Kommentar
Lobbyismus: Gretchenfrage als Farbenspiel
Nicht weniger als vier Vorstösse für mehr Transparenz standen in der Sommersession auf der Traktandenliste des Nationalrats. Zwei davon wollten Licht in die eigenen Reihen des Parlaments bringen: die parlamentarische Initiative von Didier Berberat (SP, NE) für ein Lobbyistenregister und diejenige von Katrin Bertschy (GLP, BE) für mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung. Bertschy wollte erreichen, dass die Beiträge des Bundes an die Fraktionen nur noch ausbezahlt werden, wenn die Parteien über die erhaltenen Zuwendungen Rechenschaft ablegen.
Transparenz ganz wo anders will Hans-Ulrich Bigler (FDP, ZH). Er verlangt, dass Bundesangestellte ihre Interessenbindungen offenlegen müssen. Und Claudio Zanetti (SVP, ZH) wollte mit einer Art Gewissensprüfung von Bundeshaus-Journalistinnen und Journalisten erfahren, auf wessen Seite sie politisch stehen. Erfolg hatte letztlich nur Bigler. Der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands fand für seinen Vorstoss eine Mehrheit.
Lobbywatch hat die Resultate der vier Abstimmungen genauer angeschaut und grafisch dargestellt. Dabei fällt auf, dass die Ansichten wo mehr Transparenz notwendig ist, sehr ungleich verteilt sind. Für mehr Transparenz bei Lobbyisten (PaIv Berberat), Parteifinanzen (PaIv Bertschy) und bei der Verwaltung (Motion Bigler) stimmten im Rat einzig vier Mitglieder der GLP-Fraktion. Alle übrigen Nationalrätinnen und -räte konnten sich maximal zu zwei Ja durchringen – oder lehnten drei oder gar alle vier Vorstösse ab. Die detaillierte Auswertung finden Sie hier.
Klare Fraktions-Meinungen gab es dabei bei der SP und der SVP. Während die SP zuerst vor der eigenen Tür wischen will und den Vorstössen für ein Lobbyistenregister und für transparente Parteifinanzen einhellig zustimmte, war die Abneigung gegen ebendiese Vorstösse bei der SVP sehr deutlich: Nur fünf von 68 Fraktionsmitgliedern der Volkspartei stimmten für das Lobbyistenregister. Die Forderung nach einer transparenten Parteifinanzierung lehnte die SVP einstimmig ab.
Transparenz ja, aber bitte nicht bei mir: Etwa so lässt sich die Haltung der SVP insgesamt zusammenfassen. Denn für die Vorstösse für mehr Transparenz in der Verwaltung und für die Gesinnungsprüfung für Journalisten fand sich in der SVP-Fraktion mit Ausnahme von drei Enthaltungen einhellige Zustimmung.
Die Auswertung der vier Abstimmungen von Lobbywatch zeigt deutlich: Eine Regelung für transparentes Lobbying und für die Offenlegung der Parteifinanzen stossen derzeit nur bei der SP, den Grünen, der GLP und einer Minderheit der BDP auf Zustimmung. Dafür will eine Mehrheit der Bürgerlichen wissen, wer in der Verwaltung welche Interessenbindungen hat – eine Forderung, die zumindest teilweise längst erfüllt ist, da Bundesangestellte Nebentätigkeiten schon heute melden müssen. Den Angriff von SVP-Mann Zanetti auf die freie Berichterstattung aus dem Bundeshaus trug hingegen nur seine eigene Fraktion mit.
Die Vorstösse müssen nun noch vom Ständerat behandelt werden. Im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen vom 20. Oktober schlagen wir aber schon heute vor: Liste abspeichern und beim Wählen wieder hervorsuchen. Viel besser lässt sich nicht ablesen, wer im Bundeshaus auf die Gretchenfrage nach Transparenz eine befriedigende Antwort hat.
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Der Artikel erschien zuerst bei Lobbywatch.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Thomas Angeli ist Journalist und Co-Präsident von Lobbywatch.
Weshalb soll eine Pflicht für Medienschaffende zur Bekanntgabe des politischen Standpunktes ein Angriff auf die freie Berichterstattung sein?
Mich interessieren deren Ansichten jedenfalls weit mehr, als wer wem Geld zukommen lässt. Schliesslich stammt nicht nur unser gesamtes Wissen über politische Vorgänge, sondern auch der zeitgeistabhängig ändernde Fokus darauf ausschliesslich von Medienschaffenden.
Das Bewusstsein von Medienschaffenden, wie imageabträglich es sein kann, sich gegen den Mainstream zu stellen, hat auf deren dadurch interessengebundene Berichterstattung sicherlich weit mehr Einfluss, als dies Zahlungen an Politiker auf deren politische Meinungsäusserungen haben.
Eine freie Berichterstattung ist nüchtern betrachtet mindestens ein so grosser Mythos, wie Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.