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Cover der Schweizer Neonazi-Band «Erschiessungskommando», die Morddrohungen veröffentlichte. © youtube

Schweiz: Sicherer Hafen für deutsche Neonazis

Tobias Tscherrig /  Die Schweiz ist Rückzugsort und wichtige Operationsbasis von deutschen Neonazis. Zu diesem Schluss kommen deutsche Journalisten.

Nachdem «infosperber» und die «Wochenzeitung» über einen prominenten deutschen Neonazi berichteten, der in Deutschland wegen schweren Raubs, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung angeklagt wurde und daraufhin zu seinen Kameraden ins Oberwallis zog, nahmen Journalisten des ARD-Magazins «Report München» die Thematik auf.


Der Beitrag von «Report München», Sendung vom 16.07.2019

In dem rund zehn-minütigen Beitrag «Todesdrohungen aus der Schweiz: Rechtsextreme Netzwerke zwischen Wallis und Thüringen» zeigen sie, wie auch deutsche Neonazis die Schweiz zum Dreh- und Angelpunkt rechter Umtriebe machen.

Neonazistische Netzwerke zwischen der Schweiz und Deutschland wurden in der Vergangenheit stark ausgebaut: Für die militante Neonazi-Szene sind sie äusserst wichtig, die Schweiz entwickelt sich immer mehr zu einem Rückzugs- und Operationsraum für deutsche Rechtsextremisten.

Neonazistische Terror-Strukturen und die Schweiz
Verbindungen und Strukturen, die etwa bei den Untersuchungen zum Terror-Trio des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) immer wieder zu Tage traten. Unter anderem kam die Waffe, mit der in Deutschland zehn Menschen ermordet wurden, aus der Schweiz. Ausserdem versteckte sich ein Mitglied des Verfassungsschutzes, ein führender Neonazi, in der Schweiz.

Auch das in Deutschland verbotene Netzwerk «Blood & Honour» sowie sein bewaffneter Arm «Combat 18», aus dessen Umfeld auch der Tatverdächtige im Mordfall von CDU-Politiker Walter Lübcke kommen soll, operieren in und aus der Schweiz.

Passend dazu zieht der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) in seinem neusten Lagebericht den Schluss, dass die rechtsextreme Szene in der Schweiz im Aufwind ist, der Umgang mit Schusswaffen geübt wird und Kampfsportarten trainiert werden.

Todesdrohungen aus der Schweiz
Der ARD-Beitrag beginnt mit einer Todesdrohung der Neonazi-Band «Erschiessungskommando». Eine Gruppe mit Schweizer Hintergrund. Katharina König-Preuss, Landtagsabgeordnete in Thüringen und eine der engagiertesten Aufklärerinnen im NSU-Komplex, erhielt wiederholt Todesdrohungen von der Band. Zum letzten Mal vor rund drei Monaten. «Das eine sind die, die es singen», sagt sie gegenüber «Report München». «Das andere sind die, die es hören. Und die, die es hören, werden aufgefordert es zu tun. Das sagt das Lied.»

Im Folgenden streifen die deutschen Journalisten das Neonazi-Konzert von Unterwasser, das 2016 unter anderem von einem deutschen Neonazi organisiert wurde, der in der Schweiz wohnhaft ist. Die Veranstaltung zog tausende Neonazis und Rechtsextremisten aus ganz Europa an.

Wie Stephan Kramer, Präsident des Verfassungsschutzes in Thüringen, schätzt, sollen dabei rund 350’000 Euro eingenommen worden sein. Geld, das teilweise zurück in militante neonazistische Strukturen floss: Unter anderem wurden damit inhaftierte NSU-Helfer unterstützt.

«Verblüffende Gleichgültigkeit von Politik und Öffentlichkeit»
Im Beitrag des deutschen Polit-Magazins spricht SP-Nationalrat Cédric Wermuth davon, dass die Schweiz – ideologisch und physisch – zu einem sicheren Hafen für Neonazis geworden ist. Es gebe Verbindungen zu allen grösseren Neonazi-Gruppierungen. Und: «Eine verblüffende Gleichgültigkeit von Politik und Öffentlichkeit diesem Thema gegenüber.»

Die Band «Erschiessungskommando» bekennt sich offen zu dem in Deutschland verbotenen neonazistischen Netzwerk «Blood & Honour». Auch WOZ-Journalist Jan Jirát spricht in der Reportage von «intensiven Verbindungen», die bereits seit längerer Zeit im Umfeld von «Blood & Honour» und «Combat 18» existieren. Die bekannteste Verbindung sei diejenige der «Blood & Honour»-Band «Amok» und ihrem Sänger Kevin Gutmann zu Thorsten Heise.

Klare Verbindungen nach Thüringen
Thorsten Heise ist nicht nur NPD-Funktionär, er gilt als einer der umtriebigsten militanten Neonazis in Europa und als Kristallisationsfigur und Spiritus Rector des internationalen Netzwerks «Combat 18». Jedenfalls ist Heise eine zentrale Figur der wichtigsten Struktur der gewalttätigen Neonazi-Szene in Europa.

Sein Name fiel auch im Zusammenhang mit der Terrorgruppe «Nationalsozialistischer Untergrund». Er steht auf einer Liste mit nachgewiesenen Kontakten zu Tätern oder Beschuldigten im NSU-Prozess. Heise ist mehrfach vorbestraft und sass bereits im Gefängnis. Der Rechtsrock-Produzent und Strippenzieher der militanten Kameradschaftsszene veranstaltet zum Beispiel Nazi-Treffen wie das «Schild & Schwert»-Festival in Ostritz, das auch zur Vernetzung der militanten Neonazi-Szene dient.

Heise pflegt seit Jahren Verbindungen in die Schweiz. So zum Beispiel ins Wallis, was ein Foto aus dem Jahr 2014 belegt. Ein weiterer Beweis für die starken Verbindungen zwischen Thüringen und dem Wallis: Der Sohn von Thorsten Heise, der in Deutschland mutmasslich zwei Journalisten angriff und deshalb angeklagt wurde, lebt und arbeitet zurzeit im Wallis. Exakt bei dem Unternehmen, bei dem auch der bekannte «Blood & Honour»-Aktivist Silvan Gex-Collet arbeitet. Auf dem Foto von 2014 steht dieser neben Thorsten Heise. Ausserdem besuchte Gex-Collet 2018 das von Heise organisierte «Schild & Schwert»-Festival.

Der schwarze BMW, mit welchem Heise Junior und ein mutmasslicher Mittäter unterwegs waren, steht heute im Oberwallis. Gemäss Recherchen von «Report München» lebt Heise Junior nun im Hause von Silvan Gex-Collet.

Konzert-Organisator aus dem Oberwallis
Im September 2005 organisierte Gex-Collet in Gamsen (VS) zusammen mit anderen Personen aus dem Oberwalliser «B&H»-Umfeld ein Gedenkkonzert für den Neonazi-Sänger Ian Stuart. Am Anlass nahmen rund 400 Neonazis aus der Schweiz, Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich teil. Gex-Collet wurde wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm verurteilt. Im Urteil wird er als «der eigentliche Chef und verantwortlich für die Organisation des gesamten Anlasses» bezeichnet.

Als am 15. Oktober 2016 in Unterwasser (SG) das bis anhin grösste Neonazi-Konzert in Europa mit insgesamt 5000 Besuchern aus dem In- und Ausland stattfand, taucht Gex-Collets Name erneut auf: In der Nichtanhandnahmeverfügung betreffend einer Anzeige wegen Rassendiskriminierung beschreibt ein damals anwesender Polizist, wie sich Silvan Gex-Collet als Bühnenverantwortlicher des Anlasses zu erkennen gegeben habe. Er habe mit ihm die Hallenorganisation und die Fluchtwege besprochen.

Beisshemmung bei Oberwalliser Medien
Obwohl die Verbindungen von Oberwalliser Rechtsextremen zu internationalen und neonazistischen Netzwerken wie «Blood & Honour» und «Combat 18» seit Jahren bekannt sind, schaffen es die grössten regionalen Medien nicht, darüber zu berichten. Im Fall von Heise Junior, der diese Verbindungen einmal mehr klar aufzeigt, berichtet die Oberwalliser Tageszeitung «Walliser Bote» zwar – verpasst es aber, die Faktenlage einzuordnen und der Bevölkerung die nötigen Hintergrundinformationen zu liefern.

Die Zeitung hat die Relevanz der Verbindungen zwischen Oberwalliser Rechtsextremen und Thorsten Heise, einem der mächtigsten militanten Neonazis Europas, schlichtweg verkannt. So erstaunt es wenig, dass die Zeitung einen Leserbrief der «Unia Jugend Oberwallis» zwar publiziert, den Namen von Gex-Collet aber gestrichen hat.

Die lokale Radiostation «Radio Rottu Oberwallis» publizierte gemäss ihrer Internetseite letztmals im Jahr 2013 eine Meldung betreffend Neonazismus. Damals ging es um die Reichskriegsflagge, die im Keller des ehemaligen Walliser Staatsrats Oskar Freysinger (SVP) hing. Und auch der lokale TV-Sender «Canal9/Kanal 9» berichtete nicht über die Verbindungen von einheimischen Neonazis zu «Blood & Honour/Combat 18» – obwohl diese Netzwerke seit den Untersuchungen im NSU-Komplex und seit dem Mord an Lübcke stark in den Fokus geraten sind.

Paradies für Rechtsextreme und Neonazis
«Report München» zeigt in der Reportage, wie Neonazis in Deutschland mit Bussen gesammelt und dann im letzten Moment in idyllische Schweizer Dörfer gefahren werden, wo unter falschen Angaben Lokalitäten angemietet wurden. Eine Aufnahme aus dem Inneren eines dieser Busse zeigt singende Neonazis, die von einer Gitarre begleitet der «SS» und der «SA» huldigen.

«Report München»: «Die Tatsache, dass nach 2016 kein ähnliches Konzert mehr in der Schweiz stattfand, wertet der Schweizer Nachrichtendienst als Erfolg der Behörden.» Die Behörde sage aber auch, dass «in der Szene vielfach Sammlungen funktionstüchtiger Waffen» vorhanden sind. Zudem werden der Umgang mit Schusswaffen geübt und Kampfsportarten trainiert.

Der neuste musikalische Mordaufruf gegen Katharina König-Preuss kommt aus der Schweiz. Heise Junior, der in Deutschland angeklagte Sohn eines der mächtigsten Kader der militanten europäischen Neonazi-Szene, lebt nun bei einem Gesinnungskameraden im Oberwallis. Das Fazit von «Report München»: Rückzugsort oder Operationsbasis für rechte Terrorstrukturen – die Schweiz ist auch für Nazis attraktiv.»

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4 Meinungen

  • am 18.07.2019 um 11:59 Uhr
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    Die Schweiz ist nicht nur Rückzugsort der NeoNazi, es ist ein Paradise für Kriminelle, da die Schweiz von dieser Laisse-Faire-Attitude massiv finanziell profitiert, die Strafverfolgungsbehörden Schutzpatron spielen und solange sie den Ganoven rechtsfreien Raum zugestehen! Hat natürlich auch den Vorteil, dass die Ganoven die Schweiz, ihr Schutzort, in Frieden lassen und nicht wirklich aktiv werden! Das ist das Kalkül und die Frage stellt sich nur, wie lange geht diese Rechnung noch auf? Das gilt auch für andere «Oasen», ob dies jetzt Cayman, Mauritius, Jersey, Delaware etc. ist!

  • am 18.07.2019 um 12:05 Uhr
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    Über die Morddrohungen gegen den ehemaligen CVP-Bundesrat Joseph Deiss wurde in Schweizer Medien nicht berichtet. J. Deiss wurde seine eigenständige Meinung zur EU so unterdrückt.
    Die Kriminellen aus mafiösen Kreisen, CumEx-Täter und all die Kapitalgewaltigen Wirtschaft-Flüchtlingen sind bei uns herzlich willkommen und werden mit aller Staatgewalt geschützt.

  • am 22.07.2019 um 16:37 Uhr
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    Das ist ein eigenartiger Artikel. Er beruft sich ausschliesslich auf Aussagen schweizerischer (WOZ, Infosperber) und deutscher Medien (ARD) über einen „prominenten deutschen Neonazi, der in Deutschland wegen schweren Raubs, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung angeklagt wurde“ und der sich jetzt bei einem Kameraden im Oberwallis der deutschen Strafverfolgung entzieht. Mindestens verstehe ich das so.
    Wenn der Mann in Deutschland wegen dieser Delikte von den Justizbehörden verfolgt würde, dann würden die Behörde ohne Zweifel bei der Schweiz ein Auslieferungsbegehren stellen. Die Schweiz ist dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vor mehr als fünfzig Jahren beigetreten, gemäss welchem sie eine Auslieferung vornehmen müsste bei „Handlungen, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe […] im Höchstmass von mindestens einem Jahr“ bedroht wird. Das ist bei den genannten Delikten bestimmt der Fall.
    Wo liegt das Problem? Man würde in einem solchen Artikel gerne etwas über die Rechtslage hören und nicht nur über Medienmeinungen.

  • am 24.07.2019 um 10:57 Uhr
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    Der Artikel ist sehr aufschlussreich. Mit ein Problem sind die Nachrichtendienste. Die in der Schweiz, die in Deutschland, die in Österreich. Alle drei sind unglaublich tolerant gegenüber der extremen Rechten, haben die Tendenz viele Übergriffe den sog. Linken unterzuschieben. Wobei alle Gruppierungen im linken Spektrum betroffen sind, auch die SP. Die Nachrichtendienste haben, das ist mittlerweile belegt, Untercover aus NeoNazi-, AfD-, PNOS-, Jung-SVP-Kreisen engagiert. Das ist völlig inakzeptabel. Hat auch Folgen. Bewerber für sensible Stellen werden angeblich sicherheitsüberprüft. Offiziers- und Polizeianwärter. Es kommt immer wieder vor, dass Rechtsextreme durchgewinkt werden. Bahnpolizei, Kantonspolizeien, vom Offizierscorps der Armee ganz zu schweigen.

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