SRG: «Unsinnige Diskussion übers richtige Preisschild»
Jeder Handwerker weiss: Zur Erstellung einer Offerte braucht man eine genaue Vorstellung der zu erbringenden Leistung. Dieses Argument wiederholt derzeit Manuel Puppis, Professor für Medienwissenschaft an der Uni Freiburg und Vizepräsident der Eidgenössischen Medienkommission, in der Debatte über die Initiative zur Halbierung der SRG-Gebühren laufend. Seine Kernbotschaft: Über den SRG-Leistungsauftrag kann und soll man diskutieren – und danach das Budget festlegen.
Die Halbierungsinitiative der SVP wolle aber das Umgekehrte. «Wir sprechen immer über Geld, nicht darüber, was wir von der SRG oder vom Service public eigentlich wollen. Die Diskussion ist unglaublich konservativ», sagte er in einem Interview im November. «Jetzt führen wir eine unsinnige Diskussion übers richtige Preisschild», sagte er im Dezember in der Talk-Sendung «Sonntags-Zeitung Standpunkte» auf SRF.
Direkt an SVP-Nationalrat Thomas Matter gerichtet, der sich im Initiativkomitee für die Halbierungsinitiative einsetzt, sagte Puppis: «Sie sitzen im Parlament. Sie hätten ja auch Vorstösse zur Diskussion des Leistungsauftrags machen können, bevor Sie eine 200-Franken-Initiative lancieren.»
Puppis’ Kritik an die Adresse der Initianten lautet also etwas zugespitzt: Sie wollen gar keine Debatte über den Service public, sondern missbrauchen das Mittel der Volksinitiative, um kritischen Informationsjournalismus in der Schweiz zu schwächen.
Was spricht für diese Kritik? Was dagegen?
Matter entgegnete in der Talk-Sendung: «Wir haben das x-mal gefordert mit Motionen.» Er meinte auch: Eine Diskussion über den Leistungsauftrag der SRG sei der SVP nach dem sehr knappen Ausgang der Abstimmung über die Revision des Radio- und TV-Gesetzes (RTVG) von der damaligen Bundesrätin Doris Leuthard versprochen worden. Bei der Abstimmung ging es hauptsächlich darum, die Empfangsgebühr für Haushalte und Firmen, welche ein über ein Radio- und/oder TV-Gerät verfügen, durch eine allgemeine Abgabe zu ersetzen (wegen dem Empfang über andere Geräte via Internet). Das Stimmvolk nahm die Vorlage am 14. Juni 2015 mit dem äusserst knappen Resultat von 50.1 Prozent Ja-Stimmen an.
Viele Vorstösse vor dem Bundesrats-Bericht
Matter hat nicht unrecht: In verschiedenen Vorstössen – allerdings kaum Motionen – verlangte das Parlament darauf vom Bundesrat Klärung in Sachen medialem Service public. Unter anderen durch die damalige SVP-Nationalrätin Natalie Rickli. In einem Postulat verlangte sie vier Szenarien zur Ausgestaltung der SRG, abhängig von der Grösse des Gebührentopfs. Bundesrat und Parlament lehnten die Vorstösse in Erwartung eines bundesrätlichen Berichts für Sommer 2016 ab.
Im Bericht lässt der Bundesrat zwar unterschiedliche Szenarien prüfen. Er tut dies allerdings nicht ausgehend von der Grösse der bereitgestellten Mittel. Zudem zeigt der Bericht: Die SRG kann ein demokratierelevantes Informationsangebot sicherstellen. Die Privaten hingegen nicht. Wichtig ist auch, dass viele Private dies anscheinend auch gar nicht wollen, wie ein Zusatzbericht zeigte. Es hiess damals: «Dieser Informationsjournalismus ist sehr teuer. Die SRG wendet den grössten Anteil ihres Budgets dafür auf, insgesamt rund 627 Millionen Franken.» 2021 waren es noch 580 Millionen Franken.
Den Vorwurf, dass die SVP via Gebührensenkung die SRG schwächen will, ohne dies offen zu sagen, kommt jedoch ebenfalls nicht von ungefähr. Ernsthaftes Interesse an einer Debatte über den Leistungsauftrag der SRG zeigten die SVP-Parlamentarier nach der Publikation des Berichts nämlich nicht mehr.
«No Billag» bleibt hängen
Besonders wichtig ist: Die Zeit für eine inhaltliche Debatte fehlte ohnehin. Denn bereits ein knappes halbes Jahr nach der RTVG-Abstimmung, am 11. Dezember 2015, reichte ein Komitee die No-Billag-Initiative ein, welche die eben eingeführte Abgabe gleich wieder ganz abschaffen und die SRG de facto privatisieren wollte. Später sprachen sich die SVP-Delegierten mit grosser Mehrheit für die Annahme der No-Billag-Initiative aus. Das Stimmvolk lehnte diese am 4. März 2018 klar ab.
Nach dem deutlichen Scheitern von «No Billag» präsentiert sich Matter heute gemässigt. «Ich war nie für die No-Billag-Initiative!», sagt er in der Talk-Sendung wiederholt und bestimmt. Tatsächlich enthielt sich Matter bei der Abstimmung im Nationalrat. Allerdings trat er auch als Aushängeschild an lokalen SVP-Veranstaltungen auf, wo Unterschriften für die Initiative gesammelt wurden.
Andere Mitglieder des Komitee-Präsidiums, wie der abtretende SVP-Präsident Marco Chiesa oder Nationalrat Gregor Rutz, stimmten hingegen bereits für «No Billag». Die Wege sind auch heute noch kurz. Wer die alte Website der No-Billag-Kampagne besuchen will, wird direkt auf die Seite der Halbierungsinitiative umgeleitet.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Die Dokumente zur Streichnung von kritischen Sendungen wie Kassensturz liegen bereits in den SVP Schubladen.
Seine Kernbotschaft: Über den SRG-Leistungsauftrag kann und soll man diskutieren – und danach das Budget festlegen. Warum soll dies bei der SRG anders ablaufen als bei der Armee. Dort wird das Preisschild durch das Bundesbudget festgelegt und das Budget aufgrund der Schuldenbremse immer wieder gekürzt.
Ja, es wäre richtig, zuerst über den Auftrag zu diskutieren, aber die SRG ist nicht die Staatsaufgagbe Nr. 1, von der SRG hängt nicht das Schicksal des Landes Schweiz ab, von der Sicherheitspolitik sehr wohl.
Deshalb ist diese Argumentation unredlich, auch wenn sie von einem «Medienwissenschafter» stammt!
Mit der Schuldenbremse für die Staatsaufgabe Nr. 1, die Sicherheitspolitik kastriert sich die SChweiz selbst und wird zum Trittbrettfahrer der Nato. Das kann sich unser Land nicht leisten!
Die SRG ist viel zu teuer, Gürtel enger schnallen ist angesagt!
Na ja, wer 2024 im Zusammenhang mit der Schweizer Armee von Budgetkürzung spricht, lebt entweder auf einem anderen Planeten . . .
. . . oder ist wortwörtlich aus der Zeit gefallen.