Sperberauge

… halt typisch diese Politiker

Christian Müller © zvg

Christian Müller /  Die Delegiertenversammlung der SVP empfiehlt ein Ja zur No-Billag-Initiative. Wessen Interesse vertritt sie da?

Gestern Samstag, 27. Januar 2018, hat die SVP Schweiz an ihrer Delegiertenversammlung mit grosser Mehrheit die Ja-Parole zur No-Billag-Initaitive beschlossen. Das löst Kopfschütteln aus, denn es widerspricht der sonst alles Andere überdeckenden – offiziellen – Politik der SVP, die Schweiz in ihrer besonderen Eigenart zu erhalten, so, wie sie eben ist. Ja nichts Neues! Und schon gar nichts von aussen!
Nehmen wir ihren Präsidenten, Albert Rösti. Er ist Agronom, akademisch ausgebildeter Bauer also. Er studierte an der ETH und schloss sein Studium an der University of Rochester NY in den USA als Master of Business Administration MBA ab. Und er hat, bevor er Präsident der SVP wurde, zum Beispiel als Generalsekretär der Berner Volkswirtschaftsdirektion, der er einige Jahre lang war, nicht zuletzt die Interessen der Bauern vertreten. Hat er dort je so argumentiert, dass die Bauern sich gefälligst dem Markt anzupassen und billige landwirtschaftliche Produkte aus dem Ausland ohne staatliche Protektion endlich zu akzeptieren haben? Hat er den Bauern je gesagt: Packt bitte zusammen! Es gibt keine Subventionen mehr! Aus dem Ausland erhalten wir alles billiger! Wir akzeptieren nur noch den Markt – versteht endlich: ja, den MARKT!

Ein ehemaliger Kollege von Albert Rösti hat mir einen Entwurf für einen Brief an Albert Rösti gezeigt. Daraus seien hier ein paar Passagen zitiert, zum Teil leicht umformuliert:

«Ich habe Sie damals als wissenschaftlichen Beamten mit hohen Standards und wissenschaftlicher Vorgehensweise in der Erfolgskontrolle erlebt. Nun sind Sie Parteipräsident der SVP geworden und haben damit ein neues Amt angenommen. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Sie in diesem Amt andere Aufgaben und Perspektiven haben als früher. Trotzdem bin ich konsterniert und irritiert von der Haltung, die Sie und viele Andere von der SVP nun zur No-Billag-Initiative einnehmen.

Meines Erachtens geht es der SVP ja vor allem darum, die Schweiz in ihrer Eigenart, in ihrer Einzigartigkeit, in ihrer Identität, in ihrer Vielfältigkeit, vor allem aber auch den Zusammenhalt unterschiedlichster Regionen, Sprachgruppen etc., zu bewahren.

So,
– wie die Armee für einen Zusammenhalt der Schweiz sorgt,
– wie die von der Gemeinschaft finanzierte Landwirtschaft ein ‹Bindemittel› für die Schweiz ist,
– wie die SBB mit dem öffentlichen Verkehr den räumlichen Zusammenhalt stiftet,
– wie der Finanzausgleich die reichen und die ärmeren Gegenden der Schweiz in ein ganzes solidarisches Staatswesen einbindet, wo die reichen die ärmeren (fast) selbstverständlich unterstützen,

so ist auch das umfassende Medienangebot der SRG mit den TV- und Radioprogrammen in den vier Landessprachen (inklusive der lokalen Radio- und Fernsehstationen, die mit Gebühren unterstützt werden) eines der wichtigsten Mittel, um die ausreichende Meinungsbildung – die Grundvoraussetzung für eine direkte Demokratie – und damit den solidarischen Zusammenhalt der Schweiz überhaupt erst zu ermöglichen. All das seien doch Kernanliegen der SVP, hatte ich immer gemeint.

Nun aber wird die SVP von der No-Billag-Initiative eingespannt, lässt sich ‹missbrauchen›: von Leuten, die ihrerseits all diese Schweizer Werte mit Füssen treten. Bei den Initianten tritt eine Mentalität zu Tage, die auf einer unsolidarischen Grundhaltung basiert (man denke etwa an Hans-Ulrich Bigler und seinen nur zweisprachigen Gewerbeverband). Wo mit blauäugigen, neoliberalen, durch nichts bewiesenen Behauptungen argumentiert wird, der Konsument zahle dann schon, wenn er etwas hören oder sehen wolle.

Diese Mentalität, alles sollte möglichst gratis sein und man wolle nur für das bezahlen, was man selbst konsumiere, kommt m. E. von den Jungen der Internetgeneration, die mit Google, Facebook und dergleichen aufgewachsen ist. Wieso und woher sollten diese Leute auf einmal solidarische Gefühle entwickeln, wenn es ums Bezahlen für Minderheiten geht. Die Initianten der Initiative kommen aus einem neoliberalen, egoistischen, unsolidarischen, ’staatsfeindlichen› Lager. Es tönt fast wie die damalige Armeeabschaffungsinitiative. Diese Gratismentalität gepaart mit Unsolidarität ist eine gefährliche politische Mischung, die die Grundüberzeugungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft in Frage stellt.

Als Beispiel (das Albert Rösti direkt betrifft, die Red.): Würden diese ‹Gratismentalisten› teure schweizerische landwirtschaftliche Produkte bezahlen, wenn sie wählen könnten zwischen billigen ausländischen und teuren schweizerischen Produkten? Ein solches Experiment würde die SVP der Landwirtschaft sicher nie zumuten. Aber sie tut es mit der SRG.»

Und etwas weiter unten im Brief:

«Ist es wirklich ein Segen für die Medienlandschaft und die demokratische Meinungsbildung, wenn nur noch Gratisblätter wie ’20-Minuten› und ‹Blick am Abend›, und Gratisfernsehen aus dem Ausland wie 3+, RTL, Sat1, etc. existieren? Ist von diesen Kreisen nach Ihrer Einschätzung die Finanzierung einer guten Medienlandschaft zu erwarten? Würden dann nicht viele ärmere Bevölkerungsschichten auf ausländische Fernsehsender ausweichen, die sie gratis empfangen können?

Generell gesagt: Ist es nicht so, dass viele wichtige Aufgaben des Staates auf allen Ebenen, auf der Ebene der Gemeinden, der Kantone, des Bundes, einfach nicht rentieren können und auch nicht rentieren müssen – siehe Landwirtschaft (!), öffentlicher Verkehr, Bildung, Gesundheitswesen, Landesverteidigung?

Dass die SVP jetzt daran ist, diese unpatriotische, egoistische, mit allen Minderheiten unsolidarisch umgehende No-Billag-Initiative zu unterstützen, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Man mag von den einzelnen Personen in der SRG halten, was man will, man kann über Programme diskutieren und verschiedener Meinung sein, man kann über die Grösse, die Kosten, die Höhe der Gebühren und das Angebot unterschiedlicher Meinung sein. Dass man aber die Abschaffung und Zerstörung der SRG (und mit ihr auch vieler regionaler TV- und Radio-Stationen, der Filmförderung, etc.) in der SVP nicht nur in Kauf nimmt, sondern bewusst ansteuert, hätte ich von der SVP und von Ihnen, Herr Rösti, als oberstem SVP-Mann nicht erwartet.»

Ob der ehemalige Kollege von Albert Rösti den Brief, dessen Entwurf er mir zeigte, auch tatsächlich abgeschickt hat und in welcher Form, entzieht sich meiner Kenntnis. Nun ist er halt hier so etwas wie ein «Offener Brief …» geworden. Ich selber – meine Argumente kennt man – könnte ihn unterschreiben, ohne den ersten Satz natürlich.

Aber noch etwas:

Unter das Sperberauge «Die Reichen vertrauen auf Trump» schrieb ein kluger Leser den folgenden Kommentar: «Und das Tragische an der ganzen Geschichte: Gewählt wurde er (Trump) ja nicht wegen der wenigen superreichen Profiteure, sondern wegen den mausarmen einfachen Leuten auf dem Land. Aber das ist ja auch bei uns bekannt: Die einfachen Leute beten einen Multi-Milliardär an, der sich um ihre Bedürfnisse zuletzt kümmert.» Genau so ist es: Fast 30 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten wählen die SVP, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass der Vordenker und Guru dieser Volkspartei, ein Multimilliardär, auch dieses Mal die Interessen einiger Reichen vertritt und zuletzt die Interessen der breiten Bevölkerung.

– – – – – – –

Hier zum Bericht des «Echos der Zeit» – eine Sendung der SRG – über die Delegiertenversammlung der SVP am gestrigen Samstag. Einfach hier anklicken.


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4 Meinungen

  • am 29.01.2018 um 10:04 Uhr
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    Mit der Kritik an SRF hat die SVP geschafft, das Niveau der politischen Auseinadersetzung nach unten zu korrigieren. Die Kritik beschränkt sich auf Schlagwörter wie links, fett, Leuthard, Bevormundung, Moloch, zu teuer! Köppel, Chefredaktor der WW, muss sich bei Elmar Hörig, früher Moderator beim SWF, mit Zitaten bedienen, um die Schenkelklopfer zu bedienen. Kritik an SRF DRS ist richtig und wichtig. Nur muss Kritik fundiert sein, um etwas zu bewirken. Diese Kritik kommt von der SVP nicht. Beispielhaft dafür ist Fraktionschef Aeschi im SonnTalk auf TZ. Linkes Fernsehen ist Projer, der Moderator der Arena, der am austariertesten Sendung, in der auf die Sekunde geschaut wird, dass alle Teilnehmer gleich lang zu Wort kommen. In einer Sendung, in der das Parteiengefüge genauestens berücksichtigt wird, die Parteien die Teilnehmer bestimmen können. Resultat dieses Austarieren: die Sendung ist langweilig, kein wirkliches Diskussionsforum mehr, die TeilnehmerInnen von links bis rechts schwatzen nur noch ihre längst bekannten Positionen runter! Die SVP als grösste Partei verweigert sich der Verantwortung, am Staat, den Institutionen, konstruktiv mitzuwirken, zu kritisieren und zu verändern. Sie ist nicht in der Lage, demokratische Prozesse zu gestalten, sie ist nur in der Lage zu verhindern! Die Zustimmung für NoBillag mit 239 gegen 17 Stimmen dokumentiert nicht Überzeugung, sondern das Fehlen des politischen und demokratischen Diskurses und der Verantwortung für die Schweiz! Quo vadis, SVP?

  • am 29.01.2018 um 14:06 Uhr
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    NoBillag-Initiative JA: Der Koloss SRG lässt sich nicht anders bewegen!

    Die No-Billag-Initiative geht mir auch zu weit. Der Koloss SRG lässt sich leider nicht anders bewegen, da die meisten Politiker und Politikerinnen sowie andere, von der SRG abhängige Personen und Institutionen sich hüten, es mit der SRG zu verderben, um nicht von ihr abgestraft zu werden.

    Was ist in dieser Situation das Vernünftigste? No-Billag annehmen, um dem Parlament Beine zu machen, einen neuen Verfassungsartikel «Medien» vorzulegen, der eine abgespeckte SRG und das Überleben von privaten Qualitätsmedien konkret ermöglicht.

  • am 29.01.2018 um 17:59 Uhr
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    Nun sind wir, so wie ich das sehe, (wieder einmal) dazu aufgerufen das Schlimmste zu verhindern. Die Rechtsnationalen wollen die SRG killen um auf deren Grabhügel Lautsprecher zu installieren die ihrer Denkensart Vorschub leisten. Berlusconisierung nennt man das und für die Schweiz könnte man dann, auch ohne Christoph, von Blocherisierung reden.
    Mir macht das schon deshalb keinen Spass, weil die Rechtsnationalen, unabhängig vom Abstimmungsausgang, schon gewonnen haben. Die SRG wird den Geist dieses Angriffes von Rechtsaussen nicht los werden. Entscheidend für die Köppels ist, dass «die Abzocke», «der Staatssender», «die Zwangssteuer» etc. in die Köpfe einer Generation gelangt, für welche der Ausdruck «Solidarität», dank der medialen Neid- und Individualismus-Propaganda des letzten Jahrzehnts allenfalls noch für die Marke eines Brotaufstrichs, irgend ein alternatives Nutella, gehalten wird.
    Ja, ich werde gegen «No Billag» stimmen, aber für ein Medium, welches (Zitat) «eines der wichtigsten Mittel, um die ausreichende Meinungsbildung zu ermöglichen» sei, halte ich die SRG nicht, denn 10 vor 10 ist mittlerweile ein Infotainment-Magazin mit wenig Tiefgang geworden und die Tagesschau bewegt sich brav innerhalb ihres ideologisch bestimmten Korsetts.

  • am 29.01.2018 um 22:50 Uhr
    Permalink

    Gewohnte Strukturen erhalten liegt dem Menschen nahe. Aber…. wir sind mitten im Geschehen eines Paradigma Wechsels. Jeder Paradigma Wechsel erwischt uns auf dem falschen Fuss, tut weh, hinterlässt Leichen…. ist aber auch das Tor in die bereits begonnene Zukunft….. ist also auch Gegenwart. Das ist die Gegenwart, in der wir leben, ohne all ihre Eigenheiten schon verinnerlicht zu haben. Wir leben im Zeitalter der Digitalisierung, sprechen aber von der kommenden Digitalisierung. Beispiele: Die Technik des über 100 Jahre alten Telefons ist vom Internet abgelöst worden, Analoge Radio- und TV- Signale sind abgeschaltet. Wir kommunizieren mit dem Handy in Bild und Ton mit anderen Kontinenten. Die gesamte Infrastruktur -von der Bank über die öffentliche Verwaltung bis zum Stromnetz und der Bahn- ist digitalisiert, die LP und CD muten längst fossil an. Ohne funktionierende digitale Geräte und Netzte steht unser Alltag still. Auch die Medienlandschaft wird seit Jahren durch die Digitalisierung umgepflügt. Nur das 1,6 Mia. teure System SRG beruht auf der über 100 jährigen Organisationsidee. Das ist ein Schlag in das Gesicht der heutigen Medienwelt. Meine Vision: Der Bund stellt CHF 400 Mio. zur Verfügung. Damit werden Informationen, Politik und Kultur verbreitet. Unterhaltung, Glanz und Gloria, Sport usw. werden beim Kabelanbieter abonniert. 200 Mio. darf sich Bern mit einem Zuschlag bei der Bundessteuer zurück holen. Resultat: Inkassokosten null, sozial vorbildlich.

    ©Peter Geissmann: Ausnahmsweise erlaube ich mir, hier direkt eine Antwort zu geben. Die Digitalisierung ist da. Da haben Sie recht. Die SRG hat ihre Technik weitestgehend digitalisiert. Viele Radioprogramme kommen z.B. nicht mehr über UKW, sondern über DAB etc. Ihre Online-Plattform durfte die SRG nicht weiter ausbauen, die privaten Medien-Unternehmen haben dagegen mit Erfolg interveniert! Aber was hat das mit der Finanzierung der SRG zu tun? Das sind zwei Paar Stiefel. Es geht um den Inhalt der Sendungen. SVP-Stratege Christoph Blocher hat jede Menge Gratis-Wochenanzeiger gekauft, die noch auf Papier gedruckt werden, da basieren nur gerade die Setzmaschinen auf digitaler Technik. Aber die Gefahr besteht, dass dann der Inhalt vor Abstimmungen von Christoph Blocher kommt, zwar wie vor 50 und 100 Jahren auf Papier, aber eben politisch einseitig. Und andere Medienhäuser werden nur noch bringen, was profitabel ist. Berlusconi lässt grüssen. Christian Müller

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