Kommentar
Ohnmacht prägt die Schweizer Verkehrspolitik
Der frühere Verkehrsminister Moritz Leuenberger hat 15 Jahre lang laviert und auf Zeit gespielt, wenn es um die Umsetzung des Alpenschutzes und den Vollzug des Verkehrsverlagerungs-Gesetzes ging. Seine Nachfolgerin Doris Leuthard und der heutige Bundesrat sprechen jetzt Klartext: Die gesetzlichen Ziele zur Begrenzung der Lastwagenfahrten lassen sich nicht erreichen, weder 2011 noch 2018.
Der Gesetzesbruch ist damit perfekt. Schuld ist das Verkehrsabkommen mit der EU, das Leuenberger ausgehandelt hat, nachdem der Alpenschutz bereits in der Bundesverfassung verankert war. Dieser EU-Vertrag verbietet der Schweiz die mengenmässige Begrenzung des Strassen-Güterverkehrs, welche die nationale Verfassung und das Gesetz ausdrücklich verlangen. Folglich hätte der Bundesrat diesen Vertrag nie bewilligen dürfen. Oder er müsste ihn jetzt sofort kündigen. Doch das ist unrealistisch. Denn der politischen Mehrheit in diesem Land stehen gute Handelsbeziehungen mit der EU näher als der Schutz der Alpen.
Stärker als das Papier von Verfassung und Gesetz ist die Macht des Faktischen. Dazu gehört, dass der Gotthard-Strassentunnel, der heute den Grossteil des gesetzwidrig hohen Strassentransits durch die Schweizer Alpen schluckt, in zehn Jahren saniert und darum vorübergehend gesperrt werden muss. Die Beschränkung des Strassentransits, die der EU-Vertrag verbietet, kommt damit automatisch – aber nicht politisch gesteuert, sondern chaotisch.
Auf diese klare Konsequenz müsste der Bundesrat die Regierungen in den umliegenden Staaten aufmerksam machen, statt ohnmächtig zu klagen, einer Alpentransitbörse fehle «die politische Akzeptanz». Denn im Konfliktfall ist es für beide Seiten akzeptabler, die Zahl der Lastwagenfahrten langfristig voraussehbar zu begrenzen, als eine wachsende Lasterlawine kurzfristig um einen gesperrten Alpentunnel herum leiten zu müssen. Wenn klug geplant wird, verfügt die Neat über genügend Kapazität, um einen Grossteil des heutigen und künftigen Gütertransports auf die Bahn zu verlagern.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Mit dieser Umgehung des Wählerwillens hat der Bundesrat wieder einmal gezeigt, auf welcher Seite unsere Regierung steht. Weder die Linken noch die Grünen, sonst immer scheinbar auf der Seite des Umweltschutzes, haben sich gewehrt. Wenn in dieser Angelegenheit das letzte Wort gesprochen ist, werde ich in Zukunft statt das Abstimmmungsformular ausgefüllt an der Urne abzugeben es als Notizpapier verwenden.Wenn meine Stimme das Gegenteil des von der Mehrheit der StimmbürgerInnen gewünschten Zweckes erreicht, kann ich die Rückseite des Papiers für einen sinnvolleren Zweck verwenden.
War es auch Wählerwillen, anstatt der budgetierten knapp 14 Milliarden Franken nun 10 Milliarden mehr auszugeben?