Strominitiative rennt offene Türe ein
Die «Stromeffizienz-Initiative», die am 15. Mai eingereicht wird, ist eine schwache Initiative. Sie verlangt, dass Haushalte und Wirtschaft in der Schweiz 2035 nicht mehr Strom verbrauchen als 2011. Diese Forderung ist schwächer als die Energiestrategie des Bundesrates.
«Die Stromeffizienz ist bis 2035 so weit zu steigern, dass der jährliche Stromendverbrauch dannzumal das Niveau von 2011 nicht überschreitet.» Das ist der verbindlichste Satz, den die Urheber der Stromeffizienz-Initiative in der Bundesverfassung festschreiben wollen. In Zahlen bedeutet das: Wirtschaft, Haushalte und Verkehr in der Schweiz dürfen im Jahr 2035 maximal 58,6 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom konsumieren. So hoch war der Endverbrauch im Jahr 2011.
Bundesrat spart mehr
Diese Stabilisierung des Stromverbrauchs ist erreichbar. Das zeigt der Vergleich mit den Energieperspektiven des Bundes: Beim Szenario «Neue Energiepolitik», das der Bundesrat mit seiner «Energiestrategie 2050» anstrebt, sinkt der Endverbrauch von Strom bis zum Jahr 2035 auf 55 Milliarden kWh. Das heisst: Der Bundesrat will bis 2035 mittels Effizienzsteigerung mehr Strom einsparen, als die Initiative verlangt.
Selbst beim mittleren Szenario «Politische Massnahmen» bleibt der Stromkonsum 2035 unter der Schwelle von 58 Milliarden kWh. Dieses Szenario stützt sich allein auf jene Massnahmen, welche die Landesregierung in einer ersten Etappe bis 2020 beantragt. Der Bundesrat müsste der Initiative also zustimmen, wenn er es mit seiner Energiestrategie ernst meint. Ob er es tut, ist allerdings ungewiss. Denn in seiner Gesetzesvorlage, die er letzten Herbst in die Vernehmlassung schickte, schrieb er kein konkretes Strom-Verbrauchsziel für das Jahr 2035 vor.
Schwaches Instrument
Volksinitiativen fordern in der Regel griffigere Reformen, als Regierungen und Parlamente akzeptieren. Aus dieser Sicht ist die Stromeffizienz-Initiative ein schwaches Instrument. Denn sie bleibt nicht nur hinter dem Ziel der bundesrätlichen Energiestrategie zurück sondern verzichtet auch darauf, konkrete Massnahmen vorzuschreiben, um das Ziel zu erreichen. Grund: Das Komitee, das die Initiative lancierte, ist politisch breit abgestützt. Das Spektrum reicht von Leuten aus der SP, Umweltverbänden, «Cleantech»-Branchen bis hin zu bürgerlichen Politikern wie etwa dem freisinnigen Nationalrat Ruedi Noser. Der Initiativtext spiegelt damit den grössten gemeinsamen Nenner dieser Gruppe, und dieser grösste Nenner ist relativ klein.
Die Erfahrung lehrt, dass Verfassungsartikel, die nur Ziele und keine konkreten Massnahmen festlegen, oft unerfüllt bleiben. Das zeigen etwa der Alpenschutz-Artikel und die Ausführungsgesetze dazu: Die dort für die Jahre 2004, 2009 und 2018 gesetzten Ziele zur Verminderung der Lastwagenfahrten durch die Schweizer Alpen sind heute und bleiben wohl auch in Zukunft unerfüllt, weil griffige Vollzugsmassnahmen fehlen. Selbst wenn das Volk der Stromeffizienz-Initiative zustimmten sollte, besteht also keine Gewähr, dass die nachfolgende Generation im Jahr 2035 ihren Stromkonsum entsprechend drosseln wird.
Drei Initiativen hängig
Die Stromeffizienz-Initiative ist das jüngste von vier Volksbegehren, das sich mit der Wende der Schweizer Energieversorgung befasst. Folgende weiteren Initiativen sind zu Stande gekommen und zurzeit im Parlament oder Bundesrat hängig:
• Die Cleantech-Initiative der SP verlangt, dass «der Gesamtenergiebedarf» der Schweiz ab 2030 «mindestens zur Hälfte aus erneuerbaren Energien» gedeckt wird. Dieses Ziel geht weiter als die Strategie der Landesregierung. Bundes- und Nationalrat haben darum beschlossen, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Der Nationalrat stimmte immerhin einem indirekten Gegenvorschlag zu, der mehr Geld für die Förderung von Strom aus erneuerbarer Energie locker macht.
• Die Atomausstiegs-Initiative der Grünen Partei verlangt, dass die Laufzeit der bestehenden Schweizer Atomkraftwerke begrenzt wird auf maximal 45 Jahre. Der Bundesrat und voraussichtlich auch das Parlament lehnen es jedoch ab, die Laufzeit der alten AKW verbindlich zu begrenzen.
• Die grünliberale Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertversteuer» fordert eine Lenkungsabgabe auf Energie. Diese müsste so hoch sein, dass sie die bestehende Mehrwertsteuer ersetzen könnte. Der Bundesrat plant ebenfalls eine Lenkungsabgabe, aber frühestens ab dem Jahr 2021. Zudem ist die Verknüpfung mit der Mehrwertsteuer umstritten. Darum werden Regierung und Parlament dem Volk wohl ebenfalls empfehlen, diese Initiative abzulehnen.
Stromverlust ausgeklammert
Die Stromeffizienz-Initiative begrenzt nur den «End»-Verbrauch von Strom in der Schweiz, also den Konsum in Haushalten, Unternehmen und im Verkehr. Ausgeklammert wird damit der wachsende Umwandlungsverlust, der zwischen dem Wasserhochpumpen und der Produktion von Strom in bestehenden und geplanten Pumpspeicher-Kraftwerken entsteht. Ebenfalls ausgeklammert bleibt der Verlust, der aus dem Stromtransport von den Kraftwerken bis zu den Steckdosen entsteht. Werden diese Stromverluste dazu gezählt, so resultiert der Bruttoverbrauch von Strom. Dieser ist im Jahr 2035 rund 22 Prozent höher als der in der Energiestrategie erwähnte Endverbrauch von 55 Milliarden kWh. Das zeigt das Szenario «Neue Energiepolitik» des Bundesrates.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Für mich bestand die Hoffnung, dass eine Volksbewegung zugunsten von mehr Stromeffizienz lanciert würde. Das hat sich bisher als Illusion erwiesen.
Jahrestagung energie-cluster.ch vom 25. Juni stellt in der Umeltarena konkrete Massnahmen zur Stromeffizienz vor. Anmelden. http://Www.energie-cluster.ch