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«Walliser Bote» vom 8. November 2017: «Die (guten) Argumente» © wb

So werden die Walliser Wasserzins-Helden gefeiert

Kurt Marti /  Die Walliser Politiker haben lange geschlafen bis sie erwachten. Jetzt feiert der «Walliser Bote» sie als Retter der Wasserzinsen.

Gestern feierte der «Walliser Boten» (WB) die Helden der Wasserzins-Schlacht gegen den Bundesrat und die Stromlobby. Und dazu gehören laut WB nicht nur der Walliser Staatsrat, die Walliser Konzessionsgemeinden und selbstverständlich die CVP und CSP-Politiker, sondern auch das Oberwalliser Regionalblatt selber:

«Die (guten) Argumente wider die Herabsetzung der Wasserzinsen wurden im ‹Walliser Boten› in den letzten Monaten verschiedentlich dargelegt. Der neue Energieminister Roberto Schmidt führte dazu mit seinen Regierungskollegen aus den Kantonen Graubünden und Tessin Ende August in Bern eine nationale Medienorientierung durch. Weitere Schützenhilfe erhielt die Front gegen Leuthards Vorschlag durch ein Bombardement seitens der betroffenen Gemeinden. Und auch ihre eigene Partei, die CVP, hatte die Idee mit einer schroffen Stellungnahme rundherum abgelehnt.»

Bezeichnend für die Darstellung des WB ist die Tatsache, dass Not Carl, der Präsident der Bündner Konzessionsgemeinden und Drahtzieher des Widerstands, im Hauptartikel mit keinem Wort erwähnt wird. Einzig in einem Zitat von SPO-Grossrat Gilbert Truffer kommt Carl vor und dabei wurde sein Name auch noch falsch geschrieben («Carl Noth»). Truffer rückte dabei das schiefe WB-Bild zurecht, indem er den bürgerlichen Politikern im Wallis «grosse Lethargie» vorwarf: «Man ist vor Bekanntwerden der Senkung der Wasserzinsen gar nicht aktiv geworden, sondern hat stets nur mit grosser Passivität geglänzt. Erst als die Pläne längst bekannt waren, hat man doch noch reagiert

Man mag es dem Wallis gönnen, dass es in den nächsten Jahren nicht auf 45 Millionen Franken verzichten muss, aber was den erwähnten Helden-Mythos betrifft, braucht es doch ein paar kosmetische Korrekturen in Form einer Chronologie der Ereignisse:

Anfang 2017 forderte die Stromlobby eine «Flexibilisierung» der Wasserzinsen, das heisst eine massive Senkung der gesicherten Wasserzinsen. Für das Wallis hätte das eine Einbusse von 100 Millionen Franken pro Jahr bedeutet. Infosperber hat bereits im Februar und März darüber berichtet. Der Alarm verhallte in den Walliser Viertausendern.

Am 7. März propagierte der Stromlobbyist Roger Pfammatter vom Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband (SWV) in Brig vor rund 200 Leuten das Flexibilisierungsmodell der Stromlobby, und zwar auf Einladung des Walliser Energiedepartementes. Resultat: Der WB berichtete brav darüber. Null Kritik, null Widerstand. Und das in der wichtigen Phase der Vor-Vernehmlassung.

Stattdessen berichtete am 3. April 2017 der WB, dass der damalige Walliser Energieminister Jean-Michel Cina zusammen mit der Regierungskonferenz der Gebirgskantone das Flexibilisierungsmodell der Strombranche befürwortete. Laut WB sei man im Wallis – im Gegensatz zum Kanton Graubünden – «offener für Verhandlungen» und der Verband der Walliser Konzessionsgemeinden zeige sich «weniger kampfbereit». Christoph Bürgin, der Vizepräsident des Verbandes und frühere Gemeindepräsident von Zermatt, hätte schon von Gemeinden gehört, die mittelfristig «mit weniger Einnahmen rechnen». Auf ihrer Homepage gaben die Walliser Konzessionsgemeinden das Lobby-Papier der Strombranche prominent zum Besten. Von Widerstand keine Spur.

Am 22. April stimmte der WB ins Lied der Stromlobby zur Senkung der Wasserzinsen ein: «Diese Idee ist schon länger bekannt und hat angesichts der Marktpreise durchaus eine gewisse Folgerichtigkeit. Denn seit 1997 haben sich die vom Bund festgelegten Wasserzinsbeiträge verdoppelt. Die Preise entwickelten sich in die andere Richtung. Jetzt gilt es, die Schere zu schliessen.»

Am 31. Mai titelte der WB: «Die Wasserzins-Debatte erfordert Flexibilität». Der neue Walliser Energieminister und zurücktretende CSPO-Nationalrat Roberto Schmidt erklärte: «Die heutigen Wasserzinsen werden kaum zu halten sein».


Walliser Staatsrat Roberto Schmidt / Quelle: WB vom 31. Mai 2017

Am 9. Juni berichtete der WB über die Sitzung der Präsidentenkonferenz des Bezirkes Visp, an der SWV-Geschäftsführer Pfammatter erneut seine Forderungen zur Senkung der Wasserzinsen präsentieren konnte. Resultat: Null Kritik, null Widerstand.

Nota bene: Zu diesem Zeitpunkt lief der Widerstand der Bündner Konzessionsgemeinden unter ihrem Präsidenten Not Carl längst auf Hochtouren. Am 12. Juni traten die Bündner Konzessionsgemeinden an die Öffentlichkeit und wehrten sich vehement gegen die Senkung der Wasserzinsen und das Flexibilisierungsmodell. Die Medienkonferenz wurde von Not Carl organisiert. Als Redner trat auch der Walliser SPO-Grossrat Gilbert Truffer auf und der ehemalige Basler SP-Nationalrat und Energieexperte Rudolf Rechsteiner untermauerte die Forderungen mit einer Studie.

Am 22. Juni veröffentlichte der Bundesrat seine Botschaft zur Senkung der Wasserzinsen und schickte die entsprechende Gesetzesrevision in die Vernehmlassung. Erst jetzt erwachte der Widerstand der Walliser und Energieminister Roberto Schmidt redete überzeugend Klartext gegen die Senkung der Wasserzinsen, unter anderem mit den schlagkräftigen Argumenten der Bündner. Auch der WB sprang nun auf den fahrenden Zug und meldete sich endlich mit ein paar kritischen Kommentaren.

Zudem erklärte Schmidt gegenüber dem WB, er habe die Wochen vor der Vernehmlassung in mehreren Gesprächen mit Energieministerin Doris Leuthard eine Senkung der Wasserzinsen auf 50 Franken pro Kilowatt Bruttoleistung aktiv verhindert. So habe der Bundesrat nur eine Senkung auf 80 Franken vorgeschlagen. Aber auch das sei «inakzeptabel».

In einer Art Feuerwehraktion musste der neue Walliser Energieminister die Versäumnisse seines Vorgängers Jean-Michel Cina ausbügeln und half damit die Vorlage zu verschlimmbessern. Denn mit der geringeren Senkung der Wasserzinsen wollte der Bundesrat die Vorlage für die Gebirgskantone und für das Parlament geniessbarer machen und damit ein Präjudiz für die weitere Senkung gemäss Flexibilisierungsmodell schaffen. Ein Trojanisches Pferd.

Selbstkritisch analysierte Schmidt gegenüber dem WB weiter: «Wir müssen gemeinsam mit unsren Parlamentariern und interkantonalen Partnern die für unseren Kanton entscheidenden Dossiers besser antizipieren. Wir dürfen nicht untätig abwarten, bis brisante Themen in Bundes-Bern bereits entschieden sind.» Damit fasst er die anfängliche Lethargie der Walliser Politiker bestens zusammen.

Übrigens auch Schmidt gehörte bis Mitte Juni 2017 zu den Walliser Parlamentariern in Bern und muss sich die Frage gefallen lassen, wie es kommen konnte, dass die eigene Bundesrätin und deren Verwaltung eine solche Vorlage im Einvernehmen mit der Stromlobby aufgleisen konnte.

Anfang September fuhr der Bündner Not Carl auf Vermittlung von SPO-Grossrat Gilbert Truffer ins Wallis, um die Walliser Gemeindepolitiker aufzuklären. Erst dann merkten diese, was es geschlagen hatte, worauf sie den Bundesrat mit einer Lawine von Stellungnahmen eindeckten.

Wenn aber der Chefredaktor Arthur Rutishauser in der «Sonntagszeitung» vom 5. November schreibt, die Walliser Konzessionsgemeinden hätten sich «mächtig ins Zeug gelegt» und mit ihrem «schlagkräftigen Verband» dem Wallis «45 Millionen Franken jährlich» gerettet, dann ist das erstens zu viel der Ehre und zeigt zweitens, dass der regionale Recherche-Journalismus der Tamedia-Zeitungen noch Luft nach oben hat.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

Staudamm

Streit um die Höhe der Wasserzinsen

Die Stromlobby und der Bund wollen im Parlament tiefere Wasserzinsen für die Bergkantone durchsetzen.

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6 Meinungen

  • am 9.11.2017 um 17:31 Uhr
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    Der Wasserzins ist reine Geldmacherei ohne Gegenleistung. Oder gibt es einen Grund, warum für das Wasser, das gratis vom Himmel fällt, bezahlt werden muss?

  • am 9.11.2017 um 21:47 Uhr
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    Herr Ramp Ihre Meinung ist in keinster Weise adequat, um ohne Gegenrede so respektlos unter die wertvolle journalistische Arbeit von Kurt Marti zu pflastern. Ihre Argumentation zu den Wasserzinsen ist falsch. Vielleicht wird Ihnen die Vorstellung eines möglichen Erlebnisses im Sandkasten – bei dem Ihnen das Nachbarskind auf Ihre Strasse einen Staudamm baut und erst noch ihr ganze Tal flutet – auf die Sprünge helfen. Sobald diese Basics verstanden ist, kann es Sinn machen über das historisch verankert und schweizerischen Verständnis zu Eigentum und Wasserrechten weitere Gedanken zu machen.

  • am 10.11.2017 um 20:05 Uhr
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    Ja, Herr Ramp, die Wasserzinsen sind gerechtfertigt. Sie sind der Preis für den Natur- und Landschaftsverbrauch. Es ist einer der grossen Fehler des Kapitalismus, dass die Natur, der Naturverbrauch, die Naturzerstörung keinen Preis hat, vermeintlich gratis vom Himmel fallen.
    PS. Gratulation zum Erfolg, Kurt Marti. Da waren Sie ja auch dran beteilgit.

  • am 10.11.2017 um 20:15 Uhr
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    Wer hat denn die Natur und die Landschaft geschaffen? Sicher nicht diejenigen, die den Wasserzins einsacken. Kann die Zerstörung der Natur jetzt mit Geld gutgemacht werden? Wenn man die Zerstörung der Natur mit Geld aufwiegen könnte, müssten die Leute im Mittelland ja sehr reich sein.

  • am 10.11.2017 um 22:46 Uhr
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    Also sind Sie einverstanden damit, das Wasserzinsen bezahlt werden müssen, nur nicht damit, dass die Bergkantone sie erhalten? Wem würden Sie den das Geld geben?

  • am 7.03.2018 um 12:13 Uhr
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    Herr Ramp, wissen Sie eigentliches was für eine Fläche an Boden für diese Wasserzinsen beansprucht wird.Wenn Sie eine Benzintankstelle betreiben sind die Lagertanks und deren Unterhalt natürlich kostenlos.Ganze Täler sind geflutet.Das Gegenteil ist der Fall.Wo bleibt der Speicherzuschlag? für die Stauwerke.Sie bezahlen ja auch für Ihre elektrischen Batteriespeicher.

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