Stimmberechtigte bestrafen schludrige Parlamentsarbeit
Infosperber informierte am 16. November über einen «Modellfall für schludrige Parlamentsarbeit«. Diese Vorschau auf die Richtplan-Abstimmung in Illnau-Effretikon endete mit folgenden Worten:
«Richtplanung im Allgemeinen und in Illnau-Effretikon im Besonderen gehört nicht zu den attraktivsten Medienthemen. Wer aus diesem Artikel noch nicht ausgestiegen ist, mag ermessen, wie schwierig es für Stimmberechtigte ist, sich fundiert zu informieren und die Konsequenzen eines Ja oder Nein zu den beiden Vorlagen (samt Stichfrage) abzuschätzen, wenn offenbar nicht einmal das Stadtparlament draus kommt. Die Abstimmung über eine wichtige kommunale Weichenstellung kann damit zur Lotterie werden: A oder B – welcher Buchstabe liegt näher? Oder reagiert da die verunsicherte Bevölkerung mit einem zweifachen Nein? Infosperber wird das Ergebnis am 25. November an dieser Stelle nachliefern.» Voilà.
Version B lag den Abstimmenden näher
Die Befürchtung, die Abstimmung könne zur «Lotterie werden», weil A näher liegt als B, bewahrheitete sich nicht. Denn die Stimmberechtigten in Illnau-Effretikon befürworteten am 25. November mit deutlicher Mehrheit die ursprüngliche Richtplan-Version B, welche die Stadtregierung (Stadtrat) in enger Zusammenarbeit mit der Ortsplanungs-Kommission erarbeitet hatte. Dieser Plan wird die Entwicklung dieser Zürcher Landstadt in den nächsten zwei Jahrzehnten prägen.
Mit seinem Richtplan verfolgt der Stadtrat das Ziel, eine bauliche Verdichtung der Besiedelung zu ermöglichen nach dem Prinzip: Je näher am Zentrum (und den beiden Bahnhöfen), desto dichter, je mehr an der Peripherie, desto dünner. Weiter sieht der Richtplan eine Konzentration von Läden und andern publikumsintensiven Einrichtungen in den beiden Ortszentren vor und schliesst die Ansiedlung von verkehrsintensiven Einrichtungen wie Einkaufszentren in den peripheren Quartieren ausdrücklich aus; dies in Übereinstimmung mit der regionalen Planung. Ihren Richtplan legte die Stadtregierung den kantonalen Behörden zur rechtlichen Vorprüfung vor; einer Inkraftsetzung dieser Version durch die Regierung steht jetzt, nach der Zustimmung der Stimmberechtigten, also kaum mehr etwas im Wege.
Parlamentsvorlage mit peripheren Einkaufszentren
Die bürgerliche Mehrheit im Stadtparlament hatte letzten Sommer mehrere relevante Änderungen an der stadträtlichen Vorlage beschlossen: Sie veränderte die Siedlungsstufen und schuf damit in mehreren Einfamilienhaus-Quartieren einen Aufzonungszwang; dies entgegen der eigenen Propaganda (sie wusste offenbar nicht, was sie bewirkt, mutmasste darum Infosperber). Zudem ermöglichte die Parlamentsmehrheit in Gewerbegebieten am Stadtrand die Ansiedlung von Einkaufszentren – und verstiess damit gegen die Bestimmungen in übergeordneten Richtplänen. Trotzdem fand diese Richtplan-Version im Parlament eine Mehrheit von 18 gegen 14 Stimmen und wurde, nachdem die linksgrüne Minderheit inklusive CVP und EVP das Referendum dagegen ergriffen hatte, dem Volk als Version A zum Beschluss vorgelegt.
Das Komitee für die bürgerliche Version warb auf Plakaten und in Leserbriefen mit dem Slogan «Gegen massloses Verdichten – gegen Hochhäuser in Einfamilienhaus-Quartieren.» Diese im Abstimmungskampf dominierende Botschaft schien bei der ländlichen Bevölkerung in Illnau-Effretikon gut anzukommen. Und ein besonders intelligenter freisinniger Parlamentarier warnte in einem Leserbrief vor der stadträtlichen Vorlage mit den Worten: «Werden in unserer Stadt im Jahr 2050 nur noch vegetarische Velofahrer in Kleinstwohnungen leben, die ihren Konsum auf das absolut Notwendige reduziert haben?»
Abstimmungs-Sieger positiv überrascht
Die klare Zustimmung der Stimmberechtigten zur stadträtlichen Version, so zeigten die Diskussionen an der heutigen Abstimmungsfeier, überrascht jetzt auch die Stadtregierung selber sowie die linksgrüne Minderheit im Parlament. Angesprochen auf die Gründe mutmasst SP- Stadtpräsident Ueli Müller, die Stimmberechtigten hätten wohl bemerkt, dass es sich bei der Version des bürgerliche Parlamentes um eine «Hauruck-Übung» handelt. Zudem habe das Argument des Stadtrates, die Ansiedlung von Einkaufszentren am Stadtrand würde das Zentrum schwächen, viele Abstimmende bewogen, die Version des Parlamentes abzulehnen.
Das Volk verstand die komplexe Vorlage besser als das kommunale Parlament
Der Ausgang der kommunalen Richtplan-Abstimmung in Illnau-Effretikon widerlegt die Meinung, komplizierte Vorlagen würden die Stimmberechtigten überfordern und den Verfassern von einfachen Schlagworten zum Sieg verhelfen. Auch das nicht ganz einfache Abstimmungsprozedere haben die Stimmberechtigten offensichtlich verstanden, wie die Kohärenz der Resultate belegt: Sie stimmten mit 59 Prozent für die Version der Stadtregierung, mit 59 Prozent gegen die Vorlage des Parlamentes und gaben beim Stichentscheid der Vorlage der Stadtregierung mit 58 Prozent den Vorzug.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine. Hanspeter Guggenbühl lebt zwar in Illnau. Aber im Quartier, in dem er wohnt, bewirken die Richtplan-Versionen sowohl von Stadt und Gemeinderat keine Änderung.