Pro-Israel-Meinungsmache wird professionalisiert
Wo es um handfeste Interessen geht, ist die öffentliche Meinung eine latente Gefahr. Sie könnte, würde man sich ihrer nicht annehmen, unerwartet in die falsche Richtung gehen. Deshalb wird von unterschiedlichster Seite versucht, diese öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Man kann das mit Schlagworten, Übertreibungen oder gar mit Verleumdungen tun, wie das weltweit populistische Parteien, in der Schweiz zum Beispiel die SVP, gerne tun. Man kann es aber auch auf die subtile Art versuchen, unter Einschaltung von angesehenen Personen, mit klugen Statements und glaubwürdigen Abhandlungen, oder mit der «Produktion von Leserbriefen», doch mit dem klaren Ziel, die öffentliche Meinung gezielt und nach einem detaillierten Vorgehensplan zu beeinflussen. So geschieht es zur Zeit betreffend Israel: Der israelische Staat versucht Alles, um die Anerkennung eines palästinensischen Staates nach dessen einseitiger Ausrufung im kommenden September durch die UNO zu verhindern.
Wie geht man da vor? Man sucht ein paar Geistesverwandte und Verbündete, oder, so man denn Geld hat, man geht zu einem Profi.
Public Relation ist bezahlte Meinungsmache
Einer der grossen und prominenten Profis der Meinungsmache ist Sacha Wigdorovits, Inhaber der PR-Firma Contract Media AG. Den Medienleuten der Schweiz ist er bestens bekannt, war er doch einmal Chefredaktor des Blick und später Initiant und Herausgeber der Gratis-Postille .ch. Zu Wigdorovits Auftragsgebern gehörte zum Beispiel auch der in allen Boulevard-Medien präsente Milliardärssohn Carl Hischmann, ein recht zwielichtiges Exemplar des JetSets. Oder der russische Oligarch Alexander J. Lebedev. Oder diskrete Privatbanken wie die BSI in Lugano, die Falcon Private Bank in Zürich oder die Bank zwei plus. Aber auch bestandene und angesehene Firmen wie die Axpo, eine der grossen Strom-Konzerne.
Am 6. April 2011 hielt dieser Sacha Wigdorovits vor der Handelskammer Schweiz – Israel einen Vortrag: ein Lehrstück für alle, wie die Beeinflussung der öffentlichen Meinung gezielt und absolut professionell angegangen wird – und lesenswert deshalb auch für jene, die sich für die Probleme im Nahen Osten nicht interessieren. Unter dem Titel «Die Schweizer Medien und Israel» werden da anhand einer SWOT-Analyse Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken aufgelistet. In einem zweiten Teil werden Strategie und Massnahmen definiert, in einem dritten Teil das notwendige Vorgehen. Da liest man etwa, dass nicht nur die Chefredaktoren der wichtigen Medien anzugehen sind, sondern dass «in gewissen Fällen auch die Verleger einzuschalten» sind. Und unter «Vorgehen» steht etwa der Punkt: «Produktion von Artikeln, Leserbriefen, Communiqués, Q&A-Plattform, Advertorials.» (Siehe dazu die ganze Präsentation unten unter «Sacha Wigdorovits Anweisung zur Meinungsmache pro Israel»)
Eine neue Medien-Plattform
Und das soll, wie oben erklärt, besonders «subtil» sein? Nicht doch. Aber subtiles Vorgehen ist durchaus auch auf Wigdorovits Plan. Es soll eine neue Website der Stiftung «Audiatur» online geschaltet werden. Das Wort «audiatur» ist dem lateinischen Satz «audiatur et altera pars» (»Es soll auch die andere Seite gehört werden») entnommen, entstammt dem Römischen Recht und ist etwa auch bei Seneca zu lesen. Aha: Es soll in puncto Israel also auch die «andere Stimme» gehört werden. Die «andere» Stimme? Was ist dann die «erste», die «normale» Stimme? Der psychologisch äusserst clevere Trick: Man bezeichnet die Meinungsmache als «die andere Stimme», obwohl sie die erste, die stärkste, die einzig professionell beeinflusste ist.
Sacha Wigdorovits verwies vor der Handelskammer auf die «konfessionell und politisch unabhängige» Stiftung Audiatur, die einen Monat vorher ins Leben gerufen worden war und die die Website audiatur-online.ch starten sollte. Er vermeldete auch bereits, dass da eine Sandra Hoffmann die Geschäftsführung übernehmen wird. Zwischenzeitlich ist diese Website auch tatsächlich online: www.audiatur-online.ch, Informationen, Analysen und Kommentare zu Israel und dem Nahen Osten.
Die aufgeschalteten Artikel zeigen allerdings schnell, sehr schnell, wohin die Reise geht. Nicht erwähnt wird etwa, dass in «Der Sonntag» der Stellvertretende Chefredaktor Sandro Brotz zum Thema Israel-Boycott einen ziemlich üblen Kommentar platziert hatte. Wörtlich etwa: »Benennen wir, was diese Aktion () ist: Hetze. Hetze gegen Israel. Hetze gegen Juden.». Er entsprach wohl nicht den intellektuellen Ansprüchen der Audiatur-Betreuer und war nicht subtil genug. Dass aber Rainer Stadler von der NZZ – klug, wie immer – sich gegen einen solchen Boycott aussprach, wird wohlwollend vermerkt. – Vermisst im ganzen Spiel wird allerdings jene Meinung, jene Stimme, auf die «Audiatur» die «andere» sein sollte. Es gibt sie gar nicht, oder doch nur in Ansätzen.
Meinungsmache: vom Plan zur Realisierung
In Wigdorovits SWOT-Analyse findet sich unter «Schwächen» neben fünf anderen die Eintragung: Israelische (Siedlungs-)Politik. «Du sprichst ein grosses Wort gelassen aus», ist man mit Goethe zu sagen versucht. Denn genau die mit nichts zu rechtfertigende Siedlungspolitik Israels ist es, die den Protest der politisch interessierten Welt verursacht, nicht ein «zunehmender Antisemitismus». Aber wie es die PR-Branche eben so handhabt: Der PR-Berater empfiehlt den Schweizer Juden nicht, bei der israelischen Regierung gegen die Siedlungspolitik zu protestieren, er empfiehlt vielmehr eine Kampagne, wie die Kritik an der israelischen Siedlungspolitik mundtot gemacht werden kann.
Die Verantwortlichen der Schweizer Medien sind gut beraten, sich die Präsentation «Die Schweizer Medien und Israel» genau anzusehen (siehe unten: Sacha Wigdorovits Anweisung zur Meinungsmache pro Israel). Die darin erwähnte neue Website audiatur-online.ch dürfte nicht der einzige Punkt sein, der bereits als «realisiert» abgehakt werden kann.
PS: Sacha Wigdorovits hat eigenen Angaben zufolge seine PR-Beratung vor der Handelskammer Schweiz Israel aus eigener Initiative gemacht; es handle sich nicht um ein bezahltes Mandat der Contract Media.
(Zur Lobby-Arbeit pro Israel in den USA gibt das Buch John J. Mearsheimer / Stephen M. Walt: Die Israel Lobby, Campus 2007, eine gute Übersicht.)
Siehe im übrigen auch die infosperber-Beiträge «Mordechai Vanunu will nicht mehr Israeli sein» und «Ich schäme mich für Deutschland». Siehe unten die Links.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Das typische SCHWEIZER Problem ist, dass wir hierzulande schlicht zu wenig und immer weniger Juden/Jüdinnen haben und daher im Gegensatz zu den USA das Thema Israel hauptsächlich von der Botschaft und den Christian Zionists bearbeit wird. Zu deren Geschichte siehe das oben zitierte Standardwerk von Mearsheimer und Walt. Die Sekte ist hierzulande ein US-Import. Das perfide daran ist, dass diese «Zionisten» eigentlich daran glauben, dass beim nahen Weltuntergang alle Juden zuerst dran glauben müssen und sie selber dann dann als das WAHRE Israel das Heil erlangen. Chomsky nennt sie daher zu Recht die HÄRTESTEN ANTISEMITEN. Nun ist aber die (pseudo)christliche Apokalypse für die israelischen rechtsaussen-Regierungen kein Problem. Für religiöse ist sie ein irrevanter Text, für säkulare kommt weder der jüdische noch der christliche Messias so bald. Was zählt ist deren fanatische Unterstützung des biblischen Gross-Israel und insbesondere die Spenden für die Siedlerbewegung. Sie heissen diese falschen Freunde deshalb ebenso scheinheilig willkommen. Auch wenn diese den nahen Osten in Kriegen untergehen sehen wollen, damit der Messias textkonform kommen kann.
Werner T. Meyer