Kommentar
Giftiger Weltwoche-Mix – Köppel will nicht malen.
Wer ab und zu oder auch regelmässig kocht, kennt das: Nicht richtig eingekauft. Der Kühlschrank etwas zu aufgeräumt. Also mixen, was der zufällige Notvorrat hergibt. So werden neue Delikatessen gefunden. Aber auch Ungeniessbares oder Giftiges kreiert. Letzteres ist dem promovierten Literaturwissenschaftler Philipp Gut in der neusten Ausgabe des Magazins von der Zürcher Förrlibuckstrasse passiert. Aus den landesweit verhandelten «Fällen» Geri Müller, Jolanda Spiess-Hegglin und Jonas Fricker mischt der stellvertretende Chefredaktor der Weltwoche, vermutlich ohne künstlerische Ambitionen, die «Skandalfarbe Grün». Und verallgemeinert dann, vielleicht durch Farbenblindheit beeinträchtigt, aufgrund dieser für ihn offensichtlich repräsentativen Auswahl kühn: «Die saftigsten Polit-Affären der letzten Jahre haben grüne Hauptdarsteller.»
Zutaten zu einem politischen Süppchen
Blöd nur, dass in zwei der drei Eklats der Schweizer Presserat eine Verletzung der Privat- und Intimsphäre – Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» – durch die Schweiz am Sonntag beziehungsweise den Blick festgestellt und entsprechende Beschwerden gutgeheissen hat. Gut selbst ist im Mai dieses Jahres, nicht zum ersten Mal, «wegen übler Nachrede verurteilt» worden (Tagesanzeiger, 16.5.2017). Der Richter hielt fest: «Der Beschuldigte stellte knallharte Tatsachenbehauptungen auf, die er nicht beweisen konnte.» Dies in der sogenannten «Zuger Sex-Affäre», in der bis heute nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob es sich um eine Vergewaltigung oder einen «Fehltritt» handelt. So und so – zwei der Politskandale erweisen sich als mediales Foulspiel, und das Skandalgrün blättert, noch bevor es trocken ist. Guts Artikel – ein durchschaubarer Versuch, aus den zufällig verfügbaren Zutaten ein politisches Süppchen zu kochen und der Grünen Partei eine äusserst «positive» Skandalbilanz zuzuschreiben.
Immerhin lässt der Journalist mit Grünfilter vor den Augen den Politologie-Professor Adrian Vatter darauf hinweisen, dass auch die Partei am anderen Ende des Farbenspektrums «einige Skandale zu verzeichnen hatte». Allerdings ohne den Mann zu erwähnen, der sich mehrfach in einer Art und Weise geäussert hat, die am ehesten dem unseligen Schweine-Vergleich Jonas Frickers gleicht, sich aber dafür noch nie auch nur ansatzweise entschuldigt hat: Christoph Blocher. Kein Grund allerdings, mit dem grünen Nationalrat Mitleid zu haben (weil er in der falschen Partei ist) oder ihn, aufgrund seines Rücktritts, schon fast als Helden zu feiern. Wer die Ermordung von Millionen von Menschen instrumentalisiert, um die Massentierhaltung zu skandalisieren (das zu Recht); wer nicht bedenkt, dass die Gleichsetzung von Mensch und Tier – bei aller berechtigten Kritik an der Überordnung des Menschen – selten der besseren Behandlung von Tieren, sondern dem Abschlachten von Menschen den Boden bereitete, kann sich nicht mit Naivität und eilfertigen Entschuldigungen entlasten. Ein «Fauxpas» (Fricker im Interview mit der Aargauer Zeitung, 29.9.) ist solche Rede an einem nationalrätlichen Mikrofon nicht. Da müssten ernsthaftere Konsequenzen gezogen werden. Das, immerhin, hat Jonas Fricker, anders als andere, getan.
Jedem seine Nazikeule
Ganz im Gegensatz zu Christoph Blocher (siehe Infosperber, 10.5.2016). Der bestätigte im April 2016 bei Schawinski und auf Teleblocher, seine Aussagen «wohlüberlegt» und «mit Bedacht» gemacht zu haben. Nach der unerwarteten Abstimmungsniederlage im Februar 2016 (Durchsetzungsinitiative) erklärte er in einem in der Zürichsee– und in der Berner Zeitung veröffentlichten Interview: «Der Kampf gegen die SVP vonseiten der Staatsmedien und von Blick bis zur NZZ hat mich in ihrer Radikalität an die Methoden der Nationalsozialisten den Juden gegenüber erinnert.» Im Blick setzte er noch einen drauf: «Statt ‹Kauft nicht bei Juden› heisst es heute ‹Stellt keine SVP-ler als Uni-Professoren an.›» Trotz kurzer medialer Aufregung und einiger empörter Zwischenrufe in der eigenen Partei hielt er fest: «Was soll ich bedauern? Die Aussage ist richtig. Man kann natürlich darüber streiten, ob man das Richtige auch öffentlich sagen soll. Ich habe mich dazu entschlossen, um weiteres Unheil zu verhindern» (Blick, 18.4.2016). Dem (un)heimlichen Vorsitzenden der SVP, der sich da als Winkelried inszeniert, hat das wiederholte Schwingen der Nazikeule nicht wirklich geschadet.
Dass Gut ihn in seiner (grünen) «Skandalbilanz» in der aktuellsten Nummer der Weltwoche nicht erwähnt, hat nicht nur farbästhetische Gründe – in der vorletzten Ausgabe hat auch der Chefredaktor und Besitzer des rechten Kampfblatts bei seinem neusten Intellektuellenbashing mit dem Titel «Die Dummheit der Gescheiten» den grössten Diffamierungshammer ausgepackt, den die Welt seit 1945 kennt. (Immerhin lässt er sich eine Woche später in einer «Replik auf seine Philippika voller Irrtümer» im eigenen Blatt von René Zeyer als Intellektuellen apostrophieren.)
In der Weltwoche 1/2016 tippte der Journalist Köppel noch fasziniert den IQ des Hauptkriegsverbrechers Hermann Göring in sein Neujahrs-Editorial, 140, und bezog dafür verbale Prügel. Vor allem von Intellektuellen. Im Tagi-Gespräch zum Jahreswechsel 2016/17 (mit SP-Ständerat Daniel Jositsch) verabschiedete sich der SVP-Nationalrat aus der sogenannten Elite, zu der alle andern gehörten – «die Medien, die Intellektuellen, die Politiker – so ziemlich alle. Ausser ich» (siehe Infosperber, 25.1.2017). Im Oktober 2017 rechnet der studierte Köppel – späte Rache? – mit den Intellektuellen, teilweise namentlich, definitiv ab: «Intellektuelle sind nachweislich irrtumsanfälliger als Nichtintellektuelle.» Mit Blick auf jene «Geistesfürsten», die sich für den Nationalsozialismus und andere Totalitarismen begeisterten, notiert er: «Wenn es eine Lektion aus der Geschichte gibt, dann ist es die: Niemand lässt sich einfacher verführen als eine Gruppe eingebildeter Intellektueller.» Über all jene Schriftstellerinnen, Schauspieler, Akademikerinnen und anderen Intellektuellen, die heimlich oder offen widersprochen, innerhalb und ausserhalb Deutschlands Widerstand geleistet haben, aus dem «Tausendjährigen Reich» geflohen oder in dessen Lagern umgekommen sind – kein Wort. Dafür lässt er das ultimative Fallbeil niederdonnern: «Hitler war ein Intellektueller.»
Was will er damit suggerieren? Auch Hitler hat sich (nur) geirrt? Alle Intellektuellen – kleine Hitler? Was wäre schlimmer? – Ein Schelm, wer denkt, die Köppels wären besser (Flach-)Maler geworden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Köppel: «Intellektuelle sind nachweislich irrtumsanfälliger als Nichtintellektuelle.»
Das dürfte so eine falsch interpretierte Statistik sein. Intellektuelle machen viel mehr schriftliche Aussagen als Nichtintelektuelle und beschäftigen sich mit sehr Vielem. Da ist es klar, dass sich darunter auch Irrtümer befinden und in absoluten Zahlen lassen sich somit solche leichter nachweisen als bei den wenigeren und oftmals mündlichen Aussagen von Nichtintelektuellen.
Ein Funke Wahrheit steckt insofern in Köppel’s Aussage, dass Intelektuelle wie z.B. Professoren oder Berater oft zu Gebieten befragt werden, von denen sie nicht viel wissen, und somit viel beachtete Irrtümer entstehen können.
Populismus – das neue Feindbild unserer Eliten
Sogenannte Populisten stellen die politische Themensetzung und Deutungshoheit der Hauptstrom-Journalisten, Politiker und Kulturgrössen (Eliten) infrage. Wo die dringende Lösung politischer Probleme verschleppt wird oder Probleme verharmlost werden, reagieren diese „Populisten“ und ihre Anhänger verständlicherweise verärgert. Ihr Ärger ist als Aufruf zum Handeln für die verantwortlichen Politiker und Politikerinnen zu verstehen. Da sie diesen Ärger heute auf den sozialen Medien verbreiten können statt wie früher die Faust im Sack zu machen, meinen unsere Eliten, diese Sorte Leute an den Pranger stellen zu müssen.