitäten und hoher Kaufkraft auch über überschüssige Spitzenleistung in ihren Speicher- und Pumpspeicher-Kraftwerken verfügt. Selbst wenn alle inländischen Atomkraftwerke einmal stillgelegt sind, kann sie ihren Strombedarf in der Regel mit Importen decken. Ökologisch ist diese Importabhängigkeit allerdings bedenklich. Denn vor allem im Winter kommt der importierte Strom mehrheitlich aus deutschen Kohle- und – wenn sie laufen – französischen Atomkraftwerken.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine. Hanspeter Guggenbühl ist Autor des Buches "Die Energiewende, und wie sie gelingen kann", Rüegger Verlag 2013, 25 CHF.
Die Märkte spielen ganz nach den neoliberalen Vorstellungen von Gier, Plünderung, Profit- und Renditemaximierung, Verschwendung, Finanzmärkten, Anteilseignern und völlig von Sinn befreiten agieren die Angebote von Nachfrage und Verbrauch für sich zu nutzen. So kam es das sich der Shareholdervalue, ein zentrales Element neoliberaler Ideologen, über alle anderen Dinge die unser aller Zusammenleben auch noch ausmachen durchgesetzt hat.
Nachhaltigkeit im Gemeinsinn auch Generationenübergreifend genannt gibt es in diesen seltsamen Konzepten nicht… jeder muss sich selbst in immer schnelleren Takten nützlich machen im perversen Wettbewerb der angeblich nur gutes zu tun vermag, den die anderen die sitzen im genau gleichen Boot. Dem Standortwettbewerb sei Dank kann sich keiner mehr raushalten und entziehen…