Kommentar
Raumplanung: Wer nicht hören will, muss fühlen!
Die NZZ vom 20. November 2012 schreibt über eine «wahre Flut von Zweitwohnungsprojekten» im Wallis, insbesondere im oberen Goms. Dort hat die Stiftung für Landschaftsschutz (SL) beispielsweise gegen vier Bauprojekte im Gebiet «Wieschti» des kleinen Gommer Dorfes Geschinen eingesprochen, das heute zur Gemeinde Münster-Geschinen gehört. Die vier Bauprojekte sind laut SL «vermutlich weitestgehend als Zweitwohnungen gedacht» und würden die Zweitwohnungsverordnung «torpedieren». Eine Bewilligung dieser vier Bauvorhaben würde laut SL auch die Pflichten des neuen Raumplanungsgesetzes unterlaufen. Das revidierte Raumplanungsgesetz verlangt eine Rückzonung von überdimensionierten Bauzonen auf den Bedarf von 15 Jahren und eine Entschädigung der Landeigentümer.
Der Kanton Wallis hat zusammen mit dem Schweizerischen Gewerbeverband das Referendum gegen die Gesetzesrevision ergriffen. Die Rückzonung würde laut Gewerbeverband allein im Kanton Wallis Kosten von 3 Milliarden Franken verursachen. Das Referendum kam zustande, obwohl kein weiterer Kanton das Referendum unterstützte.
Wer hat noch nicht, wer will noch mehr?
Die Zweitwohnungsinitiative und die Revision des Raumplanungsgesetzes zeigen die jahrzehntelangen, raumplanerischen Versäumnisse des Kantons Wallis auf. Am Beispiel von Geschinen im Goms lässt sich gut illustrieren, wie im Wallis «Raumplanung» betrieben wurde. Bei der grosszügigen Einzonung von Bauland wurden die zentralen, raumplanerischen Vorschriften ausser Acht gelassen und stattdessen dem Prinzip gefrönt: Wer hat noch nicht, wer will noch mehr? Als Ende der 90er Jahre die Einzonung des Gebietes «Wieschti» in Geschinen von den Gemeindebehörden vorwärts getrieben wurde, hat der Schreibende als damaliger Einwohner von Geschinen gegen die Einzonung eingesprochen.
Die grandiose Ausdehnung der Bauzone widersprach klar dem Raumplanungsgesetz, das die Einzonungen auf den Bedarf von 15 Jahren begrenzt. Anlässlich der Einspracheverhandlungen mit den Gemeindevertretern und dem Raumplaner der Gemeinde wurde der Schreibende belächelt und schlussendlich ignoriert. Die Einzonung wurde von der Gemeinde durchgezogen und vom Walliser Staatsrat abgesegnet, obwohl die neue Bauzone den Bedarf von rund 100 Jahren abdeckte.
«Raumplanung» diente der Absicherung des CVP-Systems
Diese Art von «Raumplanung» gehörte zum permanenten Wahlkampf der CVP und zur Absicherung ihres 155-jährigen Mehrheitssystems. Für jeden, der sich um Bauland bemühte und sich darüber hinaus politisch brav verhielt, gab es als Geschenk ein Stück Bauland. Verantwortlich für die Walliser «Raumplanung» von 1997 bis 2005 war der damalige CVP-Staatsrat und heutige Ständerat Jean-René Fournier. Dass der Schweizerische Gewerbeverband dem Kanton Wallis zu Hilfe eilte, hat vor allem einen Grund: CVP-Ständerat Fournier sitzt im Vorstand des Gewerbeverbandes und versucht mit dem Referendum, seine politischen Versäumnisse auszubügeln. Doch das Referendum hat wenig Chancen und der Walliser Katzenjammer ist vorprogrammiert.
Kritik verhallte an den Felswänden der Viertausender
Im Jahr 1999 hat der Schreibende für den WWF ein Dossier gegen die Olympiade 2006 im Wallis verfasst. Darin ist die Raumplanung ein Hauptbrennpunkt: Die Bauzonen pro Kopf der Bevölkerung betrugen 770 m2. Das war mehr als das Doppelte des Schweizerischen Durchschnitts von 355 m2. Ein Jahr zuvor hatte der Bund die Arealstatistik über das Wallis veröffentlicht, welche für das Wallis alarmierende Werte aufwies. Der Landverschleiss war im Vergleich zu anderen Kantonen überdurschnittlich hoch. Auch ein Jahr nach der Veröffentlichung der Arealstatistik waren die brisanten Zahlen beim kantonalen Raumplanungsamt gänzlich unbekannt. Die Kritik der kantonalen «Raumplanung» verhallte an den Felsen der Walliser Viertausender. Sodass sich heute – 13 Jahre später – die Feststellung aufdrängt: Wer nicht hören will, muss fühlen!
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine