Kommentar

Steuerflüchtige – "sie sind so mies"

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Um präventiv Steuern auf Erbschaften zu sparen, zwingen Mulitimillionäre die Notariate zu vorweihnachtlichen Überstunden.

»Haben sie schon Millionen und Millionen und Millionen, klaun sie immer noch zehn Pfennig am Closett», sang 1974 der kürzlich verstorbene Wiener Georg Kreissler in einem Lied über Mächtige und Reiche. 37 Jahre später veröffentlichte die Bundesverwaltung die neuste Schweizer Vermögensstatistik (Stand 2008).

Ein Resultat daraus: Die Leute mit zwei und mehr Millionen steuerbarem Vermögen besitzen total 575 Milliarden Franken; das ist ein Anteil von 44 Prozent am steuerbaren Gesamtvermögen in der Schweiz. Und das Schöne daran: Diese Multimillionäre haben ihren Besitz allein von 2003 bis 2008 um 40 Prozent vermehrt (während das Vermögen der Nicht-Millionäre im gleichen Zeitraum lediglich um acht Prozent zunahm). Weitere Quellen und Schätzungen zeigen: Das Vermögen, das die Superreichen ihren Nachkommen in den meisten Kantonen steuerfrei vererben, stammt mehrheitlich aus – ebenfalls steuerfreien – Erbschaften oder Kapitalgewinnen.

Diese fiskalische Ungerechtigkeit will die Volksinitiative für eine nationale Erbschaftssteuer korrigieren. Demnach soll der Bund alle Nachlässe ab einer Freigrenze von zwei Millionen Franken rückwirkend ab 2012 mit einem Ansatz von 20 Prozent besteuern. Das tönt nach viel, ist aber relativ wenig. Denn die Multimillionäre respektive ihre Nachkommen müssten lediglich die Hälfte des Zuwachses an Vermögen, den sie laut Statistik innert fünf Jahren meist steuerfrei erzielten, dem Fiskus abliefern.

Auf diese kleine Rückverteilung reagieren die Reichen und ihre Vertreter in bürgerlichen Parteien und Medien mit Zorn und Klagen. Von «Abzockerei» und «Neid-Steuern» ist die Schreibe. Doch die Oberschicht wehrt sich nicht nur verbal: Seit Spätsommer, als die Initiative lanciert wurde, rennen die wohlhabenden Steuerkünstler und ihre Anwälte den Notariaten von Genf bis St. Moritz präventiv die Türen ein, um ihre Villen rechtzeitig und damit steuerfrei an ihre potenziellen Erben überschreiben zu können.

Diese Habgier kennt keine Schamgrenzen. Oder frei nach Georg Kreisler gefragt: Warum können reiche Menschen auf Erden, nicht grosszügiger, selbstloser, fairer werden? Kreisler hat darüber «sehr lange nachgedacht». Dann fand er in seinem Lied von 1974 die Antwort: «Sie sind so mies, so entsetzlich mies …». Und sie sind es noch immer.


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