SVP Flugblatt

Bilder auf dem Wahlflugblatt, das die SVP in die Briefkästen verteilen liess. © svp

SVP-Heuchelei: Statt heile Schweiz bald Schwarzafrika

Urs P. Gasche /  Angeblich will die SVP die «10-Millionen-Schweiz» stoppen. Doch sie tut alles, um neue Unternehmen in die Schweiz zu locken.

Die SVP macht eine übervölkerte 10-Millionen-Schweiz zu ihrem dominierenden Wahlkampfthema. In einem Flugblatt an Haushalte zeigt die SVP ein Bild mit versammelten Schwarzen. Es ist rot durchgestrichen. Denn so abschreckend sähe eine 10-Millionen-Schweiz angeblich aus, die es zu stoppen gelte: «Wir wollen keine 10-Millionen-Schweiz.»

Doch wer sich tatsächlich Sorgen macht wegen des starken Bevölkerungswachstums, darf nicht auf die SVP hereinfallen. Denn mindestens zweifach gaukelt die SVP den Wählerinnen und Wählern etwas vor, das sie nicht einhält. Man kann es – im SVP-Jargon – als masslose Heuchelei bezeichnen.

Erstens kann man es im SVP-Initiativtext «Keine 10-Millionen-Schweiz!» schwarz auf weiss nachlesen: Die Bevölkerung darf bis zum Jahr 2050 ausdrücklich auf zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zunehmen. Erst «ab 2050» «kann» (nicht «muss») der Bundesrat Grenzwerte für die Einwanderung erlassen. Laut Übergangsbestimmungen soll der Bundesrat nach Erreichen von 9,5 Millionen Einwohnern lediglich «anstreben», internationale Übereinkommen neu auszuhandeln. Erst bei Überschreiten von 10 Millionen Einwohnern sollen Bundesrat und Parlament «alle ihnen zur Verfügung stehenden Massnahmen» ergreifen. Die SVP will also die «10-Millionen-Schweiz» keineswegs verhindern.

Zweitens macht die SVP mit dem Unbehagen über den Dichtestress zwar seit vielen Jahren in Wahlkämpfen Stimmung, doch bisher hat sie nur untaugliche Mittel vorgeschlagen, um das Wachstum der Bevölkerung zu begrenzen.

In Sachen Bevölkerungsbegrenzung präsentiert die SVP eine Mogelpackung. Denn wirksame Massnahmen hat die SVP regelmässig abgelehnt. Infosperber hatte bereits im letzten Wahlkampf vor vier Jahren darauf hingewiesen: «Die SVP-Politik ist zur Begrenzung der Bevölkerung unbrauchbar».

  • Als es um konkrete Entscheide ging, stellte sich die SVP meistens auf die Seite derjenigen, welche neuen ausländischen Unternehmen Steuer- und andere Standortvorteile gewährten, wohl wissend, dass diese angelockten Unternehmen zusätzliche ausländische Arbeitskräfte benötigen.
  • Die SVP unterstützt generell wachstumsfördernde Massnahmen, die in den meisten Branchen mehr ausländische Arbeitskräfte nötig machen. Am 20. August titelte der «Blick»: «So befeuert die Schweiz mit aktiver Unterstützung der SVP die Zuwanderung» und schrieb: «Bund und Kantone tun alles, um zusätzliche Jobs ins Land zu holen. Die SVP trägt diese Wachstumsstrategie mit – und wettert über die ‹Bevölkerungsexplosion›.»
  • Im Jahr 2014 hätte die SVP dafür sorgen können, dass jedes Jahr höchstens etwa 60’000 bis 160’000 Ausländerinnen und Ausländer in die Schweiz einwandern dürfen – zusätzlich zu den Asylbewerbern. Doch eine solche fixe Obergrenze wollte die SVP nicht und lehnte deshalb die Ecopop-Initiative mit tatsachenwidrigen und fadenscheinigen Argumenten ab. Die SVP, die sich angeblich wegen des Bevölkerungswachstums Sorgen macht, war damals mit einer jährlichen Immigration von 60’000 bis 160’000 Ausländerinnen und Ausländern, wie sie die Ecopop-Initiative noch erlaubt hätte, nicht einverstanden.

Es bleibt der Eindruck, die SVP wolle gegen ein weiteres starkes Wachstum der Bevölkerung nichts Griffiges unternehmen, sondern nehme im Gegenteil eine Zunahme der Bevölkerung bis zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohner gerne in Kauf, damit sie in Wahl- und Abstimmungskämpfen mit den Themen Übervölkerung und Immigration weiterhin auf Stimmenfang gehen kann. Ihr emotionales Hauptthema zum Gewinnen von Wählerstimmen wollte und will die Partei nicht verlieren. Die Stimmungsmache gegen Ausländer und Immigranten soll von ihrer Politik ablenken, welche einseitig Milliardäre, Grossbanken, Konzerne sowie die grossen Bauern begünstigt.

Mit ihrer unglaubwürdigen Bevölkerungspolitik lenkt die SVP unter anderem ab von der Klimakrise, dem rein spekulativen Finanzcasino, der zunehmenden Macht von Konzernen und Milliardären und von den Milliardengewinnen ohne Leistung. 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Afghanischer_Flchtling_Reuters

Migrantinnen, Migranten, Asylsuchende

Der Ausländeranteil ist in der Schweiz gross: Die Politik streitet über Asyl, Immigration und Ausschaffung.

Nationalratssaal_Bundeshaus

Parteien und Politiker

Parteien und Politiker drängen in die Öffentlichkeit. Aber sie tun nicht immer, was sie sagen und versprechen.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

10 Meinungen

  • am 17.10.2023 um 12:06 Uhr
    Permalink

    Eigentlich ist klar, um was es bei der Einwanderung geht. Es ist eine Gratwanderung zwischen Ansiedeln von Unternehmen, ohne die Zuwanderung zu beschleunigen! Bund u Kantone wären in der Pflicht, das verträgliche Verhältnis zu fördern. Die offenen Grenzen für ALLE, ist das grössere Problem, das endlich gelöst werden sollte. Das behindern alle anderen Parteien bis jetzt erfolgreich! Den Schwarzpeter jetzt der SVP unterzujubeln, finde ich unfair! Man sollte endlich das Austauschen von älteren, hier ansässigen Mitarbeitenden durch jüngeren Zuwanderer, stoppen! Leider gibt es viel zu viele Nutzniesser der Zuwanderung in allen Parteien. Dass wir etwas machen müssen, scheint klar! Zum Vergleich der masslosen Zuwanderung (berechtigter Ausdruck!): Wäre Deutschland inkl. Ostteil, seit Kriegsende gleich gewachsen wie die Schweiz, würden heute 124Millionen, an Stelle der 82Millionen Leute wohnen – +42Millionen! Also ist der Ausdruck nicht falsch!

  • am 17.10.2023 um 12:33 Uhr
    Permalink

    Die unvermeidliche, im Gang befindliche Machtübernahme durch rechtsextreme Elemente in Europa (und auf der Insel Schweiz) hat auch damit zu tun, dass sich das liberale und linke Establishment bis heute geweigert hat, die mit dem Wachstumswahn offenkundig zusammenhängenden Probleme in ihrer Komplexität wahrzunehmen und mittels aufgeklärtem Diskurs ursächlich anzupacken.

  • am 17.10.2023 um 12:57 Uhr
    Permalink

    Warum erneut diese Breitseite gegen die SVP? Ich bin nicht Mitglied dieser Partei! Die Wirtschaftspartei der Schweiz sind wir, sagt weiterhin die FDP. Diese Partei auch keine Rezepte gegen die masslose Einwanderung. Kommen die Fachkräfte aus Eritrea, Afghanistan und aus der Ukraine? Die Schweiz kann nur noch massvoll bevölkerungsmässig weiter wachsen, eine Schweiz mit 10 Mio. Einwohnern im Jahre 2050 wäre das letzte Zumutbare. Aber wir können die 10 Mio. Schweiz schon im Jahre 2026 erreichen. Das will niemand in der Schweiz!
    Die Ecopop-Initiative wurden von allen Parteien, von der Bevölkerung auch von allen Ständen verworfen, kein Grund ihr nachzutrauern!
    Bitte keine ungerechtfertigte Anti-SVP Propadanda!

    • am 19.10.2023 um 12:43 Uhr
      Permalink

      Nur die SVP behauptet gegen die Zuwanderung zu sein, während sie gleichzeitig *für* Wirtschaftswachstum und Ansiedlung von Konzernen einsteht. Und es sind diese, welche den Motor der Zuwanderung ausmachen. Jede hochqualifierte Fachkraft führt laut Jaqueline Badran zu 10 weiteren Stellen im Dienstleistungsbereich. Dies führt zu viel Einwanderung von Gutausgebildeten.
      Die SVP strebt sich auch wie keine andere Partei gegen die elementarsten Umweltschutzmassnahmen bezüglich Klima und Biodiversität. Deshalb werden die Lebensbedingungen im globalen Süden immer prekärer, was zu immer mehr Flüchtlingen führt. Die «Climigration» gilt als Herausforderung des Jahrhunderts: https://collections.unu.edu/eserv/UNU:6458/__AMZ-107_INTERNET.pdf

  • am 17.10.2023 um 16:38 Uhr
    Permalink

    Wie viele Einwohner verträgt denn die Schweiz? 12 Mio, 15 Mio, 20M io (ohne Lichtenstein oder Vorarlberg zu annektieren)? Das Problem ist ja nicht, dass Leute kommen, aber sie gehen nicht mehr zurück. Auch im Kosovo Konflikt hiess es «vorläufig aufgenommen» und nun passiert dasselbe mit Ukraine, halb Afrika und Nahost und künftig Polen, Türkei… wir können nicht ganz Afrika und Europa in der Schweiz einquartieren. Leider ist die SVP die Einzige Partei die dies anspricht!

  • am 17.10.2023 um 17:28 Uhr
    Permalink

    Ob man Unternehmen holen will, oder Leute, die in die Sozialindustrie einwandern, sind zwei Paar Schuhe. Was heisst hier, die SVP macht nichts? Was sind denn die Begrenzungsinitiative, die Selbstbestimmungsinitiative, die Durchsetzungsinitiative, die Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» und die Volksinitiative «für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)». Alles von der SVP. Und wenn man den Volkswillen durchgesetzt hätte, wären wir jetzt nicht in dieser Zuwanderungssituation.

    • am 20.10.2023 um 09:11 Uhr
      Permalink

      Die «Begrenzungs-Initiative» war eine perfekte Mogelpackung. Das Volksbegehren verlangte, dass die Schweiz mit der EU das Freizügigkeitsabkommen in Verhandlungen ausser Kraft setzt. Gelingt dies nicht, so sei das Abkommen mit der EU zu kündigen. Die bilateralen Verträgen wären gefährdet, ein Rahmenabkommen in weiter ferne. Da wird die Schweiz in den Ofen gucken.

  • am 18.10.2023 um 19:31 Uhr
    Permalink

    Die Bilder sind schnell kommentiert. Purer offener Rassismus! So kenne ich die SVP aus meiner Zeit als Kantonsrat nicht. Dem Parteietablissement sind offenbar auch die paar übelsten rechtsextremen Stimmen willkommen. Der Artikel trifft den Nagel auf den Kopf. Seco-Direktor nannte es vor paar Tagen so. «Der Schweizer Arbeitsmarkt wächst über seinem demografischen Potenzial.» Daraus eine Antiasylpolitik zu kreieren statt eine vernünftigere, sozialere und grünere Wirtschaftspolitik ist leider, wie die meisten Kommentare zeigen, erfolgreich aber letztendlich einfach nur Menschenverachtend.

  • am 19.10.2023 um 14:42 Uhr
    Permalink

    Zwar betreibt die SVP wie im Artikel belegt Heuchelei, doch leider setzen sich auch die anderen etablierten Parteien explizit *für* Wachstum in der Schweiz ein. Die bürgerlichen sowieso, aber auch Exekutiv-Mitglieder der SP sind für unzählige Wachstumsprojekte in der Schweiz verantwortlich, wie auch einige solche Grüne.
    Immerhin fordert die Grüne Partei Schweiz in ihrer letzten Wahlplattform https://gruene.ch/wahlplattform-2019 dass «eine Strategie entwickelt wird, um die Wohlfahrtsökonomie mit dem Ziel eines guten Lebens als Alternative zur kurzsichtigen Wachstumswirtschaft zu stärken […] und es uns erlaubt, aus der Wachstumslogik auszusteigen». Zwar wenig konkret, aber immerhin die einzige Zielsetzung einer Partei in diese Richtung. Und wie in meiner Antwort an Beda Düggelin vermerkt, wie auch im Infosperber Dossier https://www.infosperber.ch/dossier/fuehrt-wachstum-zu-glueck-oder-crash/, führt vor allem das übermässige Wirtschaftswachstum zu übermässiger Einwanderung.

  • am 19.10.2023 um 16:30 Uhr
    Permalink

    Eine Partei die zwischen Land und Stad eine Spaltung will, die Unternehmungssteuern senkt, um ausländische Firmen und deren ArbeiterInnen in die Schweiz zu locken, offiziell aber die Zuwanderung bekämpft, die mit „Massvoll“ Listenverbindungen eingeht nur um Wahlprozente zu erhalten, die jede Menge gute Ideen die für das Volk wären, ablehnt, die in ihren Reihe einige Verurteilte hat, die unsägliche ausländerfeindliche Plakate aushängt, die keine Waffen für die Ukraine liefern lassen will, die Gemeindefusionen wieder rückgängig machen will weil sie dort ihre Mehrheiten verloren haben, die im Nationalrat gegen eine Rede von Selensky ist, die alles und jedes Ausländern in die Schuhe schieben will, die die Erbschaftsststeuern senken will um dem Staat Millionen zu entziehen, deren Präsident seine Ehefrau öffentlich diffamiert, die eine Verschärfung des Geldwäschergesetztes ablehnt, deren Exponenten Ghetto’s für Ausländer fordern, und den Bundesrat als Diktator titulieren, also unwählbar.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...