Kommentar

Lesetipp für das Ensi

Thomas Angeli © zvg

Thomas Angeli /  Die Atomaufsicht Ensi hält den Prüfbericht zum Reaktordruckbehälter im AKW Mühleberg vor der Öffentlichkeit geheim.

8707 Risse im Reaktordruckbehälter des AKWs Doel-3, 2450 Risse in Tihange-2: Diese Zahlen listet die WoZ in ihrer neusten Ausgabe auf. Die beiden belgischen Atommeiler haben eine unangenehme Gemeinsamkeit mit dem AKW Mühleberg: Die Reaktordruckbehälter (RDB) stammen aus der gleichen Fabrik, der mittlerweile konkursiten Rotterdamsche Droogdok Maatschappij.

Zwar erklärte die BKW schon Tage nach dem Bekanntwerden der Risse in Doel-3, dass das in Mühleberg verwendete Material sei nicht identisch mit demjenigen in Doel-3 und kündigte eine Untersuchung an. Diese war aber schon nach wenigen Tagen beendet, und die BKW vermeldete, «dass der RDB intakt und nicht von gleichartigen Herstellungsfehlern, wie sie in Doel-3 vermutet werden, betroffen ist». In den beiden belgischen AKWs dauern die Untersuchungen derweil an – voraussichtlich bis mindestens Ende Jahr.

Verweis auf angebliche «Geschäftsgeheimnisse»

Der kleine Unterschied bei den Inspektionen: In Doel-3 und Tihange-2 werden die Reaktordruckbehälter integral inspiziert, in Mühleberg lediglich ein «repräsentativer Teil» von einem halben Meter Breite über die ganze Höhe. Diese Untersuchungen wie auch eine visuelle Überprüfung von einzelnen im RDB eingebauten Komponenten hätten «keine sicherheitsrelevanten Befunde ergeben», erklärt ein BKW-Sprecher gegenüber dem «Beobachter» (Nr. 21/2012, nicht online verfügbar). Nicht untersucht wurden jedoch sogenannte «Inhomogenitäten» (ein 4,06 Zentimeter langer und 3,2 Millimeter langer Riss) am RDB, welche im Jahr 2009 entdeckt worden waren. Diese werden gemäss BKW nur alle zehn Jahre inspiziert. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Das Ensi verweigert die Herausgabe des entsprechenden Prüfberichts mit dem Hinweis auf darin enthaltene «Geschäftsgeheimnisse».

Behörde ist gehalten «eine eigene Stellungnahme abzugeben»

Vor ein paar Wochen habe ich an dieser Stelle den Ensi-Verantwortlichen empfohlen, doch wieder einmal im Werk des Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas zu lesen zu lesen. Diesmal tut es auch die Lektüre einer Empfehlung des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten. In einem ähnlich gelagerten Fall schrieb dieser im letzten Sommer: «Eine korrekte Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips kann (…) nur in Ausnahmefällen zu einer vollständigen Zugangsverweigerung zum integralen Dokument führen.» Dabei sei zu bedenken, «dass die Behörde die Ansicht des Dritten nicht unbesehen übernehmen darf, sondern vielmehr (…) gehalten ist, eine eigene Stellungnahme abzugeben.»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Journalist und Betreiber des Energie- und Umweltblogs «Angelis Ansichten», wo er diesen Beitrag zuerst publizierte.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.