Autobahn

Geschwindigkeitsbegrenzungen und Radar-Kontrollen verhindern Unfälle © michaelfrey/wikipedia/cc

Radarkontrollen: CVP auf Autopartei-Kurs

Richard Aschinger /  Die SVP sieht sich «an DDR-Zeiten erinnert» und will Tempo-Kontrollen massiv reduzieren. Die CVP verhalf ihr zu einer Mehrheit.

Vor anderthalb Jahren hatte der Aargauer SVP-Vertreter und Lastwagentransporteur Ulrich Giezendanner die Zündschnur für seine Aktion gelegt: Weitgehend unbeachtet deponierte er eine von rund 60 Parteikollegen und Freisinnigen mitunterzeichnete Motion, die verlangt, Radarkontrollen auf Autobahnen dürften in Zukunft nur noch stichprobenweise oder an unfallträchtigen Abschnitten gemacht werden. Längere Streckenabschnittskontrollen sollen ganz verboten werden.

Giezendanners DDR-Vergleich ist offensichtlich absurd

Am letzten Mittwoch kam der Vorstoss in den Rat. Der begeisterte Populist hielt eine seiner bekannten Biertischvoten: In den letzten vier Jahren habe sich die Zahl der «Radarfallen» verdoppelt. Sie würden perfid «in Abfallkübeln, in Leitplanken montiert». Das erinnere ihn «an DDR-Zeiten». Ganze Tunnels würden heute überwacht. «Das können wir doch nicht zulassen. Das hat gar nichts, aber auch gar nichts mit Verkehrssicherheit zu tun». Immer mehr werde heute «in die persönliche Freiheit eingegriffen. Das ist für uns als freie Bürger in diesem Land nicht mehr akzeptierbar».

Giezendanners DDR-Vergleich ist offensichtlich absurd, seine Forderungen verantwortungslos. Die Zahl der stationären «Radarfallen» und erst recht die Zahl der ausserorts durchgeführten mobilen Kontrollen ist in der Schweiz absolut und im internationalen Vergleich moderat. Fachleute erklären übereinstimmend, die Chance, bei Tempoüberschreitungen erwischt zu werden sei für das Fahrverhalten wichtiger, als konkrete Tempolimiten. Ohne flächendeckendes und genügend dichtes Kontrollnetz verlören Tempobeschränkungen ihre Wirkung. Klar also: Giezendanners Motion ist ein Angriff auf ein notwendiges Element des komplizierten Systems der Sicherheit im Strassenverkehr.

CVP fährt auf Stimmenfang einen opportunistischen Schleuderkurs

Der Nationalrat hat Giezendanners Motion mit 103 zu 76 Stimmen gegen den geschlossenen Widerstand von SP, Grünen und Grünliberalen klar genehmigt. Dass die SVP-Fraktion mit 48 Stimmen geschlossen für Giezendanners Autopartei-Motion stimmte ist logisch. Dass es die FDP, die sich gern als intelligente bürgerliche Kraft anpreist, mit einer einzigen Enthaltung nicht wagte, im «Freie-Fahrt für freie Bürger»-Umzug der SVP abseits zu stehen, überrascht auch nicht, zeigt aber einmal mehr ihr nicht enden wollendes politisches Elend.

Entscheidend für das Abstimmungsresultat war aber die CVP. 22 von 29 stimmenden CVP-Nationalrätinnen und Nationalräten votierten mit der SVP für einen massiven Abbau der Geschwindigkeitskontrollen. Auch das hat System. Unter der Führung des Unterwallisers Christoph Darbellay, der seit dem letzten Wochenende auch Präsident des Schweizer Casinoverbandes ist, fahren die Christdemokraten auf Stimmenfang einen zunehmend opportunistischen Schleuderkurs.

Bundesrätin Leuthard mochte sie sich nicht exponieren

Ins Bild der rückgratschwachen CVP passte auch der Auftritt von CVP-Bundesrätin Doris Leuthard. Die wendige Verkehrs- und Energieministerin wusste, dass ihre eigene Partei im praktisch geschlossenen Bürgerblock für die Motion stimmen würde. Da mochte sie sich nicht exponieren. Leuthard beschränkte sich darauf, in dürren und knappen Worten das zu sagen, was sie als Regierungsvertreterin nicht unerwähnt lassen durfte: Der Bundesrat lehne die Motion ab. «Wir meinen, die bisherige Regelung habe sich bewährt». Geschwindigkeitskontrollen seien «ein notwendiges Übel». Eine Reduktion hätte «negative Auswirkungen auf das Unfallgeschehen. Wir erachten die Zusammenarbeit mit den kantonalen Polizeien als sehr gut, und sehr konstruktiv und nicht schikanös».

Argumente, die irgendjemandem im populistischen Umzug hätten peinlich werden können, liess Leuthard unerwähnt : Zum Beispiel, dass die von Giezendanner als DDR-Methode verhöhnten automatischen «Radarfallen» angesichts knapper Ressourcen die einzige Möglichkeit sind, landesweit eine ernst zu nehmende Kontrolldichte zu erreichen.


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