Roma_Jura

Roma-Sprecherin Marie-Belle: «Es hat hier auch Kinder.» © rts

Schüsse und Hakenkreuze gegen Roma im Jura

Kurt Marti /  Die Deutschschweizer Medien berichteten intensiv über die Roma-Hochzeit im Wallis. Die Schüsse auf Roma hingegen waren kein Thema.

Als eine Hochzeitsgesellschaft der Roma in der Unterwalliser Gemeinde Collombey-Muraz auf einer Wiese für drei Tage feierte und laut Medienberichten «einen riesigen Abfallberg» hinterliess, überschlugen sich sämtliche Medien in der ganzen Schweiz mit empörten Berichten. Die Roma mit rund 60 Campern hinterliessen nicht nur Abfälle, sondern auch «Exkremente», wie die Medien ausführlich rapportierten. Die Polizei sprach von einem «erbärmlichen Schauspiel». Zwei Wochen lang kochte die sogenannte «Volksseele». Der Eigentümer der Wiese kassierte 5 500 Franken und stieg auf die Barikaden; der CVP-Präsident Christoph Darbellay forderte ein «Roma-Gesetz» und die Medienschaffenden freuten sich über die heisse Story im medialen Sommerloch.

Eingeritzte Hakenkreuze auf den Autos

Wenige Tage nach der Roma-Hochzeit schossen im jurassischen Courroux Unbekannte mit Gewehren auf Wohnwagen einer Roma-Gemeinschaft, wie die Polizei bestätigte. Die insgesamt sechs Schüsse fielen um drei Uhr morgens, durchdrangen die Wohnwagenwände aber nicht. Auf die Autos kratzten die Täter Hakenkreuze und «Raus»-Sprüche (siehe Foto). Das Westschweizer Fernsehen (RTS) berichtete am 3. August in einem kurzen Beitrag über den Angriff auf die Roma-Familien.

Marie-Belle, ein Mitglied der Roma-Gemeinschaft, erklärte gegenüber RTS, dass durch die Schüsse «auch Kinder» gefährdet wurden, die in den Wohnwagen schliefen. Sie vermutet einen Zusammenhang mit der Hochzeitsfeier im Unterwallis, mit der man allerdings nichts zu tun habe. Und sie bedauerte: «Wir sind unbeliebt.» Die Polizei überwachte das Gelände in der folgenden Nacht. Eine Strafanzeige gegen Unbekannt wurde eingereicht.

Das grosse Schweigen in der Deutschschweiz

In den Deutschschweizer Medien hingegen fanden die Schüsse auf die Roma-Familien überhaupt keine Beachtung. Weder die Printmedien noch das Fernsehen und das Radio berichteten über den kriminellen und rassistischen Angriff auf die Roma-Gemeinschaft.

Die Roma gehörten zu den Opfern des Völkermords des Nazi-Regimes. In diesem historischen Kontext ist die mediale Aufbauschung der Roma-Hochzeit im Unterwallis und das Schweigen der Deutschschweizer Medien zum Angriff auf die Roma-Gemeinschaft im Jura bedenklich.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Bildschirmfoto20120807um11_24_46

Menschenrechte

Genügend zu essen. Gut schlafen. Gesundheit. Grundschule. Keine Diskriminierung. Bewegungsfreiheit. Bürgerrechte

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.