Mühlemann-Arena

Für wen arbeitet er? FDP-Ständerat Benjamin Mühlemann in der SRF-Sendung Arena vom 6. Dezember 2024. © SRF Arena

Ganz legal: Ständerat kann Insiderwissen geheim verkaufen

Pascal Sigg /  FDP-Ständerat Benjamin Mühlemann arbeitet neu für eine Lobbyingagentur. Welchen Kunden er hilft, bleibt vorerst verschleiert.

Auf seiner Website präsentiert sich der Glarner FDP-Ständerat und ehemalige Landammann Benjamin Mühlemann als offener, konstruktiver Volksvertreter.

«Die Richtschnur für mein politisches Engagement», so schreibt der ehemalige Journalist, «heisst mit den Leuten, für die Leute, bei den Leuten». Denn ich bin überzeugt: Gradlinige Informationen, offene Diskussionen und ein konstruktives Miteinander führen zu kreativen Lösungen für unser Land und für meinen Heimatkanton.»

Doch dieses Bild bekommt nun Risse. Denn Mühlemann vertritt neu auch weitere Interessen. Er ist seit Anfang Jahr nämlich offiziell Lobbyist bei der Agentur IRF. Diese unterstützt potente internationale Grossunternehmen. Zu den Kunden gehören Firmen wie Goldman Sachs, Saxo oder Swiss Life.

Der Verein Lobbywatch, der sich für Transparenz in der Schweizer Politik einsetzt, sieht Mühlemanns Nebenjob kritisch. «Falls Ständerat Benjamin Mühlemann Kunden der Agentur IRF in ihrer Kommunikation gegen aussen berät, ist das unproblematisch. Falls er aber für Kunden der Agentur IRF im Bundeshaus lobbyiert, ist das problematisch. Anders als bei seinen Ämtern ist dann nämlich für die Wählerschaft nicht ersichtlich, welche privaten Interessen er im Bundeshaus vertritt», sagt Co-Präsidentin Priscilla Imboden.

Public Affairs: Politik im Dienste von Unternehmen

Gemäss Meldung seines Arbeitgebers steht bei Mühlemanns Job tatsächlich Lobbying im Vordergrund. Sein neuer Titel: Senior Advisor Public Affairs.

Gemäss der Agentur IRF selber handelt es sich beim Public-Affairs-Angebot um konkrete politische Einflussnahme. Die Agentur schreibt auf ihrer Website darüber: «Der regulatorische Druck nimmt weltweit zu. Das Management politischer Risiken und Prozesse wird für Unternehmen immer wichtiger. IRF kombiniert Politik-, Kapitalmarkt- und Branchenexpertise für Kunden, die an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Regierung tätig sind, und erweitert deren Handlungsspielraum.»

Als Tätigkeitsschwerpunkte im Bereich Public Affairs nennt IRF:

  • Beratung bezüglich Strategie, Organisation und Prozesse
  • Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern
  • Interessenvertretung in wirtschaftspolitischen Prozessen
  • Sensibilisierung von Behörden und Öffentlichkeit
  • Monitoring der politischen Agenda.

Dass Mühlemann als Parlamentarier dabei eine grosse Unterstützung sein kann, ist unbestritten.

Stefan Mathys, Partner bei IRF, sagt in einer Mitteilung: «Mit seiner umfangreichen Erfahrung, seinem politischen Leistungsausweis sowohl als Parlamentarier wie auch als Exekutivpolitiker und seinem exzellenten politischen Netzwerk ist Benjamin Mühlemann für uns und unsere Kunden eine Bereicherung.»

Mühlemann sitzt in der Finanzkommission des Ständerats und hat damit Einblick in komplexe politische Geschäfte mit potenziell grossem Einfluss auf in der Schweiz tätige Unternehmen. Als Parlamentarier hat er auch Zugang zu Informationen über die Arbeit anderer Kommissionen. Diese Informationen sind grundsätzlich geheim und für die Öffentlichkeit und Medien nicht zugänglich.

Mit anderen Worten: Seiner neuen Kundschaft bietet Mühlemann einen Wissensvorsprung gegenüber seiner Wählerschaft. Zudem können Unternehmen via Mühlemann Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen.

Mühlemann teilt Infosperber mit, dass er «etwa anderthalb Tage pro Woche» für IRF arbeiten wird. Es handle sich um eine Anstellung in seinem erlernten Beruf als Kommunikator. «Als Ständerat ist man Milizparlamentarier. Parallel dazu im Erwerbsleben verwurzelt zu sein, ist erwünscht und sinnvoll. Die Transparenzvorgaben des Parlaments tragen dazu bei, dass das in Einklang steht und die Öffentlichkeit informiert ist.»

Für wen arbeitet Mühlemann?

Infosperber wollte von Mühlemann deshalb wissen: Werden Sie Ihre Mandate offenlegen?

Mühlemanns Antwort lautete nicht etwa «Ja» oder «Nein».

Sondern: «Wie für alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier gilt für mich die Offenlegungspflicht gemäss Parlamentsgesetz.»

Dazu muss man wissen, dass die Parlamentsmitglieder ausserparlamentarische Mandate zwar offenlegen müssen. Dies beschränkt sich aber auf eine Eigendeklaration. Ob ein Job offenlegungspflichtig ist, entscheidet also Mühlemann selber. Keine offizielle Stelle überprüft die Angaben auf Vollständigkeit oder Korrektheit. Dafür kritisiert die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (Greco) die Schweiz regelmässig. Einzig der Verein Lobbywatch schaut genauer hin und fand allein 2024 über 200 nicht deklarierte, aber deklarationspflichtige Mandate.

Das Parlamentsgesetz verlangt auch bloss, dass Ratsmitglieder allfällige Nebenjobs bei Amtsantritt und zu Jahresbeginn deklarieren. Mühlemann trat seine Stelle Anfang 2025 an. Das Parlamentsgesetz lässt ihm also noch ein Jahr Zeit mit der Transparenz.

Infosperber fragte Mühlemann Mitte Januar auch: Für welche Kunden werden Sie tätig sein?

Der Ständerat sagte dazu: «Das ist noch offen.»

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Pascal Sigg ist Mitglied von Lobbywatch.
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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

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