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SRF-«Medienclub» über Ueli Maurers Medienschelte. Meinungsmacher unter sich. © srf

SRF-«Medienclub» (1): Der Club der grossen Tiere

Robert Ruoff /  Im «Medienclub» von SRF trafen sich höchstrangige «Meinungsmacher der Schweizer Medienszene» (SRF) und waren sich weitgehend einig.

Vorweg so viel: Es ist gut, dass das Schweizer Fernsehen der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG wieder eine Mediensendung eingerichtet hat. Es ist gut, dass die Medienentwicklung mit ihren Chancen und Problemen wieder ein regelmässiges Thema sein soll. Und es ist richtig, dass der «Medienclub» wie jede neue Sendung ihre Entwicklungschance haben muss.

Aber die Zeichen stimmen nicht hoffnungsvoll.

Die Idee war, eine medienkritische Sendung zu schaffen. Der «Club» zur Medienschelte von Bundespräsident Maurer war über weite Strecken das Gegenteil. Er war eine Bühne für das Schweizer Medien-Establishment, die polemische Kritik des Politikers zurückzuweisen, in Abwesenheit des Kritikers oder eines legitimen Vertreters.

Das ist zu einfach.

Maurer: der grosse Abwesende

Maurers Kritik war in ihrer Polemik gegen das «Meinungskartell» der Schweizer Medien unqualifiziert. Sie war in der Feststellung des inhaltlichen «Einheitsbrei» teilweise berechtigt. Und die Aussagen über die Funktion der Medien für die Demokratie kann man, ohne zu zögern, unterschreiben: Bilden, Missstände aufdecken, die Sorgen und Bedürfnisse des Volkes im Staat zur Geltung bringen.

Das hätte eine vielfältige Debatte verdient. Vielleicht sogar mit einem kompetenten Publikumsvertreter. Das gibt es.

«Medienclub» als Establishment-Club

Aber das Schweizer Fernsehen hat sich bei dieser Gelegenheit wieder einmal als das dargestellt, was es allzu häufig ist: unkritischer Teil des Schweizer Establishment-Clubs, des politischen, des wirtschaftlichen und eben auch des Medien-Establishment. Die Besetzung war eine Insider-Runde: Verwaltungsrat, Generaldirektor, Verleger, Chefredaktor, Institutsdirektor. Alles Männer, alle in obersten Führungspositionen, alle gebunden an die bestehenden Machtstrukturen, alle seit Jahren gut miteinander bekannt sowie wirtschaftlich und medienpolitisch miteinander verflochten. Und ein etablierter Kritiker. Es war ein Club der grossen Tiere. Eine wirklich kritische, wirklich kontroverse Diskussion ist in einer solchen Runde nicht zu erwarten.

Abgang des Publikums

Beim beruflich aktiven Publikum im Alter zwischen 15 und 59 Jahren ist die Zuschauerzahl nach dem vorangegangenen «10 vor 10» abgestürzt von 209’000 auf 47’000 (Marktanteil: von 25.3% auf 10.5%). Beim Gesamtpublikum ab 3 Jahren sah es ein bisschen besser aus: von 153’000 hinunter auf 103’000, Marktanteil von 18.3% auf 14.6%. Neben den unmündigen Kindern sind wohl ein paar schlaflose Ältere dabei geblieben. (Der Durchschnitt des «Club» bei allen Zuschauern ab 3 Jahren lag im ersten Halbjahr 2013 bei 18.2% und 146’000 Zuschauern).

Zur Debatte steht nicht die Qualifikation der einzelnen Teilnehmer. Professor Kurt Imhof hat sich Verdienste um die kritische Diskussion der Medienentwicklung in der Schweiz erworben – und erwirbt sie mit dem Jahrbuch «Qualität der Medien» immer wieder. Aber er erlebt als etablierter Kritiker die rituellen Reaktionen aus dem Medien-Establishment. Die Verleger veröffentlichen auch diesmal eine eilige Medienmitteilung, in der sie die wissenschaftliche Qualität der Untersuchungen in Frage stellen – und sich damit die Auseinandersetzung mit den unangenehmen Ergebnissen der Studie ersparen.
Statt dessen erscheint in der «Basler Zeitung» und auf Tamedia-Newsnetz ein schnoddriges Porträt, das sich nicht auf die Sache sondern gegen die Person von Kurt Imhof richtet – eine eher unappetitliche Gefälligkeit für die Chefetagen in den Verlagshäusern.

Die Meinungsmacher: einer Meinung

Zu den «Meinungsmachern» in der Medienszene, wie es in der «Club»-Ankündigung hiess, gehört selbstverständlich SRG-Generaldirektor Roger de Weck. Der SRG-Chef wies Ueli Maurers Pauschalvorwurf des «Einheitsbreis» in den Schweizer Medien in aller Differenziertheit zurück, genau so wie Iwan Rickenbacher, Norbert Neininger, Patrik Müller. Er rühmt dann den Beitrag des Service Public der SRG zur Vielfalt und erklärt politisch gemünzt, es seien ja, «fast zum Glück, die ganz grossen ideologischen Debatten vorbei». Es gehe vor allem um pragmatische Lösungen praktischer Probleme. Die Diskussionen seien daher komplex, manchmal sogar ein bisschen langweilig.

Diesem Denkansatz des Chefs beugt sich die SRG, beugt sich das Schweizer Fernsehen, beugt sich der «Medienclub». Auch in der Medienpolitik stehen wir vor grundlegenden Fragen – nicht nur in der Finanz- und Wirtschaftspolitik, der Ausländer- und der Aussenpolitik -, aber der Establishment-Club in der Fernsehrunde blendet sie geflissentlich aus. Die Runde kann zwar Imhofs Feststellung nicht widersprechen, dass es in der Schweiz nur noch drei Kantone mit mehr als einem Anbieter auf dem Zeitungsmarkt gibt – Zürich und die Randkantone Tessin und Jura! -, aber ein Thema wird das nicht. Der «Medienclub» sieht die grundlegenden Probleme schon pragmatisch gelöst: Wo das Monopol herrscht, wie in Genf, liefert die SRG die Vielfalt (sagt Roger de Weck). Wo die Tamedia das Marktmonopol bei der abonnierten Tagespresse hat, wie in Bern, lässt der Konzern mit «Bund» und «Berner Zeitung» grosszügig Zeitungsvarianten zwischen linksbürgerlich und rechtsbürgerlich zu (sagt Iwan Rickenbacher, Tamedia-Verwaltungsrat). Und Chefredaktor Patrik Müller von den mittelländischen AZ-Medien («Schweiz am Sonntag») erklärt schlicht: «Es kommen alle zu Wort!»

Nur der «Verleger des Jahres» Norbert Neininger («Schaffhauser Nachrichten», «Blocher TV»), der den Maurer Ueli vertreten sollte und es ausdrücklich nicht tat, erinnerte an eine Uralt-Idee der Presse, nämlich «dass der Verleger auch eine Meinung hat, und diese Meinung schlägt durch.»

Genau.

Wird fortgesetzt mit Teil 2: Der «ständige Gast»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor war bis 2004 Mitarbeiter von SRG/SRF.

Zum Infosperber-Dossier:

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Fehler passieren überall. Beim nationalen Fernseh-Sender sind sie besonders ärgerlich. Lob und Tadel.

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5 Meinungen

  • am 27.09.2013 um 11:58 Uhr
    Permalink

    Habe die Sendung leider verpasst, werde sie mir aber noch anschauen. Da war wohl wieder einmal der «Wohlfühl-Club» tätig, ein Wiederholungstäter! Man will sich gegenseitig nicht weh tun, man arbeitet auf weiteres «Appeasement» und stösst anschliessend auf die gemeinsame «Arbeit» an. Dass der offenbare «Täter» und seine Meinung auch selbst mit einem Vertreter nicht dabei war, erklärt die Objektivität dieser Veranstaltung. Es wäre wirklich besser, man würde auf solche «Veranstaltungen» gleich ganz verzichten!

  • erich_schmid
    am 27.09.2013 um 14:03 Uhr
    Permalink

    Kurt Imhof hat es gegen den Schluss auf den Punkt gebracht: Es fehle der Branche ein Gesamtarbeitsvertrag GAV. Dies korrespondierte mit de Wecks Feststellung, man müsse gute Arbeitsbedingungen für die Journalisten schaffen, dann könne der Einheitsbrei durchbrochen werden. Themen müssten weniger von aussen an die Medien herangetragen werden, sondern die Medien müssten die Themen selbst schaffen – mit Recherchen. Imhofs Versuch, den GAV ins Gespräch zu bringen, hätte der Diskussion neuen Schwung gebracht. Doch der Mann vom Aargauer „Sonntag“ blockte sofort ab, und die Moderatorin, die die Männerrunde eingeladen hatte, beklagte die Abwesenheit der Frauen, während man sich fragte, wo denn eigentlich die Vertreter der Journalisten geblieben sind. Denn ohne ihre Berufsverbände und Gewerkschaften, gibt es keinen GAV und ohne GAV keine guten Arbeitsbedingungen und ohne gute Arbeitsbedingungen keine guten Medien. De Weck hat es richtig angedacht, aber nicht zu Ende gesagt, weil er, wie im Bericht von Robert Ruoff erwähnt, dem Establishment angehört.

    Erich Schmid

  • Portrait_Robert_Ruoff_x
    am 27.09.2013 um 16:01 Uhr
    Permalink

    @erichschmid: Eine wichtige Feststellung. Ich habe die gleiche Feststellung in gleicher Weise gemacht, die Episode aber zugunsten der Gradlinigkeit meines Textes nicht erwähnt. Umso wichtiger die Ergänzung, danke. Wir erleben zurzeit ja eine Entwicklung, in der die Verleger einen GAV blockieren oder – in der Westschweiz – Lohn- und Gehaltsbesatimmungen weitgehend eliminieren wollen. Und die gespaltenen Journalistenorganisationen nicht durchsetzungsfähig sind. – Ein eigenes Thema.

  • am 27.09.2013 um 19:37 Uhr
    Permalink

    …..«dass der Verleger auch eine Meinung hat, und diese Meinung schlägt durch», sagte Herr Neininger zu recht. Dabei tun Verleger und deren Verlagsmanager immer so, als gäbe es diese Durchschlagen nicht. Natürlich gibt es das.

    Solange es sehr viele Verlage und eine funktionierende Konkurrenz gab, spielte das keine grosse Rolle. Aber wir befinden uns in einer Phase stringenter Medienkonzentration. Tamedia, Ringer und Migros/Coop (deren Gratistitel werden sozusagen zwangsverteilt und zählen daher in diesem Zusammenhang kaum) kontrollieren mittlerweile 50% des Marktes.

    Nach politisch-wirtschaftlicher Relevanz bleiben faktisch die Blick-Gruppe und Tamedia als absolute Dominatoren übrig.

    Die übrige 50% des Marktes sind stark zersplittert. Diese enorme publizistische und ökonomische Meinungsmacht wird faktisch von zwei Familienverbänden beherrscht, von denen man so gut wie nichts weiss.

    Für eine direkte Demokratie mit ihrem Debattenbedarf und Entscheidungsdruck für jeden einzelnen Bürger bez. Medienkonsument ist das kein komfortabler Zustand.

    Es klang nach behäbiger Gutsherrenart, als Tamedia-VR Iwan Rickenbacher grossmütig erklärte, man lasse ja innerhalb des Konzerns (z.B. in Bern) publizistische Konkurrenz ja zu.

    «Man lässt zu". Man gewährt. Vielleicht irgendwann auch nicht mal mehr das, wenn der ökonomische Druck steigt.

    Imhof war der einzige, der auf diese monopolistische Formen annehmende Konzentration von Publizistik und veröffentlichter Meinung hinwies – aber lief damit, erwartungsgemäss ins Leere.

  • am 28.09.2013 um 08:21 Uhr
    Permalink

    Liebe Mit-Diskutierende
    Wer will sich schon den vorverdauten, zensurierten, untereinander abgestimmten, mit den wirtschaftlichen Interessen der Grosskonzerne synchronisierten Brei in einen gesunden Menschenverstand reinsetzen lassen, welcher die Journalistische Elite der Schweizer Politikverbundenen zu bieten hat? Es erinnert mich an sektenhaftes, dogmatisches, raffiniert durchstrukturiertes Meinungs und Sichtweisenmarketing einer bürgerlichen Bourgeoisie, welcher hier bei der Meinungsmache noch ihre narzisstischen Bedürfnisse befriedigt. Sogar der Beobachter gleitet immer mehr ab in die falsche Richtung, die Weltwoche ging ja schon vor Jahren verloren, sie wechselte das Ufer zur rechten Seite, um überleben zu können. Ja kein heikles Thema berühren, ja nicht an die Wurzeln der sozialen Ungerechtigkeit und deren Ursachen Tasten. Das ist heute die Devise der Elitemeinungsmacher. Das Gute ist, dass dieses Schiff am sinken ist, rigoros und ohne Gnade, die Geschichte vergisst nichts. Die Alternativen, dem Infosperber und seinen Journalisten sei hier ebenso ein Kränzlein gewunden wie all den anderen privaten Organisationen und Personen, welche selber beobachten und differenzieren können, und auf Google, You-Tube, Facebook und auf eigenen Webseiten ihre Arbeiten präsentieren, dies sind zumeist grossartige Leistungen. Natürlich muss man dann selber mitdenken, aussortieren, was ist von Hand und Fuss, wo muss man zwischen den Zeilen lesen, der Leser, Konsument von Informationen, muss wieder lernen selber Verantwortung übernehmen, wenn er vielseitig, objektiv und gut informiert sein möchte. Mit freundlichen Grüssen und allen ein gutes Wochenende Beatus Gubler http://www.streetwork.ch Basel

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