4034975587_5cd368b389_o

Nulltoleranz beim Brennen von Pyros-Fackeln kann missbraucht werden © funky1opti/Flickr/Creative Commons

Spielabbruch nach Pyros-Wurfen ist falscher Anreiz

Prof. Tilman Slembeck /  Manche Zusschauer werden erst recht Pyro-Fackeln ins Stadion schmuggeln, um sie beim Rückstand ihrer Mannschaft zu zünden.

Das Abbrennen von Pyro-Fackeln in der Nähe von Menschen kann lebensgefährlich sein und ist deshalb in Fussballstadien verboten. Dennoch schaffen es einige Leute fast bei jedem Spiel, Pyros ins Stadion zu schmuggeln. Die Verantwortlichen sind offenbar nicht in der Lage, strikte Kontrollen durchzuführen. Und die Richter sind sich darüber uneins, ob das Mitführen von Pyros bereits eine strafbare Vorbereitungshandlung ist oder nicht. Deshalb fragt sich, mit welchen Regeln man die richtigen Anreize setzen könnte, um Pyros in Stadien zu verhindern.
Ein aktuell unter dem Stichwort »Nulltoleranz” diskutierte Regel besagt, dass beim Zünden von Pyros oder Petarden das Spiel durch den Schiedsrichter sofort abgebrochen werden muss. Was nach entschlossenem Durchgreifen klingt, ist leider nicht anreizkompatibel.
Wem nämlich der Verlauf des Spiels missfällt, braucht nur eine Pyro zu zünden und schon wird das Spiel abgebrochen. Mit der Nulltoleranz-Regel wird jedem entsprechend vorbereiteten Zuschauer die Möglichkeit gegeben, den Spielverlauf massgeblich zu manipulieren. Droht eine Niederlage, werden einfach Pyros gezündet. Das sind klar die falschen Anreize.
Man könnte nun darauf hoffen, dass die echten Fussballfans aufgrund dieser Regel versuchen, das Schmuggeln und Zünden von Pyros durch Chaoten zu verhindern. Allerdings zweifle ich am Durchsetzungsvermögen einer Fan-Polizei.
Stattdessen ist eher anzunehmen, dass noch mehr Pyros geschmuggelt werden, da sich manche Zuschauer auf eine allfällige Niederlage ihrer Mannschaft vorbereiten wollen.
Prinzipiell besser wäre die Regel, wonach beim Zünden von Pyros durch Anhänger einer Mannschaft dem anderen Team sogleich der Sieg zuerkannt würde. Leider dürfte eine klare Feststellung der Zugehörigkeit der Täterschaft zu einer der beiden Mannschaften in der Praxis unmöglich sein. Zudem bestünde ein enormer Anreiz, Fans mit Pyros ins gegnerische Lager einzuschleusen.
Somit bleibt die Einsicht, dass Spielverlauf und -ergebnis unabhängig vom (Fehl)Verhalten der Zuschauer sein müssen. Und es bleibt nichts übrig als bauliche Massnahmen und strengere Kontrollen durchzuführen. Diese aber bitte nicht zulasten der Öffentlichkeit, sondern der Clubs und Zuschauer.
—-
Diesen Beitrag hat Professor Tilman Slembeck in seinem Blog veröffentlicht.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Professor für Volkswirtschaftslehre an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und Dozent der Uni St. Gallen (HSG).

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.