Schweizer Zivis als Fachleute im Auslandeinsatz
(Red.) Im Parlament ist die Die GSoA-Initiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» chancenlos. Der Ständerat lehnte sie letzte Woche mit 34 gegen 7 Stimmen ab. Die Initiative möchte anstelle des obligatorischen Militärdienstes einen freiwilligen Zivildienst einführen. Er kann schon heute auch im Ausland absolviert werden.
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Insgesamt 15’000 militärdiensttaugliche junge Schweizer Männer haben im letzten Jahr Zivildienst geleistet, statt in die Armee zu gehen. 162 von ihnen taten dies im Ausland. Zum Beispiel als Laborant für das Schweizerische Tropeninstitut oder als Lastwagenfahrer für Médecins Sans Frontières in Afrika. Oder als Mathematiklehrer in Brasilien, als Instruktor für solare Trinkwasser-Desinfektion oder als Experte für Brunnenprojekte in ein Entwicklungsland. Solche und ähnliche Möglichkeiten im Bereich der Entwicklungs-Zusammenarbeit oder der humanitären Hilfe bietet die Vollzugsstelle für den Zivildienst in Thun jungen Schweizer Militärdiensttauglichen, die sich für einen Einsatz ausserhalb der Landesgrenzen interessieren.
Die Qualifikationen sind entscheidend
Die Anforderungen sind hoch. Es braucht eine abgeschlossene Berufsausbildung oder mindestens zwei Jahre Studium. Der Interessent muss im weiteren über Kenntnisse der Amtssprache des Einsatzlandes verfügen und bereits Erfahrungen im Ausland gesammelt haben.«Und mit Auslanderfahrung meine ich nicht Ferien in Brasilien, sondern er muss die Sprache und die lokalen Verhältnisse kennen», sagt Samuel Werenfels, der Leiter der Vollzugsstelle für den Zivildienst: «Wenn der junge Mann die Risiken nicht kennt, die mit dem Einsatz verbunden sind, und das konkrete Leben nicht richtig einschätzen kann, bewilligen wir den Auslandeinsatz nicht.»
«Eigentlich stecken wir in einem Dilemma», betont der Jurist. «Die jungen Leute würden enorm gerne ins Ausland gehen – die Nachfrage ist gross. Die Auslandeinsätze stellen aber sehr hohe Anforderungen, welche die meisten von ihnen nicht erfüllen.«Werenfels hat den Zivildienst aufgebaut und 1996 das erste Zivildienstgesuch in der Geschichte der Schweiz persönlich entgegengenommen. Einsätze im Ausland waren schon damals möglich, auch wenn die Zahl der Einsatzbetriebe damals noch bescheiden war. Seither ist sie Jahr für Jahr gewachsen. Aber obwohl sich die Zivildienstleistungen im Ausland in den letzten vier Jahren mehr als verdoppelt haben, machen sie nur gerade ein gutes Prozent aller Zivildiensteinsätze aus.
Petition an der Jugendsession eingreicht
Mit ein Grund für die tiefe Rate ist neben der relativ restriktiven Handhabung, dass die Möglichkeit von Auslandeinsätzen nicht an die grosse Glocke gehängt wird. Werenfels: «Wir halten uns bewusst zurück und machen keine Werbung. Denn seit 2009 die Gewissensprüfung für Zivildiensteinsätze abgeschafft wurde, erfahren wir eine massive Mengenausweitung.»Die Zurückhaltung bedauert Thomas Anderegg. Auch sei die Prozedur für einen Einsatz im Ausland zu kompliziert.
Der 22-jährige Kaufmann und Absolvent der Offiziersschule gehörte an der Jugendsession 2011 zu den Mitunterzeichnern einer Petition, die den Ausbau des Zivildienstangebots im Bereich der Entwicklungs-Zusammenarbeit forderte. «Bei der militärischen Aushebung müsste mehr über diese Option informiert werden, und die Zugänglichkeit sollte einfacher sein», meint der Jungfreisinnige. «Denn es ist besser, Leute statt Geld in diese Länder zu schicken. Auch wäre es gut für das Image der Schweiz.»
Dass der Zivildienst im Ausland bei den Jungen beliebt ist, bestätigt die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza). «Es sind junge Leute, die ein Interesse an anderen Kulturen und Ländern haben sowie die Bereitschaft, sich auch in einem schwierigen Umfeld zurechtzufinden», erklärt man im Aussenministerium (EDA).
Wir schicken Fachleute, nicht Hände oder Füsse
Damit eine Institution Auslandeinsätze mit Zivis durchführen darf, muss sie vom Zivildienst als Einsatzbetrieb anerkannt und von der Deza als solcher bestätigt sein. Die Einsatzbetriebe müssen ihren Sitz in der Schweiz haben. Plätze für Zivis bieten die Hilfswerke Helvetas, Caritas, Terre des Hommes an,die Kooperationsbüros der Deza und die NGOs, die mit der Deza zusammenarbeiten. «Wir schicken Fachleute, nicht Hände oder Füsse. Menschen, die arbeiten können, hat es in diesen Ländern genug. Was aber fehlt, ist in der Regel ein bestimmtes Know-how», sagt Werenfels.
Dass diese Einsatzgebiete auch problematisch und risikoreich sein können, liegt auf der Hand. Wird ein Land als kritisch eingestuft, müssen die Zivis den Kurs «Gewaltfreier Umgang mit Konflikten» und einen Sicherheitskurs besuchen. «Wir konsultieren auch systematisch die Reisehinweise des EDA und checken im Zweifelsfall die Sicherheitslage mit den Botschaften vor Ort. Wenn in einem Land die höchste Gefahrenstufe herrscht, gibt es dort keine Einsätze», betont Werenfels.
Stellenwert der Auslandeinsätze unter der Lupe
Nicht zuletzt weil die Sicherheitslage in verschiedenen Ländern schwieriger geworden ist, wollen die Zivildienst-Verantwortlichen die Rolle und den Stellenwert der Auslandeinsätze im Zivildienst überdenken. «Sollen auch friedensfördernden Aufgaben übernommen werden? Im Bereich der Völkerverständigung etwa, wie das andere Staaten tun? Wären Einsätze bei Wahlbeobachtungen zum Beispiel für ältere Zivis denkbar? Oder eine Zusammenarbeit mit dem Expertenkorps des EDA? Wo verlaufen da die Grenzen?»
All diese Fragen stünden im Raum, sagt Werenfels.«Wir stehen in diesem Überprüfungsprozess noch ganz am Anfang und müssen einerseits fundierte Risikoanalysen vornehmen, aber auch herausfinden, was die spezifischen Zielsetzungen des Zivildienstes sein sollen. Optionen im Zusammenhang mit Auslandeinsätzen gibt es verschiedene, ob sie Sinn machen, und wir in diese Richtung gehen sollen oder damit nur neue Probleme aufwerfen – das gilt es herauszufinden.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Gaby Ochsenbein arbeitet für die Plattform swissinfo.ch, wo dieser Text zuerst erschienen ist.