Polizei verbietet die Mahnwache vor dem Ensi-Sitz
Seit der Atomkatastrophe von Fukushima findet vor dem Hauptsitz des Eidgenössischen Nuklersicherheitsinspektorats (Ensi) in Brugg/AG von Montag bis Donnerstag jeweils von 17 bis 18 Uhr eine Mahnwache statt, an der durchschnittlich fünf Personen teilnehmen. Sie wollen damit auf die Risiken des Atomkraftwerks Beznau aufmerksam machen, dem ältesten Atomkraftwerk der Welt, das nur wenige Kilometer entfernt auf einer Insel mitten in der Aare steht, und das endlich stillgelegt werden müsse.
Lästige Pflichtübung der Regionalpolizei
Doch viel schneller als das AKW Beznau soll nun offenbar die Mahnwache behördlich abgestellt werden. Kurz vor Weihnachten lehnte nämlich die Regionalpolizei Brugg ein Gesuch für die zukünftige Durchführung der Mahnwache ab. In ihrem Schreiben hält die Regionalpolizei fest, sie könne den Standort und anderseits die Anzahl der Auftritte «nicht bewilligen» und droht bei Nichtbefolgung mit «rechtlichen Konsequenzen». Dabei verweist die Regionalpolizei formell auf das «Reglement über die vorübergehende Benutzung von öffentlichem Grund zu Sonderzwecken», ohne aber eine materielle Begründung abzugeben.
Dieses Vorgehen ist selbst der Regionalpolizei nicht ganz geheuer. Denn einleitend hält sie festhält: «Eine Mahnwache fällt unter die sogenannten ideellen Grundrechte.» Und abschliessend erklärt sie: «Sollten Sie uns einen neuen Vorschlag in eingangs erwähnter Angelegenheit unterbreiten, so sind wir gerne bereit diesen zu prüfen.» Laut Rechtsmittelbelehrung können die Mahnwachenden innert 10 Tagen schriftlich beim Stadtrat einsprechen und damit die Verfügung aufheben. Beim Lesen der polizeilichen Verfügung wird man den Eindruck nicht los, die Regionalpolizei erledige damit eine lästige Pflichtübung und hoffe sehnlichst darauf, der Ball springe zum Stadtrat weiter.
Überraschender Anruf der Kantonspolizei
Die polizeiliche Verfügung kam keineswegs aus heiterem Himmel. Bereits im letzten September vollzog sich ein erstes Donnergrollen. Nachdem Heini Glauser von der Mahnwache die Brugg Immobilien AG, der die Liegenschaft mit dem Ensi-Sitz an der Industriestrasse 19 in Brugg gehört, über die 700. Mahnwache vorinformierte, erhielt er überraschenderweise einen Telefonanruf der Aargauer Kantonspolizei, die nähere Auskünfte zur Mahnwache wollte. Zudem fand laut der Aargauer Zeitung (AZ) eine Gesprächsrunde statt, an der die Brugg Immobilien AG, das Ensi, der Stadtrat von Brugg sowie die Kantons- und Regionalpolizei teilnahmen.
Gegenüber den Fragen der AZ hielt sich das Ensi vornehm zurück, während die Brugg Immobilien AG klipp und klar die Beendigung der Mahnwache forderte, weil die Reklamationen sich häuften und es sich um ein Privatareal handle. Letzteres ist zwar richtig, aber laut den Sondernutzungsvorschriften, die vom Aargauer Regierungsrat im Jahr 2008 genehmigt wurden, gilt der Übergangsbereich entlang der Industriestrasse «als öffentlicher Fussgängerbereich beziehungsweise als Trottoir». Dies als Gegenleistung, dass die Parzelle der Brugg Immobilien AG praktisch vollständig überbaut werden konnte.
«Reine Willkür» und «formelle Rechtsverweigerung»
Auf die Verfügung der Regionalpolizei reagierten die Teilnehmer der Mahnwache mit Empörung und der Jurist Leo Scherer verfasste in deren Auftrag eine geharnischte Einsprache an den Stadtrat von Brugg: Die Verfügung der Regionalpolizei verletze das Grundrecht der Informations- und Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 16 BV), das Willkürverbot und das Gebot von Treu und Glauben (Art. 9 BV), das Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 BV) sowie das Gesetzmässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV). Folglich sei sie «verfassungswidrig». Obschon solche Verfügungen begründungspflichtig seien, suche man «vergeblich nach Gründen» für das «implizite Verbot der Mahnwache». Das sei «reine Willkür» und stelle eine «formelle Rechtsverweigerung» dar.
Laut Scherers Einsprache kann freien Bürgerinnen und Bürgern das Recht nicht abgesprochen werden, sich als kleine Gruppe «zu einem beliebigen Zeitpunkt an einem beliebigen Ort im öffentlichen Raum zusammen zu finden und für eine Stunde zusammen zu sein», solange dadurch niemand daran gehindert werde, «zur gleichen Zeit am gleichen Ort dasselbe zu tun». Deshalb entbehre «der unsere Freiheit aufhebende Entscheid» der Regionalpolizei der gesetzlichen Grundlage.
Wenn nötig wird das Verfahren weitergezogen
Der Stadtrat von Brugg bestätigte am 30. Dezember 2014 den Eingang der Einsprache und bat um «etwas Geduld». Bei einem ablehnenden Entscheid werde das Verfahren an die höheren Instanzen weitergezogen, lassen die Mahnwachenden verlauten. Die Mahnwachen würden bis auf weiteres fortgesetzt. «Wir lassen uns nicht vertreiben», gibt sich Glauser kämpferisch.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)
Mich laust der Affe. Ich bin Schweizer. Und ich hoffe, dass kein Ausländer Kunde von dem Drama erhält. Jeder kriegte ungläubige Augen und würde sagen:
Probleme haben die Leute…
Tja.
Die Menschen sollen sich wie Roboter verhalten. Und sie TUN es. Nix da rumstehen und eine Idee vertreten. SYSTEMSCHÄDIGEND, DIE ORDNUNG DURCHEINANDERBRINGEND, das.
Ganz furchtbar.
Ich habe mir erlaubt, die Foto zu übernehmen.
Ich habe auf Info Sperber verlinkt.
http://bumibahagia.com/2015/01/08/schweiz-anwohner-behorden-und-polizei-gegen-brutale-demonstranten/
Ist doch gut, die Brugg Immobilien AG beachtet die Mahnwache und erhöht damit die öffentliche Wahrnehmung! Während das ENSI leider keine Aufmerksamkeit möchte. Wir sind gewohnt, dass das ENSI zu vielen «Problemen» und Problemen tolerant schweigt.
Warum gehört das Land überhaupt der BRUGG IMMOBILIEN AG? Wer hat das Land gemacht? Wem gehört die Welt?
Das dramatische an der Auseinandersetzung um die Mahnwache ist, dass 5-6 Personen, die sich regelmässig eine Stunde vor ein Amt mit öffentlichem Auftrag begeben, als Problem erachtet werden, das aus der Welt geschaft werden muss. Die gleichen Leute – ENSI, Kabelwerke, Regionalpolizei, u.a. – schliessen gleichzeitig die Augen vor den realen Gefährdungen unserer Region und der Schweiz durch die zwei Ältest-AKW in Beznau. Seit 29 Jahren gibt es ja Beispiele, was mit AKW passieren kann. Die besondere Gefahr im Falle Beznau: Standort auf einer Aareinsel, wo fast die halbe Schweiz entwässert wird, wird schlicht ignoriert!
1342 wurde 4km oberhalb von Beznau, beim grössten Magdalenen-Hochwasser in Mitteleuropa, eine wichtige Brücke weggerissen, die seither nie mehr erstellt wurde (s. Ruine Freudenau).
Wie können wir diese Gruppe tapferer und verantwortungsbewusster Leute unterstützen?
@Urs Lachenmeier
Die Mahnwache vor dem ENSI ist eine offene Gruppe. Bisher haben 360 Personen mindestens einmal an einer Mahnwache teilgenommen. Alle Interessierten und SympatisantInnen sind herzlich eingeladen, jeden Montag bis Donnerstag, zwischen 17 und 18 Uhr an einer Mahnwache teilzunehmen. Das ENSI liegt direkt auf der südlichen Seite des Bahnhof Brugg und ist via beide Bahn-Unterführungen (Richtung Windisch) in 2 Minuten erreichbar.
Da würden sich die Gründungsväter unseres Landes im Grabe umdrehen. Die Demokratie in diesem Land wird Punkt für Punkt abgeschafft. Die grossen Medien sagen nichts dazu, als nächstes kommt ein Gesetzt wie in Japan in welcher jeder Form von AKW Kritik unter Drohung von Gefängnis verboten ist. Gute Nacht Schweiz, gute Nacht Demokratie.
@ Peter Sager
Du sagst es.
Oh, bitte Verzeihung. Hier sieze man.
Sie sagen es.
Ich bin dankbar für viele gute Seiten, welche uns Schweizer im Grundzug auszeichnen.
Aber da sind lebensfeindliche Auswüchse. Vor lauter Perfektionismus und Sauberkeit darf man manchenorts kaum mehr atmen.
Stolz auf den Schwur der Mutigen auf dem Rütli schauen, ist schön und recht.
Aber heute eine Ueberzeugung, welche gegen den Mainstream geht, laut äussern, das goht de halt scho nid. Immer schön de Wände noh.
Ist diese Tendenz umkehrbar?
Wer glaubt noch an die Geschichte vom Rütli?
Glauben ist nicht wissen.
Viel Glück wünsche ich den jungen PK.- Gläubigern die gezwungen werden die Alten zu subventionieren.