Sperberauge
Kopftuch, Rassismus und Medien
Hier und heute geht es nicht um das Schweizer Radio und Fernsehen der Deutschschweiz SRF. Es geht für einmal um RTS, die Radio Télévision Suisse der französischsprachigen Schweiz. Und es geht um die beiden Mädchen aus Somalia, die vom Lehrer und der Schulleitung in Au-Heerbrugg nach Hause geschickt wurden, weil sie ein Kopftuch trugen. Die Geschichte hat Martine Brunschwig Graf erzählt, früher Staatsrätin der Republik Genf und liberale Nationalrätin, heute Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus ERK.
Es war bei der Jahresversammlung des Vereins «Unser Recht». «Unser Recht» ist kein Verein, der glaubt, unser Schweizer Recht müsse gegen alle möglichen Anfeindungen vor allem aus dem Ausland verteidigt und geschützt werden. «Unser Recht» ist ein kleiner, zu Unrecht wenig bekannter Verein, der Überzeugungen vertritt, die sich in kurze, knappe Slogans zusammenfassen lassen. Wie zum Beispiel:
- Ohne Rechtsstaat keine Demokratie
- Recht schützt Dich und mich
- Auch Völkerrecht ist unser Recht (das heisst: Bestimmungen wie das Gewaltverbot zwischen Staaten oder gegen bestimmte Volksgruppen schützen auch die Schweiz und die Schweizerinnen und Schweizer).
Freiheitliche rechtsstaatliche Demokratie für alle
Zu dem Verein gehören die bekanntesten Schweizer Rechtsgelehrten und Politiker von den Grünen über Sozialdemokraten bis zu Mitgliedern der FDP. Sie alle verbindet der Wunsch nach einer Rechtsordnung, in der die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger in einer freiheitlichen und demokratischen Ordnung geschützt und gesichert sind.
Für die Mitgliederversammlung 2013, die dieser Tage in der Bundeshauptstadt Bern stattfand, war die ERK-Präsidentin Brunschwig Graf zum Hauptreferat eingeladen. Sie sprach über die Rolle der Behörden, die Rolle der Parteien und die Rolle der Medien bei der Bekämpfung oder auch der Verbreitung des Rassismus in der Schweiz.
Einsatz gegen den alltäglichen Rassismus
Und sie erzählte die Geschichte von Au-Heerbrugg, wo die Schulbehörden nach ein paar Tagen öffentlicher Missbilligung ihre Entscheidung zurücknahmen und den beiden somalischen Mädchen mit Kopftuch den Schulbesuch wieder erlaubten, weil noch ein Urteil des Bundesgerichts aussteht, das diese Frage grundsätzlich klären soll (Der SVP passt das nicht; sie will das Kopftuchverbot jetzt für den ganzen Kanton St. Gallen regeln).
Auch in der Westschweiz hatte die Geschichte für Aufsehen gesorgt. Und so meldete auch die Radio Télévision Suisse das vorerst glückliche Ende der Affäre mit einem Bild auf ihrer Website «tsr.ch». Allerdings zeigte das Bild nicht ein Kopftuch, das bekanntlich einfach die Haare bedeckt. Das Bild zeigte zwei Frauen mit dem Niqab, also dem meist schwarzen Schleier, der den Kopf ganz bedeckt und nur noch die schönen schwarzen Augen der Suleika sehen lässt.
Der Beitrag von Medien – so oder anders…
Frau Brunschwig Graf, die schon als Genfer Staatsrätin für ihre direkte Art bekannt und manchmal gefürchtet war, griff zum Hörer und liess sich mit dem verantwortlichen Redaktor verbinden. «Bonjour Monsieur, ich bin die Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus…» «Der Redaktor», so berichtete Brunschwig-Graf vor den versammelten Liberalen von links bis rechts, «der Redaktor hat nicht die geringsten Anstalten gemacht, sich zu verteidigen, sondern nur gesagt, dass er das sofort ändern werde.»
So geschah es dann auch.
Bleibt nur die Frage, warum dieser Journalist nicht von Anfang das richtige Bild online gestellt hat. Wollte er die Geschichte attraktiv bebildern, mit ein bisschen Sensation die Aufmerksamkeit ködern? Oder hat ihm das Bild einfach besser gefallen als die harmlose Fotografie der beiden lächelnden schwarzen Mädchen mit dem Kopftuch, wie es jede kluge Putzfrau trägt? Oder war es schiere Bequemlichkeit?
Sicher war es eine Verletzung des Gebots sachgerechter Information. Und ein vielleicht gedankenloser kleiner Beitrag zum alltäglichen Rassismus.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine