Kommentar
Lieber den Dreckspatz in der Hand
Niccolo Machiavelli hätte seine helle Freude gehabt. Denn taktisch hat die linksgrüne Minderheit im Nationalrat raffiniert gehandelt: Sie zog am Dienstag ihre Anträge für eine CO2-Abgabe auf Treibstoffen zurück. Damit verhindert sie, dass Rechtsparteien und Wirtschaftsverbände unter gütiger Mithilfe einer starken Autolobby das CO2-Gesetz als Ganzes versenken können – und so die Schweizer Klimapolitik in Scherben legen.
Mit abgesägten Hosen steht jetzt vor allem die Economiesuisse dar: Der Dachverband der Schweizer Wirtschaft hat das Referendum gegen das CO2-Gesetz verbindlich angekündigt – und kann jetzt nur verlieren. Verzichtet er nämlich auf das versprochene Referendum, macht er sich bei seiner Klientele unglaubwürdig. Wenn die Economiesuisse das Referendum aber durchzieht, ohne zusätzlich auf die geschürte Empörung von vier Millionen Schweizer Autobesitzern zählen zu können, so verliert sie mit ziemlicher Sicherheit nicht nur die Abstimmung. Darüber hinaus würde sie auch noch einige Propagandamillionen der ohnehin gebeutelten Wirtschaft in den Sand setzen.
Aber auch die linksgrüne Umweltlobby wird nicht zum Gewinner, wenn sie jetzt aus taktischem Kalkül auf die Spritabgabe verzichtet. Denn wer den motorisierten Verkehr verschont, der mit seinem wachsenden CO2-Ausstoss zu den grössten Klimasündern gehört, wird umweltpolitisch unglaubwürdig. «Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach», lautet zwar ein gern zitiertes Motto. Lieber ein schwaches CO2-Gesetz retten, als mit einer glaubwürdigen Klimapolitik baden gehen, mögen sich Linke und Umweltbewegte sagen. «Realpolitisch» mag dies richtig sein. Opportunistisch ist es allemal. Klimapolitisch hingegen ist der Verzicht auf die Treibstoffabgabe – und damit eine wirksame Reduktion des CO2-verursachenden Spritverbrauchs – eine ziemliche dreckige Lösung.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine