Sprachlupe: Spucken und Würgen mit «Woodvetia»

Daniel Goldstein /  Swissness auf dem Holzweg: Die Aktion zur Förderung des einheimischen Holzes ist originell, der englisch-lateinische Name nicht.

Da verschlug es mir gleich doppelt die Sprache. Beim ersten Mal erholte ich mich rasch: Leicht erklärbar war, dass aus der SVP lobende Worte kamen für die Zusage des Bundes, Steuergelder für eine Werbekampagne auszugeben. Schliesslich ging es um den Absatz von Schweizer Holz, und an «Hölzigen», die das gut finden, mangelt es in jener sparbeflissenen Partei eben nicht. Aber dass der Aufruf zum patriotischen Holzkonsum «Woodvetia» heissen soll, ist schon ein dickes Brett zum Bohren.
Die lateinische Helvetia ist längst eingebürgert, denn es gehört zur gemeinsamen Geschichte, dass Latein hierzulande Bildungs- und Herrschaftssprache war. Muss nun wirklich die globale Konsumsprache Englisch von Amtes wegen in den gleichen Rang erhoben werden, und erst noch in einem Wortbastard mit Latein verkuppelt? Oder, um in der Branche zu bleiben, zu Sperrholz verleimt? So vermeidet man den politischen Fauxpas, eine einzelne Landessprache zu bevorzugen, und den werbetechnischen, die Kampagne unter verschiedenen Namen laufen zu lassen. Dafür vergreift man sich an der Sprache.
«Spoken Wörgeli»
Menschen als Bastarde zu verunglimpfen, hat sich unsere Kultur zum Glück längst abgewöhnt, und bei Hundemischlingen meint man das Wort meist liebevoll. Indes, bei Mischwörtern hört für mich der Spass auf. Nichts gegen – mit Bedacht verwendete – Fremdwörter, aber als Einsprengsel in anderen Wörtern sind sie ungeniessbar, oft auch unaussprechlich. Wer schafft es schon, bei «Woodvetia» vom englischen w (also etwa u-u) rechtzeitig umzuschalten aufs deutsch-lateinische v (gepflegt wie w auszusprechen, nicht wie f)? Vielleicht jemand mit Sägemehl im Mund, und um den hölzernen Ausdruck zu goutieren, braucht’s ein Brett vor dem Kopf.
Bei der Suche nach weiteren Beispielen hilft ein Programm zur Berner Museumsnacht. In der Universitätsbibliothek gibt’s dann «Spoken Wörgeli» zu hören. Dass die literarische Kunstform des gesprochenen Worts, wenn es scheinbar spontan daherkommt, «Spoken Word» heissen soll – sei’s drum, Künstler dürfen ja alles. Und kommt ein Schwyzerörgeli dazu, bietet sich natürlich der Kalauer «Wörgeli» an. Er ist, wahrscheinlich ohne Absicht, ein Doppelkalauer, denn es ist eine rechte Würgerei, den Wortanfang englisch auszusprechen, aber nur gerade den. «Wörgeli» ist also selber eins, und «Woodvetia» noch so eins. Dagegen wirkt «Oil of Emmental» (für Brennholz) flüssig und fast witzig.
Swisstopo vs. Armasuisse
Die Landessprachen mit Englisch zu überwölben, versuchen manche Bundesämter sogar beim eigenen Namen oder bei ihrer Tätigkeit. So nennt sich jenes für Landestopografie, in jeder Sprachregion gleichermassen fremdartig, «Swisstopo». Dürfen wir beim Reden den zweiten Teil je nach Gegend unterschiedlich abwandeln, oder haben wir so etwas wie «tapo-u» zu sagen? Und können wir uns ungetrübt freuen, wenn einheimisches Kunstschaffen mit dem «Swiss Art Award» ausgezeichnet wird? Da ist mir sogar das Bundesamt für Rüstung lieber, das mit «Armasuisse» wagt, in seinem Kurznamen dem Französischen den Vorrang zu geben. Und noch lieber ist mir, trotz Grossbuchstaben im Wortinnern, die Vielfalt von MeteoSchweiz: Das Bundesamt verwendet in jeder Landessprache den jeweiligen Namen.
Swissbau, Swissberg, Swissquell, Swissverlag – das Markenregister zählt hochgerechnet gegen hundert solcher Kombinationen. Wahrscheinlich wird dabei kaum einmal «Swiss» noch englisch ausgesprochen. Beim Schritt vom Fremd- zum Lehnwort passen sich die Aussprache und oft auch die Schreibweise an. Hier wäre «Sewiss» am Platz, denn deutsche Wurzeln mit «sw» gibt’s nur im Niederdeutschen. Auch «Woodvetia» kommt gut ohne englisches W aus, und um Mundverrenkungen vorzubeugen, sollte man «Wudvetia» schreiben, oder gar «Wudwehzia». Da sind wir ganz schön auf den Holzweg geraten.— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlupe»
— darin: Mehl im Brief und Regen in Spanien

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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4 Meinungen

  • am 4.02.2017 um 12:28 Uhr
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    SWISSMINT? Ist das ein Kaugummi gegen für schlechten Mundgeruch?
    Ich dachte bis jetzt, die Swissmint (früher: Eidgenössische Münzstätte) in Bern sei die offizielle Münzprägestätte der Schweiz.

  • Portrait_Daniel_Goldstein_2016
    am 4.02.2017 um 12:36 Uhr
    Permalink

    sofort als Kaugummi-Marke schützen lassen, ist wenigstens ganz englisch!

  • am 4.02.2017 um 16:02 Uhr
    Permalink

    Danke Daniel Goldstein für ihren beitrag. Ich kann nur zustimmen und ein paar beispiele aus dem Tessin anfügen, wo das kranke „ingliano“ mit vorliebe in titelzeilen der lokalzeitungen wilde sprachblüten hervorbringt: Pagare ha poco ‚appeal‘ – To bike or not to bike – Come ti ‚performo‘ il bus, ecc. Vor zwei jahren hatte das Verkehrsbüro Lugano einen besonderen geistesblitz bei der förderung der veranstaltungen dem ufer des Luganersee entlang, also lungolago (Seepromenade): flugs wurde lungolago in Long Lake umbenannt. Abgesehen von der lächerlichen verhunzung gab es ein Problem: bei Long Lake denkt ein tourist doch eher an Langensee, der bekanntlich zu Locarno gehört und wechselt möglicherweise flugs sein reiseziel, zur freude der locarnesi.

  • am 4.02.2017 um 20:04 Uhr
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    Diese linguistischen Sünden sollten verboten werden. Ich schlage ein Bundesamt vor, dass sich solche Gemeinheiten wie die oben beschriebenen, verbietet. (Der Name des Instituts könnte Helingua, Helvegua oder Lingutia heissen, SchweizSprech oder SprachSchutz wäre wohl wegen der Abkürzung weniger empfehlenswert …)
    😉

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