Kommentar
Patronologie
Im «SonntagsBlick» empfiehlt der Kolumnist Frank A. Meyer, der Bundesrat Johann Schneider-Ammann solle im Amt bleiben. Begründung: Der Magistrat ist Unternehmer: «Ein Patron».
Eine nach der andern reiht der Autor die Meriten auf: Schneider-Ammann hat «ein Unternehmen geführt» (erfolgreich, im Hochlohnland Schweiz, in der harten Branche Maschinenindustrie). Er hat «entwickelt, was in Europa, in Indien, in China, in Brasilien zum Einsatz kommt». Er steht und politisiert für die «Realwirtschaft». Er war ein «sozial sensibler Firmenführer». Er trug «persönlich Verantwortung … ganz direkt für Wohl und Wehe seines Unternehmens und seiner Mitarbeiter…».
Das ist alles schön und gut, und wohl auch ganz zutreffend. Und es passt – hold on to your hats – auch auf Donald Trump.
Der Reihe nach:
- Unternehmer: Sicher. Trump hat wie Schneider-Ammann einen Familienbetrieb übernommen und grösser gemacht. Auch erfolgreich.
- «entwickelt, was in Europa, in Indien, in China, in Brasilien zum Einsatz kommt». Ja doch: Trump-Hotels und Trump-Golfplätze werden weltweit gebaut, der Name «Trump» ist eine Ware, die gegen Geld auf alles geklebt wird, was sich verkitschen lässt, global, Trump-Steaks, Trump-Wein, Trump-Universität. Marktwirtschaft funktioniert heute so. Ist das unreal? Sind ein Golfplatz oder ein Hotel weniger «Realwirtschaft» als eine Baumaschine, oder der Bauplan dafür?
- «sozial sensibler Firmenführer»: Gewiss. Viele Angestellte der zahlreichen Trump-Firmen, vielleicht die meisten, preisen den Patron in hohen Tönen.
- «persönliche Veranwortung»: Abgehakt. Der Patron besitzt, befiehlt, befindet, beschliesst, wie es ihn gut dünkt. In beiden Fällen.
Dieser Eigenschaften wegen gehöre Patron Schneider-Ammann in die Schweizer Regierung, schreibt Herr Meyer. Ein «Citoyen» und «ehrbarer Kapitalist», der dieser Regierung gut anstehe, in welcher «Gleiche mit Gleichen Probleme und Überzeugungen gemeinsam prüfen und wägen und gelegentlich auch vertagen, um sie dann in neuem Licht ein weiteres Mal zu prüfen und zu wägen.»
Hmmm.
Die Eigenschaften, die hier gepriesen werden, sind ziemlich genau dieselben, die den Kandidaten Trump ins Amt gebracht haben: «businessman», Unternehmer, Eigentümer, haftbar mit seinem eigenen Vermögen – ein Patron. Und von wegen «Gleiche mit Gleichen»: Ist das Trump-Kabinett nicht gerade dafür bekannt, dass Gleiche mit Gleichen das Gleiche im Sinne haben?
Aber die Parallele wird nicht gezogen. Keinem Menschen, zumindest keinem in Europa, fiele es ein, den Bundesrat aus Langenthal in die Nähe des US-Präsidenten zu rücken. Natürlich gibt es da Unterschiede, Trump zum Beispiel liess sich einige Male bankrott erklären, Schneider-Ammann nie – aber Bankrott hat in Amerika einen kleineren Stellenwert als in der Schweiz, die Freunde der zügellosen Marktwirtschaft notieren es mit Bewunderung. Und wenn man sich vorstellt, dass Trump «Rire c› est bon pour la santé» in die Kamera spräche …Das Publikum überkäme keine mitleidige Heiterkeit, sondern das Schaudern vor dem Zynismus. Ganz zu schweigen vom Unterschied in der Mitteilungsfähigkeit. Trump twittert – brillant, faktenfrei und mit gorsser Durchschlagskraft. Schneider-Ammann lässt twittern – bundesverwaltungsmässig, korrekt und mit begrenzter Reichweite. Beiden werden kommunikative Defizite zugeschrieben.
Nur: Das Kommunikative soll es gerade nicht sein, das den guten Magistraten ausmacht. Wenn man dem «SonntagsBlick» folgen will, ist es das Patronale. Lieber ein Patron, der das rechte Machtwort zu sprechen weiss, als ein Schwätzer für den «eloquenten Auftritt».
Wirklich? Auf die Realität gestülpt, lässt einen das Konzept etwas ratlos: Hier der gute Patron in Bern, dort der nicht so gute Patron in Amerika. Patron ist offensichtlich nicht gleich Patron.
Was folgt daraus?
- «Patron» ist kein taugliches politisches Kriterium. «Realwirtschaft» schon eher. Es fragt sich indessen, warum nicht auch Nicht-Patrone die Interessen der «Realwirtschaft» verteidigen können sollten.
- Nicht jeder Patron ist ein «ehrbarer Kapitalist» und «verantwortlicher Bürger». Der Kern des Kapitalismus ist Profit – Geld machen. Der Rest ist Kontext. Ehrbarkeit und Verantwortlichkeit auf der Patronenetage sind erzwungene Eigenschaften, historisch erkämpft und politisch in der Gesetzgebung fixiert.
- Demokratie ist klassenlos und weder den Patrons noch irgendeiner anderen Klasse von Zeitgenossen vorbehalten. Das Gegenteil hatten wir schon, als das Stimm- und Wahlrecht auf Steuerzahler oder Grundbesitzer (männlich) beschränkt blieb. Es war nicht von Bestand.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine. Johann Aeschlimann twittert @johanaeschliman
Es stimmt, was Sie schreiben, lieber Herr (Ihren Namen finde ich nicht im Artikel). Aber auch der «Blick» und alle anderen Medien sind Unternehmer (man sollte diese Wort wohl auch in Gänsefüsschen schreiben) die mit Einschalt- resp. Leserquoten Geld verdienen. Darum werde oft wenig durchdachte Thesen aufgeworfen, das Ziel ist nicht Recherche und Hintergrund, sondern Verkauf.
Es wäre schön, wenn Politiker, egal ob Unternehmer oder nicht, primär altruistische Ziele verfolgen wollten, wenn Ihre Motivation fast ausschliesslich der Dienst am Volk sein würde. Dem ist allzu oft nicht so, leider.
Herr Schneider-Amman strahlt eben noch etwas anderes, sehr wichtiges aus: es ist eine Art Redlichkeit, will heissen, man vertraut ihm, weil man spürt, dass er ethisch denkt und handelt. Das hat sich beim Thema Lachen ja eigentlich auch gezeigt…
Herr Trump ist unredlich, auf Effekt und persönliche Bereicherung aller Art aus, das ist unredlich. Erstaunlich ist ja v.a., dass er damit doch viele Amerikaner überzeugt. Und das kann ich einfach nicht verstehen.