Raumplanungs-Gesetz ersetzt Landschafts-Initiative
Nach über zweijähriger Debatte hat das Parlament die Revision des Raumplanungs-Gesetzes diese Woche abgeschlossen. Das revidierte Gesetz bildet den indirekten Gegenvorschlag zur grünen Landschafts-Initiative. Diese Initiative fordert strikt ein 20jähriges Verbot von neuen Bauzonen, um die Zersiedelung in der Schweiz einzudämmen.
Was das neue Gesetz bringt
Das revidierte Gesetz hingegen verlangt: «Überdimensionierte Bauzonen sind zu reduzieren.» Als überdimensioniert gelten Bauzonen dann, wenn sie den Bedarf der nächsten 15 Jahre überschreiten. Das ist vor allem in Bergkantonen und ländlichen Kantonen im Mittelland (inklusive Luzern) der Fall.
Wo Bedarf besteht – vorab in grossen Agglomerationen –, lässt das Gesetz neue Bauzonen weiterhin zu. Es fordert dafür aber eine Abgabe. Damit müssen mindestens 20 Prozent des Mehrwertes abgeschöpft werden, welche die Einzonung von Kultur- zu Bauland den Landeigentümern beschert. Mit dem Ertrag aus dieser Mehrwert-Abgabe sollen allfällige Entschädigungen finanziert werden, welche die Rückzonung von Bauzonen nach sich zieht.
Doppelte Belohnung für Bauern
Bei der Gesetzesberatung setzte sich der Ständerat stets für die griffigeren Regelungen ein. Der Nationalrat bremste und wehrte sich anfänglich auch gegen die Mehrwert-Abgabe, die das Herzstück dieser Revisionsvorlage bildet. Erst in der Frühlingssession 2012 stimmte der Nationalrat der Abgabe grundsätzlich zu.
In der laufenden Sommersession wurde nur noch um Ausnahmen von der Mehrwert-Abgabe gefeilscht. Dabei einigten sich die beiden Ratskammern auf den Kompromiss des Thurgauer SVP-Ständerats Roland Eberle. Demnach muss die Mehrwert-Abgabe um den Betrag gekürzt werden, der «zur Beschaffung einer landwirtschaftlichen Ersatzbaute zur Selbstbewirtschaftung» verwendet wird.
GLP-Ständerätin Verena Diener und Bundesrätin Doris Leuthard wehrten sich vergeblich gegen diese Durchlöcherung der Abgabe . Ihre Begründungen zusammen gefasst: Wenn Landwirtschaftsland eingezont, verkauft oder überbaut wird, werden die Eigentümer (in der Regel Bauernfamilien) mit einem Gewinn in Millionenhöhe belohnt. Auch nach Abzug der 20prozentigen Abgabe, die erst nach Realisierung des Mehrwertes fällig wird, bleibe den Bauern ein genügend grosser Gewinn, um Ersatzbauten finanzieren zu können. Die Schmälerung der Abgabelast kommt damit einer zusätzlichen Belohnung der Bauern gleich. Dieses Geschenk akzeptierten auch einige linke Parlamentarier, um die Unterstützung der Bauern für das Gesetz zu gewinnen.
Offene Fragen beim Vollzug
Wie stark die erwähnte Ausnahme den Ertrag aus der Mehrwert-Abgabe vermindert, lässt sich laut Doris Leuthard noch nicht abschätzen. Doch jede Schmälerung sei problematisch, weil damit weniger Geld für Entschädigungen bei Rückzonungen zur Verfügung steht. Denn laut einer Studie des Bundes, welche die NZZ am Dienstag veröffentlichte, vermag der Ertrag einer 20prozentigen Mehrwert-Abgabe lediglich einen Drittel der Kosten zu decken, die für die Entschädigung von Minderwerten bei Rückzonungen anfallen.
Allerdings ist auch diese Aussage unsicher. So ist völlig offen, ob, wann und wie weit Bodenbesitzer für allfällige Minderwerte von Rückzonungen entschädigt werden müssen. Um diese Fragen beim Vollzug des Gesetzes zu klären, braucht es gesetzliche Präzisierungen. Andernfalls müssen Verhandlungen oder Gerichte von Fall zu Fall über die Entschädigung von Rückzoungen entscheiden. Falls die Mehrwert-Abgabe die Entschädigungen nicht deckt, haben alle Kantone die Kompetenz, eine höhere Mehrwert-Abgabe einzuführen, als der Bund mit dem Minimalansatz von 20 Prozent im Raumplanungs-Gesetz als Minimum vorschreibt.
Kein Einfluss auf Initiative
Bei den Ausnahmen zur Mehrwert-Abgabe handle es sich um ein «unschönes Partikularinteresse», kommentiert Raimund Rodewald, Mitinitiant der Landschaftsschutz-Initiative. Trotzdem werde man wohl bei der früheren Ankündigung bleiben. Das heisst: Wenn das Parlament das revidierte Raumplanungs-Gesetz mit der – leicht durchlöcherten – Mehrwert-Abgabe in der Schlussabstimmung annimmt und niemand ein Referendum dagegen ergreift, wird die Initiative zurück gezogen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine