Geröllhalde im Garten: Feind der Tiervielfalt
Einst war der Steingarten eine Erfindung von Enthusiasten: Nachdem sie die Alpen als Naturerlebnis entdeckt hatten, wollten sie ein Stück Gebirgswelt in den Garten holen. Steine sollten die Felsen imitieren, zwischen denen sich Bergblumen wie Alpen-Leinkraut, Enzian, Hauswurz- und Steinbrech-Arten einfügen.
Der aktuelle Steingarten hingegen orientiert sich eher an einer Geröllhalde, in der einzelnen Pflanzen das Überleben gelingt, die meisten Bodentiere aber keine Chance haben. So präsentiert sich mancher vormals grüne Vorgarten heute als graue, gelbliche oder schwarzweiss gesprenkelte Fläche. Beliebt sind auch Arrangements aus rotem und grünem Schotter. Die nur mit wenigen Pflanzen – oft Nadelbäumchen – verzierten Flächen strahlen die Botschaft aus: Hier ist und bleibt es sauber, ohne dass man etwas dafür tun muss.
Am Schluss greifen manche zu illegalen Spritzmitteln
Die Idee, ein Schottergarten sei pflegeleicht, ist allerdings trügerisch: An schattigen oder feuchten Standorten gedeiht bald Moos oder Gewächs, das gemeinhin als Unkraut gilt. Deshalb empfehlen Gartenfachleute solche Schotterflächen nur für südexponierte Lagen, wo die Sonne Unkrautkeimlinge verdorren lässt. Ausserdem betreiben sie einigen Aufwand, damit die Steinflächen dem Unkrautdruck länger standhalten: Die «Fachleute» führen den Oberboden ab, der Samen enthält, und ersetzen ihn durch eine mindestens zehn Zentimeter dicke Steinschicht. Um das Hochwachsen von Winden, Quecken und Schachtelhalm zu verhindern, legen sie ein Unkraut-Vlies zwischen Steine und Unterboden.
Der Kundschaft empfehlen die Gärtner, zugewehtes Laub zu beseitigen, um die Humusbildung zu verzögern. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis unerwünschte Kräuter trotzdem Erde zum Keimen finden. So kommt, wer sauberen Stein will, ums Jäten nicht herum. Unkrautvertilger zu spritzen, kann illegal sein. Denn wo Spritzmittel leicht versickern können, sind sie verboten. Das ist dann der Fall, wenn unter den Steinen keine starke Humusschicht liegt.
Aufgesetzt und leblos
Vielfach muss die neue Anlage möglichst kostengünstig sein. Dann setzen die Auftraggeber bei der Wahl des Steins auf den günstigsten Schotter. Oder sie wünschen sich ganz im Gegenteil etwas Exklusives. Dabei lassen sie ausser Acht, ob das Gestein für die Region typisch ist oder aufgesetzt wirkt.
Aus dem steinigen Trend resultieren aber nicht nur ästhetische Wüsten. Auch der Natur ist ein solcher Umschwung abträglich. Einerseits erfordert der Gesteinsabbau einen hohen Aufwand an Energie und schlägt Wunden in die Landschaft. Andererseits sind die karg bepflanzten Steinflächen lebensfeindlich: Ob Honig-Bienen oder andere Lebewesen: Kaum ein Tier findet hier Lebensraum und Nahrung. Für Kinder gibt es nichts zum Beobachten und nichts zum Spielen. Liegt das Schotterfeld neben der Terrasse, kann es auch unangenehm einheizen. Aus all diesen Gründen wären Alternativen vorzuziehen. Zum Beispiel eine andere Art «Steingarten», der ebenfalls wenig Arbeitsaufwand bereitet: Eine Kiesfläche, auf der sich einheimische Pionier- und Magerrasenflora ausbreiten darf.
Teilen Sie uns Ihre Meinung und Ihre Erfahrungen dazu mit.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Ist im Naturschutz aktiv und berät eine Gemeinde für eine naturnahe Umgebungsgestaltung.
Danke für diesen Text, der hoffentlich ein paar Augen (und Herzen) öffnet!