Kommentar
Tagesschau verwechselt sich mit «Glanz & Gloria»
Welche der drei FDP-Kandidat*innen für den Bundesrat ist am nettesten, am freundlichsten, am sympathischsten?
Auf diese Frage beschränkte sich der Informationsgehalt der drei Porträts, welche die SRF-Tagesschau nacheinander um 19.30h ausstrahlte.
Die drei Porträts hätten auch PR-Spezialist*innen der drei als Werbefilme kaum besser realisieren können. Alle drei konnten sich im besten Licht in einer heilen Welt präsentieren. Die Tagesschau glich sich damit dem Niveau privater TV-Stationen an.
Vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen erwarte ich, dass es solche PR-Porträts den Rubriken wie «Glanz & Gloria» überlässt.
Politische Informationssendungen dagegen sollten Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. Sie dürfen Informationen darüber erwarten, wo Bundesratskandidat*innen politisch und weltanschaulich stehen.
Wie und warum haben sie in der Vergangenheit so oder anders entschieden, wie stark haben sie Positionen bestimmter Lobbys vertreten, wo haben sie bisher Erfolg gehabt und wo versagt?
Welches sind ihre Forderungen bezüglich der Finanzindustrie, der Immigration, des Bevölkerungswachstums, der Subventionsbegehren von Stromkonzernen und anderen Branchen, zur Pauschalbesteuerung, zum Öffentlichkeitsprinzip, zur Verbandsbeschwerde, zum Service public?
Welche Haltung haben sie zur Leihmutterschaft, zur Ehe für alle, zum Burka-Verbot etc. etc.?
Hearings mit einer Auswahl von Fragen – und bohrenden Nachfragen – mit jedem Kandidaten und der Kandidatin hätten die Zuschauerinnen und Zuschauer über das politische und weltanschauliche Profil von Isabelle Moret, Ignazio Cassis und Pierre Maudet aufklären können.
Es genügt nicht, kurz das generelle Politprofil zu zeigen.
Ein Medienspezialist sagte es einmal so:
«Die Medienfreiheit ist nicht die Freiheit zu verdummen, ist nicht die Freiheit, Qualitätsjournalismus durch Billigstjournalismus zu ersetzen.»
Die drei Porträts der Tagesschau gehören in die Kategorie Billigjournalismus.
Bundesratskandidatin Isabelle Moret auf ihrer Lieblingsalp im freundlichen Gespräch mit der Tagesschau.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
LIeber Herr Gasche
zu Vielem was Infosperber schreibt stimme ich zu, auch im Speziellen, was die SRF-Portraits der Bundesratskandidaten anbetrifft.
Mit den besten Grüssen
R. Krebs
Lieber Herr Gasche
Ich bin als Nachrichtenchef von SRF sehr offen für eine kritische Auseinandersetzung mit unserem Programm und es gibt in unseren Sendungen sicher immer wieder Punkte, die man kritisch beurteilen kann. Mit Ihrem Artikel zu den Bundesrats-Porträts der Tagesschau liegen Sie aber erstens inhaltlich daneben und haben sich zweitens auch noch im Ton vergriffen: «Billigjounalismus» ist eine billige Pointe und wird den Porträts unter keinem Titel gerecht. Das Wesen eines TV-Porträts ist es, dass man sich ein Bild über eine Person machen kann. Dass man die Person in ihrem Alltag zeigt, Informationen über ihre Herkunft, Prägung und politischen Positionen gewinnt und sie mit Kritik konfrontiert. Das alles haben die Autorinnen gemacht – und dabei ging es immer um politische Fragen und nie um Nettigkeiten und Oberflächliches.
Mit freundlichen Grüssen
Gregor Meier
TV-Nachrichtenchef SRF