Glosse

Sprache: «Asylant», (vermeintlich) belastetes Wort

Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Daniel Goldstein /  Wer Asylsuchende «Asylanten» nennt, tut's vielleicht nur der Kürze wegen, gerät aber leicht in fremdenfeindliche Gesellschaft.

Ist Asylant ein Schimpfwort oder einfach eine Kurzform für Asylbewerber? Wer sich solche Fragen stellt, findet Antworten im Glossar der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA). Die Liste «historisch belasteter oder vermeintlich belasteter» Wörter ist gerade wieder besonders aktuell; zu jedem Stichwort finden sich Angaben über Herkunft und Verwendung, aber keine direkten Empfehlungen. Man kann dank diesen Informationen selber entscheiden, welchen Wortgebrauch man für «politisch korrekt» hält. Allerdings ist auch dieser Begriff belastet. Als amerikanische Colleges mit Sprachregelungen die Diskriminierung von Frauen und Minderheiten bekämpfen wollten, brauchten ab etwa 1990 konservative Verfechter freier Rede «political correctness» als Kampfwort gegen derlei Vorschriften.
Das Wort «Asylant» kam laut GRA etwa 1970 auf, von Anfang an in fremdenfeindlichem Sinn, und hat daher eine «klar abwertende Bedeutung». Dies komme nicht von der Wortbildung: Zwar gebe es missliebige «-anten» wie den Querulanten und den Intriganten, daneben aber auch respektierte Intendanten und Lieferanten. Letzteren steht ein deutsches Tätigkeitswort zu Gevatter, meist aber ist es ein lateinisches Verb. Freilich hält das Glossar fest, zu «asylum» (Zufluchtsort) existiere gar kein Verb.
Amtliche Klarheit
Um diesen Faden weiterzuspinnen: Gäbe es «asylare», so müsste es wohl «Asyl gewähren» bedeuten, der Asylant wäre demnach der zuständige Beamte. Darauf muss man erst mal kommen – aber auch in der Umgangssprache ist gar nicht so klar, was genau mit Asylant gemeint ist. Ist einer, der Asyl bekommen hat, noch einer? Die Behörden reden konsequent – und erst noch geschlechtsneutral – von Asylsuchenden, solange noch kein Entscheid gefallen ist; danach gibt es abgewiesene Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene oder anerkannte Flüchtlinge.
Nun ist diese Unterscheidung jenen, die abschätzig von Asylanten reden, wohl ziemlich egal. Alle andern aber sollten sich nur schon um der Klarheit willen an den amtlichen Sprachgebrauch halten. Tun sie es nicht, dann laut dem Glossar deshalb, weil sie «den fremdenfeindlichen Ton entweder übernehmen oder überhören». Und, so wäre beizufügen, beim Lesen oder Zuhören möchte man nicht unbedingt raten müssen, ob dieser Ton mitgemeint ist oder nicht.
Beleidigt oder selbstsicher?
Allerdings ist es eine leidige Sache, wenn der Sprache alteingesessene Wörter – zu denen Asylant nicht gehört – abhanden kommen, weil sie einen negativen Beigeschmack entwickeln. So zitiert das Glossar eine Duden-Empfehlung von 2004: «Die Bezeichnungen Neger, Negerin sollten im öffentlichen Sprachgebrauch nicht mehr verwendet werden, da sie zunehmend als Diskriminierung empfunden werden.» Und es führt als «selbstbestimmte Bezeichnungen für dunkelhäutige Menschen» an: «Schwarze», «Schwarzafrikaner», «Afrodeutsche» oder «Afroamerikaner».
Die «Selbstbestimmung» ist da allerdings nicht so eindeutig: Es gibt amerikanische Schwarze, die sich an die Devise «black is beautiful» halten, während andere, oder die gleichen, «Afro-American» als Unterordnung der afrikanischen Wurzeln empfinden und «African American» vorziehen. Frankofone mögen sich daran erinnern, dass Senegals Landesvater Senghor mit Stolz von der «négritude» als prägender und zu pflegender Eigenart sprach. Er versuchte damit, das schon damals belastete Wort «nègre» quasi zurückzuerobern – ähnlich wie es bei uns seither die Homosexuellen mit «schwul» getan haben.
— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlust»
— Beitrag über Migranten und Flüchtlinge

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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3 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 19.09.2015 um 11:23 Uhr
    Permalink

    Die Sprachregelung entwickelte sich von «Asylant» zu «Asylbewerber», was bereits nicht mehr zulässig ist, weil mit dem Verdacht verbunden, es könnte ein Betrüger sein, zum vorbehaltlosen «Flüchtling» ohne Wenn und Aber. Heute gibt es also nur noch «Flüchtlinge». Klar bleibt bei denen, die keine konkreten praktischen Probleme zu lösen haben, fast ausschliesslich der Kampf um Diskurshoheit und Sprachregelung übrig.

  • am 23.09.2015 um 02:26 Uhr
    Permalink

    Mir ist das Wort «Asylsuchender» lieber.
    Hans-Peter Holbach

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 23.09.2015 um 02:34 Uhr
    Permalink

    Das Wort hat etwas Höfliches, auch in Richtung «Ersuchen», klingt wenig fordernd.

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