Kommentar

Ist der Franken ein Auslaufmodell?

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsPhilipp Löpfe war früher stellvertretender Chefredaktor der Wirtschaftszeitung «Cash» und Chefredaktor des «Tages-Anzeiger». Heute ist er ©

Philipp Löpfe /  Die riesige Geldflut hat die Finanzmärkte unberechenbar gemacht. Alles ist möglich – auch der Untergang des Schweizer Frankens.

Marco Curti, langjähriger Anlagechef der Zürcher Kantonalbank, hat laut darüber nachgedacht, ob der Schweizer Franken nicht bald zu einer aussterbenden Rasse werden könnte. Ausgangspunkt seiner These war ein Vergleich mit EU-Nachbarregionen wie Bayern oder Vorarlberg und die Erkenntnis, dass der Lebensstandard dort durchaus mit Schweizer Verhältnissen vergleichbar ist. Nicht der Franken sei damit Ursprung unseres Wohlstandes, folgert Curti in der «Schweiz am Sonntag», sondern die geografische Lage im Alpenbogen.
Für den «Blick» war diese unbestreitbar korrekte Feststellung Anlass für die Schlagzeile «Dieser Mann will den Franken abschaffen». Chefredaktor René Lüchinger griff persönlich in die Tasten, warf Curti vor, «keine blasse Ahnung über die Folgen eines solchen Schrittes» zu haben, und kam zum Schluss: den Franken aufzugeben, wäre Selbstmord.
Nun kann man sich darüber streiten, ob Curti sehr viel Ahnung von Politik hat. In der aktuellen Situation hat der Vorschlag, den Franken abzuschaffen, etwa die gleichen Chancen wie ein Schneeball in der Hölle. Doch ökonomisch ist der Vorschlag keineswegs absurd. Mit dem Mindestkurs hat die Schweiz die letzten dreieinhalb Jahre de facto mit dem Euro gelebt – und dies nicht so schlecht. Allerdings ist diese Tatsache offenbar nicht nur dem volkswirtschaftlich so kompetenten «Blick»-Chefredaktor verborgen geblieben, sondern auch 99,9 Prozent der Schweizer Bevölkerung.
Experiment mit ungewissem Ausgang
Die Schweizerische Nationalbank hat den Mindestkurs zwar aus nachvollziehbaren Gründen aufgegeben. Sie hat sich jedoch damit auch auf ein Experiment mit ungewissem Ausgang eingelassen. Wo sich der Frankenkurs einpendeln wird und was die Folgen für die Schweizer Volkswirtschaft sein werden, darüber kann man mehr oder weniger intelligent spekulieren, mehr nicht.
Wir leben in sehr speziellen geldpolitischen Verhältnissen. Es ist ein bisschen wie bei «Alice im Wunderland». Alles ist spiegelverkehrt. Wer sein Geld auf die Bank trägt, erhält dafür keinen Zins, sondern muss dafür bezahlen. Selbst ein so erfahrener Banker wie Oswald Grübel bekennt offen: «Eine solche Situation wie heute habe ich noch nie erlebt.»
So schnell wird sich das nicht ändern: Nach der amerikanischen und der englischen Notenbank haben nun auch die Bank of Japan und die Europäische Zentralbank das so genannte Quantitative Easing entdeckt. Will heissen: Sie fluten die Märkte mit billigem Geld in der Absicht, die Zinsen tief und die Währung schwach zu machen. Damit soll der schwächelnden einheimischen Wirtschaft unter die Arme gegriffen werden.
Zentralbanken – die «modernen Rumpelstilzchen»
Die Folgen der von den Notenbanken ausgelösten weltweiten Geldflut sind derzeit nicht absehbar. Bei den Experten breitet sich Unbehagen aus. «Unsere Zentralbanken sind die modernen Rumpelstilzchen: Sie können Gold spinnen», schreibt Thomas Mayer in seinem kürzlich erschienen Buch «Die neue Ordnung des Geldes». Mayer war lange Chefökonom der Deutschen Bank und gilt als einer der wichtigsten Vertreter des konservativen deutschen Ordoliberalismus.
Martin Wolf, Chefökonom der «Financial Times», ist ein Vertreter der angelsächsischen Schule und normalerweise kein Freund der Ordoliberalen. Aber auch er stellt in seinem Buch «The Shifts and the Shocks» fest, dass die Zentralbanken mit ihrer Geldpolitik der letzten Jahre bloss die Illusion eines stabilen Finanzsystems vermittelt haben. Im Herbst 2008 sei dieser Traum endgültig geplatzt. «Die ‹grosse Mässigung› hat sich als Falle und als Täuschung herausgestellt», so Wolf.
Ungemütliche Lage
Die grosse Geldflut hat die Finanzmärkte unberechenbar gemacht. Was heute noch mit dem exotischen Begriff Quantitative Easing umschrieben wird, kann morgen schon in einen offenen Währungskrieg mit unabsehbaren Folgen ausarten. Der Schweizer Franken befindet sich dabei in einer ungemütlichen Lage. Nach wie vor ist er eine der beliebtesten Fluchtwährungen und daher gerade in unsicheren Zeiten sehr gefragt. Das wiederum lässt ihn so stark werden, dass er damit die Wirtschaft erschlägt –, und zwar nicht nur die Exportwirtschaft. Auch KMU müssen sich heute im globalen Wettbewerb behaupten.
Der Franken wird als nationales Symbol gesehen und daher mit patriotischem Eifer verehrt. Das ist politisch sinnvoll, aber ökonomisch idiotisch. Eine überbewertete Währung kann grossen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Sollte sich der Frankenkurs nicht bei einem für die Wirtschaft noch verkraftbaren Kurs einpendeln, dann wird auch die Schweizerische Nationalbank über sehr ungewöhnliche Massnahmen nachdenken müssen, über Kapitalverkehrskontrollen beispielsweise. Vielleicht könnte dann der Anschluss an den Euro sogar das kleinere Übel werden.
Und übrigens: Der Franken wurde nicht auf dem Rütli eingeführt und auch nicht in Sempach verteidigt. Bis 1927 war die Schweiz Mitglied einer Münzunion mit Frankreich, Belgien, Italien und – kein Witz – Griechenland.

Dieser Beitrag erschien auf Watson.ch.

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Philipp Löpfe war früher stellvertretender Chefredaktor der Wirtschaftszeitung «Cash» und Chefredaktor des «Tages-Anzeiger». Heute ist er Wirtschaftsredaktor von Watson.ch.

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4 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 11.02.2015 um 11:33 Uhr
    Permalink

    Gut, dass da einer zu den 0,01 Prozent der ökonomischen Nichtidioten im Lande gehört und sich in seinem Rechthaben sonnen kann. Natürlich wurde der Franken nicht auf dem Rütli oder bei Sempach verteidigt, aber zum Beispiel für die freie Reichsstadt Schaffhausen, die 1386 noch auf österreichischer Seite focht, war eine eigene Münzstätte ein nicht unwesentliches Argument für den Beitritt zur Eidgenossenschaft (1501). Für Bern/Aargau, seit 1415 miteinander verbunden, war die Münzprägung in Zofingen politökonomisch sinnvoll. Andererseits waren die Habsburger für ihre geschickt gemanagten Geldprobleme bekannt, ihre Liebe zur Inflation und ihre Staatsbankrotte, allein in Spanien deren 4. Sie sind die europäischste aller Dynastien. Es bleibt dabei, dass ihre Niederlage bei Sempach für die Schweiz kulturell und verwaltungstechnisch und im Hinblick auf eine saubere einheitliche Steuerverwaltung bis heute Fortschrittsverzögerungen gebracht hat. Es handelte sich, wie beim Schweizerfranken, um einen Mangel an internationaler Solidarität. Je mehr Geld gedruckt wird, desto besser funktioniert die Solidarität mit denjenigen, die mit Geld nicht umgehen können und in der Regel nichts dafür können. Auch 1798 waren die soliden Staatsfinanzen Berns ein Hauptmotiv für den Uebergriff der damaligen europäischen Vormacht Frankreich auf die Eidenossenschaft. Der Staatsschatz wurde zusammen mit den Bären teilweise nach Paris transportiert und dort fruchtbringend in den Fortschritt Europas investiert.

  • am 11.02.2015 um 12:15 Uhr
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    "Der Franken wird als nationales Symbol gesehen und daher mit patriotischem Eifer verehrt. Das ist politisch sinnvoll, aber ökonomisch idiotisch. Eine überbewertete Währung kann grossen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten», schreib Philipp Löpfe. Damit liegt er völlig quer in der Landschaft. Der Franken ist keine politische Schöpfung sondern Zeichen eines souveränen, neutralen und erfolgreichen Staates.
    Er wiederspiegelt die Stärken unseres Landes, welche wir nun kontinuierlich, auf leisen Sohlen abschaffen. Was gewinnt die Schweiz, wenn sie ihre eigene Währung aufgibt? Sie gewinnt keine Handlungsfreiheit sondern wird vollends zum Vasall eines europäischen Gebildes, das immer mehr Mühe hat, überhaupt Wirtschaftswachstum zu generieren. Der Weg der Schweiz ist längst vorgezeichnet, Beitritt zu EU und zur Nato, Abschaffung der Währung und Einführung des Euros.
    Die Vorarbeiten dazu wurden längst geleistet, man denke nur an die heutige Schweizer Armee, voll Nato-kompatibel, und damit auch wenig wert! Ein institutionelles Rahmen-abkommen soll dazu führen, dass ein EU-Beitritt in einigen Jahren nur noch eine weitere Unterschrift benötigt.
    Der Souverän wird ruhiggehalten, währenddem die «hidden agenda» täglich ihre Arbeit verrichtet! Der «point of no return» rückt bedrohlich näher! Die Nivellierung der Schweiz auf EU-Niveau, eine Nivellierung gegen unten mit tieferem Wohlstand ist in vollem Gange! Sic transit gloria Helvetia!

  • am 11.02.2015 um 19:08 Uhr
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    "Die grosse Geldflut hat die Finanzmärkte unberechenbar gemacht.» Es ist umgekehrt! Die Finanzmärkte machen primär die Geldflut und zwar eine virtuelle bzw mit Buchgeld.
    Das dürfte doch bekannt sein?
    Alleine schon das Zinseszins-System bringt ein potentielles Wachstum, die Geldmenge wächst schon dadurch immer schneller und den Realwerten davon. Das System hat sich schon längst von der Realwirtschaft abgekoppelt.
    Dass für den «Chariot» von Giacometti 100 Millionen gezahlt werden zeigt nicht nur wie toll seine Kunst ist, die Summe verrät auch etwas über den realen Wert des Geldes. Kunst wurde zur Fluchtwährung der Superreichen… Wie mag heute das Verhältnis von Geld- zu Realwerten sein? 2008 war es 33:1…

  • am 12.02.2015 um 17:36 Uhr
    Permalink

    Eine offene Diskussion ist überfällig. Das Papier ist durchaus bedenkenswert.
    Aber in Kürze, der Euro war eine problematische Konstruktion und wurde von s der Ökonomen praktisch durchwegs abgelehnt. Die konkrete Durchsetzung mit der Verletzung der Maastrichtkriterien – zuerst von Deutschland – war verheerend. Die Nordbanken erteilten massiv Kredite mit tiefen Zinsen in den Süden mit hoher Fehlallokation. Mit der US-Finanzkrise Stand die Banken- und Staatssanierungen an was zu einer Bankenhilfe statt zu einer Wirtschaftshilfe zugunsten der breiten Bevölkerung geriet. Die Nordlichter forcierten mit tiefen Löhnen Exportüberschüsse. Mit inzwischen restriktiver Finanzpolitik wurde die Nachfrage gedrosselt. Die Situation der nördlichen Bundesländer ist durchaus relativ rosig und ein Beweis, dass es der Schweiz im Euroland gut gehen könnte. Nur, die Situation im Süden wird schön geredet. Die kann nur verbessert werden mit Strukturreformen und substantiellen Finanztransfers. Die EU verschiebt die Probleme auf morgen mit hohen Risiken.
    – Geldflutung mit hohen Risiken von Deflation, dann mal Inflation.
    – Konjunkturprogramm mit 100 Mrd. für Atomwirtschaft
    – keine Strukturreformen auf EU-Ebene
    – zunehmende Umverteilung aufgrund der Geldflutung
    – die EU-Binnenwanderung widerspricht der Nachhaltigkeit
    – abdanken der EU-Umweltpolitik unter der Leitung des deutschen Wirtschaftschaftsministers.

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