Heiteres Lichterlöschen bei der Tagesschau
Die Botschaft der Tagesschau vom 1. Dezember war klar: Für die Zukunft «Strom ohne Atom» habe der Bundesrat eine «Strategie» entwickelt. Moderator Franz Fischlin verkündete: «Bis im Jahr 2035 soll der Energieverbrauch um 35 Prozent gesenkt werden.» Das sei «ein ehrgeiziges Ziel» fügte er hinzu.
Der Ehrgeiz hat die Tagesschau offensichtlich angesteckt, denn in der gezeigten Grafik übertraf die Tagesschau das erwähnte Ziel noch erheblich: Das Volumen der Glühbirne des Jahres 2035 ist etwa siebzig Prozent kleiner als die Glühbirne des Jahres 2011.
Faktencheck: Trotz der geplanten Effizienzsteigerung braucht die Schweiz im 2035 mehr Strom als heute
Ein Studium des Pressecommuniqués und eine kurze Rückfrage beim Bundesamt für Energie macht schnell klar, dass die Schweiz im Jahr 2020 – bei Realisierung aller vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen – nicht 15 Prozent weniger Strom brauchen wird als heute, und im Jahr 2035 erst recht nicht 35 Prozent weniger. Das wäre zu schön, um wahr zu sein.
Die Tagesschau machte den elementaren Fehler, dass sie unterschlug, von welchen 100 Prozent denn die 15 und 35 Prozent gerechnet sind. 100 Prozent waren in diesem Fall der heutige Stromverbrauch. Weil jedoch der Stromverbrauch laut Trend-Szenario des Bundesamts für Statistik trotz aller Sparmassnahmen bis 2035 weiter ansteigt, wird die Schweiz im Jahr 2035 mehr Strom brauchen als heute, auch wenn sie 35 Prozent des heutigen Stromverbrauchs bis dann einspart.
Steigender Stromverbrauch noch bis 2050
Das Bundesamt für Energie rechnet sogar damit, dass der Stromverbrauch in der Schweiz noch bis ins Jahr 2050 weiter ansteigen wird, wie Marianne Zünd, Kommunikationschefin des Bundesamts für Energie, gegenüber Infosperber erklärt. Den falschen Eindruck, die Schweiz könne bis 2035 mit 35 Prozent weniger Strom auskommen als heute, «haben die Medien generiert», meint Zünd.
Kalifornien: Pro-Kopf-Verbrauch seit dreissig Jahren stabil
Politiker und Exponenten der Stromlobby verschweigen konsequent, dass das weitere Steigen des Stromverbrauchs nicht von Gott gegeben ist. Mit einer Anreiz-Politik zum Stromsparen ist es in Kalifornien gelungen, den Stromverbrauch pro Kopf seit über dreissig Jahren stabil zu halten. Er ist dort heute tiefer als in der Schweiz. Der Bundesrat will jedoch nichts davon wissen, weil die kalifornische Strompolitik unserem liberalen Wettbewerbssystem angeblich widerspricht. Tatsächlich aber sind alle Stromkonzerne in Kalifornien in privater Hand, während die grossen in der Schweiz den Kantonen, also dem Staat gehören.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Warum wird immer von einem Mehrverbrauch gesprochen und damit fest gerechnet? So bekommt jeder Bürger, jede Bürgerin die Legitimation noch mehr Strom zu konsumieren! – Warum wird nicht zum Sparen angeregt? Sparen ist keine Schande. Wenn es freiwillig getan wird, macht es sogar Freude.