Kommentar
Honorare: Berner Regierungsrätinnen unter Druck
Die Bernerinnen und Berner sollten es eigentlich besser wissen: Schon 1984 flog in diesem Kanton ein veritabler Finanzskandal auf. Damals enthüllte ein kleiner Kantonsbeamter, dass Berner Regierungsräte aus schwarzen Kassen an der Staatsrechnung vorbei heimlich Hunderttausende von Franken für die willkürliche Unterstützung ihnen genehmer Organisationen, Parteien und Personen veruntreut hatten. Bei der Untersuchung des Skandals kam dann aus, dass sich einzelne Regierungsmitglieder auch privat noch bedient hatten – bis hin zur Gratisreparatur ihrer Privatwagen in staatlichen Garagen.
500 Franken für eine Stunde sitzen
Aber schon damals verfolgte die Berner Polizei nur den mutigen Whistleblower. Die meisten magistralen Delinquenten kamen fast ungeschoren davon. Und sie tun es immer wieder. Jetzt aber völlig «legal»: Die neuste «Berner Zeitung» hält fest: «Die BKW zahlt pro Sitzung 2 000 Franken, welche die Vertreterinnen der Berner Regierung privat verbuchen dürfen.» Vorab die beiden Regierungsrätinnen Barbara Egger (SP) und Beatrice Simon (BDP), die im Verwaltungsrat des kantonalen Stromkonzerns hocken, können massiv «privat verbuchen»: Per 2012 machte das für Simon schon mal 25 000 und für Egger 45 000 Franken aus. Der Berner «Bund» berichtet in grosser Aufmachung über die «hohen Nebeneinkünfte», informiert jedoch mit keinem Wort über die Höhe der ordentlichen Regierungsgehälter.
Dabei hatte schon nach dem grossen Berner Finanzskandal 1985 die Meinung vorgeherrscht, Regierungsleute seien doch wohl so gut bezahlt, dass sie nicht noch Nebeneinkünfte bräuchten. Konkret: Simon und Egger bekommen heute für ihr Vollamt ein Jahresgehalt von mindestens 275 000 Franken. Das macht mehr als 13 Mal über 21 000 Franken im Monat. Doch während Regierung und Parlament in Bern gnadenlos bei Behinderten, armen Leuten und Kindern sparen, kassieren die Magistratinnen etwa bei der BKW 500 Franken Sitzungsgeld hemmungslos privat ab – pro Stunde.
Monatslöhne von über 20 000 Franken
Warum diese Sitzungsgelder und andere Nebeneinkünfte der obersten Staatsangestellten nicht direkt und automatisch in die ohnehin schon arg defizitären Staatskassen fliessen, verstehen die meisten Normalsterblichen nicht. Wie auch nicht, dass die Regierenden im Kanton Bern Anfang 2012 noch versuchten, mit dem Trick eines «Systemwechsels» ihre eigenen Saläre um über 30 000 auf 308 000 Franken zu erhöhen. Das provozierte dann allerdings derart lauten Protest, dass sie das Ansinnen kleinlaut aufgaben.
Doch auch in anderen Kantonen sind die Regierungsleute, die nebenbei noch gerne Kasse machen, für ihre volle Anstellung ganz gut bezahlt: In Basel etwa, wo Regierungsrat Carlo Conti einen Zustupf von 111 000 Franken auf seinen privaten Konti nicht bemerkt haben will und nun zurückgetreten ist, kassieren die obersten Magistraten alle knapp unter bis klar über 300 000 Franken im Jahr. Im Baselbiet, wo die ganze Debatte nach entsprechenden Enthüllungen anfing, zahlt der Staat seinen obersten Angestellten jetzt 285 000 Franken im Jahr – oder 13 Mal einen Monatslohn von knapp 22 000 Franken.
Zündstoff für die Mindestlohn-Debatte
Das hat einzelne Kantone längst dazu gebracht, klare Regelungen einzuführen: Im Jura, in Schaffhausen oder in Solothurn dürfen die Regierer für Sitzungen ausserhalb ihres Pflichtbereichs nur noch Spesen verbuchen. In Genf und Neuenburg nicht einmal dies. Die Diskussionen über Spitzenlöhne und Einkünfte in Kantonsverwaltungen freuen derweil die Gewerkschaften. Sie warten jetzt gespannt darauf, welche kantonalen Grossverdiener unter den bürgerlichen Politikern, die 500 Franken Stundenlohn von Grosskonzernen abkassieren, noch gegen ihre «Mindestlohn-Initiative» antreten wollen – weil 22 Franken pro Stunde oder 4 000 Franken im Monat «leider zu viel und nicht tragbar» seien. Zum Vergleich: Bundesräte verdienen etwa 450 000 Franken im Jahr ober 35 000 Franken Monatslohn.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine