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Ueli Maurer ist an vielen Fronten engagiert, aber er liebt den Widerstand. © Screenshot SRF

«Ich mag es, wenn ich angegriffen werde»

Urs Zurlinden /  Militärminister Ueli Maurer kämpft für den Gripen-Kauf, freut sich auf Olympia in der Schweiz und ist enttäuscht von den USA.

Herr Bundesrat Maurer, was halten Sie von Bradley Birkenfelds Story?
Ueli Maurer: Nun, dahinter steckt ja der amerikanische Staat. Bisher habe ich Amerika immer als freundschaftlich gesinnten Staat empfunden. Was jetzt abläuft, ist eine Enttäuschung. Da kommt das Gefühl auf, von Freunden verraten zu werden – und das schmerzt! Mein Vertrauen in den amerikanischen Rechtsstaat ist aufs Schwerste erschüttert. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man so mit Staaten umgeht, die seit Jahrzehnten eine enge Beziehung pflegen. Umso grösser ist die Enttäuschung: Von Feinden enttäuscht zu werden, ist nicht schlimm – von Freunden enttäuscht zu werden, ist für mich schwierig.
Sollten Konsequenzen im Sinne einer Retourkutsche folgen?
Die Gefahr besteht, dass sich das Verhältnis zu Amerika abkühlt. Das ist schade, denn Amerika hat so viel gemacht für Europa und indirekt auch für die Schweiz, dass diese Entwicklung zu bedauern ist. Vielleicht muss etwas Zeit vergehen. Aber wenn wir mit Retourkutschen drohten, würden wir uns auf das gleiche Niveau begeben – und das wäre falsch.
Nächstes Jahr sind Sie Bundespräsident. Sie könnten in dieser Zeit das Image der SVP aufpolieren.
Das Image der SVP ist gut und muss nicht aufpoliert werden: Es ist die Partei, die ohne Rücksicht Tabus aufgreift und eine geradlinige Haltung vertritt.
Was bedeutet Ihnen das Amt des Bundespräsidenten?
Einfach gesagt: Mehr Arbeit!
Wie stellen Sie sich auf die vielen Apéros und Empfänge ein?
Das eine Jahr werde ich durchstehen. Solche Auftritte mache ich nicht einmal ungern; mich stört nur, wenn man vor lauter Förmlichkeiten die Ziele aus den Augen verliert. Ich arbeite gerne effizient – und Apéros sind nicht per se effizient….
Haben Sie schon einen Leitgedanken für das Präsidialjahr?
Das Leitmotiv wird etwa wie folgt lauten: «Die Schweiz: miteinander, füreinander.» Auch wenn dies noch nicht definitiv ist, zeigt es doch die Richtung auf. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen zu Hause vor dem Bildschirm sitzen, möchte ich die Bevölkerung dazu bewegen, hinauszugehen, sich zu treffen und etwas gemeinsam zu unternehmen.
Sind Sie im Bundesrat häufig auf sich allein gestellt?
In einer Konkordanzregierung sind alle Bundesräte manchmal mit ihren Geschäften alleine.
Erfolgte die Unterstützung der Bündner Olympia-Kandidatur 2022 einstimmig?
Über Internas wie Abstimmungsergebnisse im Bundesrat gibt es bekanntlich keine Auskunft.
Der Bund und der Kanton Graubünden teilen sich die Bewerbungskosten von 60 Millionen Franken. Ein fairer Deal?
Es ist eine gute Aufteilung, gemeinsam an dieses Projekt heran zu gehen. Und es ist ein Chance, diese Kandidatur wirklich miteinander durchzuziehen. Die Gefahr besteht höchstens darin, dass alle jetzt erwarten, der Bund würde nun die Probleme lösen. Das ist nicht der Fall. Es ist ein gemeinsames Projekt mit zahlreichen Akteuren.
Im Bündnerland hat sich bereits fundamentaler Widerstand aufgebaut. Die Kandidatur wird es schwer haben.
Das denke ich auch, ein solches Projekt löst Widerstand aus – Befürworter und Gegner. Ich persönlich bin überzeugt, dass Olympische Winterspiele eine Chance sind, wenn man sie denn will! Aber auch ein Nein wäre ein Entscheid, der zu akzeptieren wäre. Ich hoffe natürlich auf ein Ja.
Wie ist Ihre Prognose für die Abstimmung im März 2013?
Das kann ich nicht beurteilen. Ich höre so viel – von himmelhoch Jauchzen bis zu Tode betrübt – wir warten das ab.
Zustimmen müssen auch die beiden Gemeinden Davos und St.Moritz. Die würden reichlich mit neuer Infrastruktur beschenkt.
Von Geschenken kann keine Rede sein. Es geht darum, Sportinfrastrukturen für die nächsten Jahre bereit zu stellen. Und was sonst noch investiert wird, sind Investitionen in die Zukunft, die ohnehin getätigt werden müssen.
Das Bundesamt für Sport will bis zu den Olympischen Spielen die Nachwuchsförderung massiv von heute 6 auf 20 Millionen Franken erhöhen. Das tönt verlockend.
Das ist gemessen an ausländischen Budgets ein Tropfen auf einen heissen Stein. Die Sportförderung ist als Motivation, sich selber zu bewegen, wichtig für den Breitensport, für die Bevölkerung, für die Gesellschaft. Mit wenig Geld wird ein grosser Hebel betätigt, um etwas in Bewegung zu setzen. Diese Investitionen lohnen sich auf alle Fälle.
Eines der zentralen Probleme wird, das hat auch London gezeigt, der Sicherheitsaufwand sein. Werden die budgetierten 250 Millionen Franken reichen?
Die Zahlen wurden aufgrund einer aktuellen, sorgfältig erhobenen Sicherheitsanalyse berechnet. Falls sich diese Analyse nicht noch wesentlich ändert, muss diese Summe eigentlich genügen.
Skepsis ist angebracht: In Vancouver 2010 stiegen die Sicherheitskosten von ursprünglich budgetierten 113 Millionen auf 970 Millionen Franken.
Das Dispositiv ist überhaupt nicht zu vergleichen: Ob eine Grossstadt wie Vancouver zu schützen ist oder zwei Bergdörfer mit je zwei Zufahrten, das ist für die einzusetzenden Mittel ein wesentlicher Unterschied.
Armeechef André Blattmann will 5’000 Soldaten abkommandieren. Die werden anderswo fehlen.
In einem Jahrhundert-Projekt können doch auch 5’000 Leute für die Sicherheit eingesetzt werden! Zudem ist es eine hervorragende Übung für die Militärs, zeitgerecht und unter besonderen Umständen eine Leistung zu erbringen.
Die Armee wird immer wieder für Sportanlässe angefordert. Gehört der Pistendienst zum Kernauftrag oder sind das PR-Auftritte?
Wir haben diese Auftritte so konzipiert, dass sie mit dem militärischen Kernauftrag korrespondieren: Die eingesetzten Truppen machen etwas, das sie auch sonst machen müssten. Es ist also beides: Ein PR-Auftritt und eine gute militärische Übung.
Andererseits muss die Armee massiv sparen. Wo werden Sie ansetzen?
Es gibt drei Bereiche: Wir müssen die Abläufe in der Logistik weiter verbessern, wir müssen Standorte schliessen und wir werden uns weniger teure Rüstungsgüter leisten können – das erste Beispiel ist der Gripen.
Mit dem Verzicht auf die 22 neuen Kampfjets könnten Sie über 3 Milliarden Franken für Friedenseinsätze einsparen – und als humanster VBS-Chef in die Geschichte eingehen.
Ich möchte nicht mit einer solchen Aktion in die Geschichte eingehen, denn dann wäre ich der Armee-Abbauer! Sicherheit ist zentral für den Wohlstand in der Schweiz. Und an der Sicherheit darf man nicht weiter abbauen, weil wir schon jetzt ein gefährliches Niveau erreicht haben.
Gemäss jüngster Umfrage wollen aber 57 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer gar keine neuen Kampfjets. Ein ernüchternder Befund?
Aufgrund der seit Monaten anhaltenden Kritik und der relativ undifferenzierten Berichterstattung ist das noch ein relativ gutes Resultat. Das lässt sich korrigieren bis zu einer Abstimmung.
Den Gripen-Kauf lehnen sogar fast 65 Prozent der Befragten ab. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig.
Zweifellos. Allerdings ist es nicht nur eine Frage neuer Flugzeuge, sondern es geht darum, das Gesamtkonzept der Armee zu erhalten und damit die Sicherheit zu garantieren. Also geht es letztlich um die Frage: Sicherheit ja oder nein. Ich bin zuversichtlich: Die Schweizer werden Ja sagen zur Sicherheit.
Sind Sie denn noch nicht müde nach all den unendlich vielen politischen Auseinandersetzungen?
Im Gegenteil: Was jetzt stattfindet, macht die Politik interessant und motiviert mich! Ich mag es, wenn Widerstand auftaucht, kritische Fragen kommen, wenn ich angegriffen werde. Das gibt mir die Möglichkeit zu parieren. Dann lebe ich auf – ich ha’s eifach gärn esoo!


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine. Auszüge aus dem Interview, das am 16.9. 2012 in der "Südostschweiz am Sonntag" erschienen ist.

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