Oskar Freysingers gewagte historische Vergleiche
«Nichts Neues unter der Sonne. Die Prawda ist zurück im Wallis und stellt die bestens bekannten Informationstechniken der sowjetischen Presse der ruhmreichen Jahre wieder her», verkündet der Walliser SVP-Staatsrat Oskar Freysinger in seinen Blog.
Mit der «Prawda» («Die Wahrheit»; Organ der Kommunistischen Partei der Sowjetunion KPdSU) meint Freysinger die Unterwalliser Zeitung «Le Nouvelliste», welche nicht in seinem Sinne über den Neujahrsempfang des Walliser Staatsrats berichtete. Konkret ärgert sich Freysinger darüber, dass sein Foto im Bericht des «Nouvelliste» fehlt (siehe Foto oben). Tatsächlich kommt Freysingers Foto auf der «Nouvelliste»-Seite nicht vor. Aber auch CVP-Staatsrat Maurice Tornay ist auf der Seite fotografisch nicht vertreten.
Vergleiche mit Trotzki, Kamenev und Iejov
Sein fehlendes Konterfei brachte Freysinger dermassen in Rage, dass er seinen «Prawda»-Vergleich zusätzlich mit zwei zweckdienlichen Fotos aus der damaligen Sowjetunion anreicherte. Dabei verglich er das Weglassen seines Fotos durch den «Nouvelliste» mit den skrupellosen Foto-Retuchen, die das sowjetische Regime vornehmen liess, nachdem Leo Trotzki, Lew Kamenew und Nikolaï Iejov dem Stalin-Terror zum Opfer gefallen waren (siehe Fotos oben). Sie wurden kurzerhand aus den Fotos mit Lenin und Stalin entfernt.
Bei einem solchen haarsträubenden historischen Vergleich ist es selbst Freysinger nicht mehr ganz wohl in der Haut, so dass er relativiert: «In der UDSSR wurde Trotzki systematisch aus den Photos der 30er Jahre bis zu seiner Liquidation entfernt. Im Wallis können wir beruhigt sein: Die in Ungnade gefallenen Staatsräte werden in den Fotos des Nouvelliste wieder auftauchen, sobald es Stoff zur Polemik und zur Hetze gibt.»
Historisch bedeutend sensibler reagierte Freysinger in einem anderen Fall, als er in einer Bildmontage der freisinnigen Unterwalliser Zeitung «Confédéré» zusammen mit Adolf Hitler abgebildet wurde, worüber – in Anspielung auf seine österreichische Herkunft – der Titel stand: «Autrichiens, on a déjà donné!» («Österreicher, das hatten wir schon mal!»). Freysinger klagte wegen Ehrverletzung und bekam Recht. Zudem wollte er vom Bundesrat mittels Interpellation wissen, ob die Beleidigung des österreichischen Volks die Beziehungen zwischen den beiden Ländern getrübt hätten.
Es war nicht das erste Mal
Abgesehen vom missglückten historischen Vergleich ist Freysingers Kritik am «Nouvelliste» nicht unbegründet, denn es war laut seinem Blog nicht das erste Mal, dass sein Foto in einem Nouvelliste-Beitrag einfach wegfiel, obwohl er am Anlass teilgenommen hatte. Als Beispiel nennt Freysinger die Einweihungsfeier des Campus der ETH Lausanne in Sitten. Der «Nouvelliste» berichtete auf zwei Seiten darüber und erwähnte die Anwesenheit der beiden CVP-Staatsräte Jean-Michel Cina und Jacques Melly in Wort und Bild. Hingegen wurde ausgerechnet der zuständige Bildungsminister Freysinger überhaupt nicht erwähnt, obwohl er sehr wohl anwesend gewesen war, wie er in einer staatsrätlichen Medienmitteilung nachträglich erklären musste, weil es kritische Fragen über seine vermeintliche Abwesenheit gegeben hatte.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Nur Marionetten, denen man Alles eingibt, verplappern sich nicht.
Immer wieder bin ich verwundert, wie Mitglieder der SVP – hier Freysinger – sich über stalinistische oder DDR-Methoden enervieren und sich als deren Opfer sehen.
Unter welchem Titel laufen denn die ständigen Ausgrenzungs- und Diffamierungs-Kampagnen der SVP, welche sich immer wieder neuer „Randgruppen“ annimmt? Sind das nicht die eben von Freysinger und seinen Gesinnungsgenossen beklagten Methoden?
Sehr bedenklich scheint mir, dass Oskar Freysinger als Erziehungsminister fungiert!
@Dietschi. Dass die SVP sich gut mit Gesinnungsterror auskennt, sieht man ja auch daran wie sie mit sog. «Abweichlern» umgehen.