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Cronenberg (BP) und Hartl (Erdöl-Vereinigung): Bundesrat legt Klimapolitik in ihre Hände © bp/ev

Erdöl-Lobby liefert Klima-Trauerspiel in 7 Akten

Kurt Marti /  Der Bundesrat macht weiterhin den Bock zum Gärtner: Die Erdöl-Vereinigung, BP und die Migrol sollen die Klimapolitik umsetzen.

1. Akt: Die Verhinderer

Am 1. Mai 2000 trat das CO2-Gesetz in Kraft, das bis 2010 eine Reduktion der Treibstoffe (Benzin, Diesel) um 8 Prozent und der Brennstoffe (Heizöl) um 15 Prozent im Vergleich zu 1990 verlangte. Der damalige Economiesuisse-Präsident Andres F. Leuenberger lobte in der NZZ vom 15. August 2000 das CO2-Gesetz und trat für «die Einführung echter Lenkungsabgaben» ein. Auch der damalige FDP-Nationalrat und spätere Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer bezeichnete am 7. September 2000 in der Weltwoche das CO2-Gesetz als «marktwirtschaftlich sauberen Weg».

Mit ihrem scheinheiligen Credo für marktwirtschaftliche Massnahmen wollten Leuenberger und Bührer die Annahme der drei energiepolitischen Vorlagen (Solarrappen, Förderabgabe und Energielenkungsabgabe) verhindern. Ihre Strategie ging voll auf: Das Volk lehnte im September 2000 die drei Vorlagen ab. Die Erdöl-Lobby durfte sich zusammen mit den Wirtschaftsverbänden freuen – und sich für weitere Verhinderungs-Aktionen gegen einen wirksamen Klimaschutz rüsten.

2. Akt: Die Verzögerer

Bereits im Jahr 2002 war klar, dass der CO2-Ausstoss der Treibstoffe trotz CO2-Gesetz markant anstieg. Gemäss Artikel 6 des CO2-Gesetzes hätte der Bundesrat eine CO2-Abgabe auf Treibstoffe einführen müssen. Da rissen die Erdöl- und Autolobbyisten unter der Federführung von Rolf Hartl, dem damaligen Geschäftsführer der Erdöl-Vereinigung, die Klimapolitik eigenmächtig an sich. Es folgte ein verlorenes Jahrzehnt konsequenter Verzögerungstaktik. Energieminister Moritz Leuenberger und sein Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) liessen sich einen mickrigen Klimarappen aufschwatzen, und zwar gegen die Stellungnahme der bundesrätlichen Expertenkommission in Klimafragen (OcCC), welche den Klimarappen ablehnte und eine CO2-Abgabe forderte.

Die Böcke spielten sich als Gärtner der Schweizer Klimapolitik auf! Im Stiftungsrat des Klimarappens nahmen im Jahr 2005 die damaligen, klimapolitischen Verhinderer Platz: Rolf Hartl und Ronald Ganz, der neue und alte Präsident der Erdöl-Vereinigung, sowie Cemsuisse-Direktor Georges Spicher. Später kamen der Economiesuisse-Direktor Pascal Gentinetta, der TCS-Präsident Niklaus Lundsgaard-Hansen und Henrique Schneider vom Schweizerischen Gewerbeverband hinzu. Präsident der Stiftung wurde der frühere seco-Chef und CS-Verwaltungsrat David Syz. Als Geschäftsführer der Stiftung wurde Marco Berg gekürt, ein früherer Mitarbeiter der Erdöl-Vereinigung.

3. Akt: Die Versager

Sieben Jahre später, im Januar 2012, trat Energieministerin Doris Leuthard vor die Medien und musste zugeben, dass die Ziele zur Senkung des CO2-Ausstosses weit verfehlt wurden (siehe Link unten). Als Hauptgrund nannte sie den Privatverkehr, dessen Ausstoss gemäss CO2-Gesetz um acht Prozent hätte sinken müssen, aber leider um rund 13 Prozent gestiegen war. Statt der gesetzlich vorgeschriebenen 14,2 Millionen Tonnen CO2 lagen die Treibstoff-Emissionen bei 17,4 Millionen Tonnen. Die selbsternannten Klimaschützer hatten kläglich versagt.

4. Akt: Die Retter

Um die Ziele des CO2-Gesetzes dennoch einhalten zu können, rief Leuthard ausgerechnet die Stiftung Klimarappen zu Hilfe und griff tief in die energiepolitische Trickkiste: Die Stiftung sollte bis Ende 2012 die CO2-Emissionen mehrheitlich im Ausland kompensieren. Dafür musste in aller Eile noch die Anrechnungsverordnung angepasst werden.

Die Erdöl- und Autolobby, welche über ein Jahrzehnt eine wirksame Klimapolitik verhindert hatte, durfte sich als Retterin in der Not aufspielen. Die klimapolitischen Verhinderer und Versager wurden auch noch belohnt. Selbst dem Bundesrat war es angesichts solcher Absurditäten gar nicht recht. In einer Medienmitteilung schilderte er sein Dilemma: Als Alternative zum Auftrag der Stiftung Klimarappen sehe «das aktuelle CO2-Gesetz die Einführung einer CO2-Abgabe auf Treibstoffe vor». Diese könne aber erst über eine längere Zeit ihre Wirkung entfalten, «weshalb der Bundesrat einem weiteren Zusatzvertrag mit der Stiftung Klimarappen den Vorzug gab». Im Klartext: Der Bundesrat war der Ansicht, dass er eigentlich eine CO2-Abgabe hätte einführen müssen. Nur aus zeitlichen Gründen gab er dem Ablasshandel über die Stiftung Klimarappen den Vorzug. Wäre ihm diese Einsicht zehn Jahre früher gekommen, hätte er auf diese Ausrede verzichten können.

5. Akt: Die Erfolgreichen

Im Sommer 2013 musste Bundesrätin Leuthard definitiv eingestehen, dass die CO2-Ziele gemäss CO2-Gesetz «nicht erreicht» wurden. Trotz Ablasshandel durch die Stiftung Klimarappen mittels ausländischen Emissionszertifikaten waren die CO2-Emissionen der Treibstoffe nur 6,6 Prozent tiefer als 1990, das heisst das Ziel von 8 Prozent wurde klar verfehlt. Nur durch billige Ausland-Zertifikate konnte der Bundesrat und die Erdöl-Lobby das Debakel notdürftig kaschieren.

Deshalb erstaunte im November 2013 eine Medienmitteilung mit dem Titel «Die Stiftung Klimarappen erfüllt Ziele zur Verminderung der CO2-Emissionen» nicht wenig. Die Lobrede auf die Stiftung Klimarappen stammte vom UVEK (siehe Link unten). Obwohl also das Treibstoff-Reduktionsziel gemäss CO2-Gesetze wegen der jahrzehntelangen Obstruktionspolitik der Erdöl-Lobby verfehlt wurde, brachte diese das Kunststück fertig, sich obendrein vom UVEK als die Erfolgreiche loben zu lassen

6. Akt: Die Erben

Nachdem die Versager und Verhinderer offziell als die Erfolgreichen hervorgingen, traten sie im Auftrag des Bundes gleich das eigene Erbe an. Anstelle der Stiftung Klimarappen trat im Januar 2013 die Stiftung Klimaschutz und CO₂-Kompensation (KliK), welche auf der Grundlage des revidierten CO2-Gesetzes erneut für die Reduktion der Treibhausgase aus den Treibstoffen Benzin und Diesel sorgen soll. Die Erdöl- und Autolobby hatte nämlich im National- und Ständerat (2010/2011) durch Referendumsdrohungen die Einführung einer CO2-Abgabe erneut torpediert, obwohl der Bundesrat dafür war.

Der Bock bleibt also weiterhin der Gärtner. Im Klik-Stiftungsrat sitzen selbstverständlich die Vertreter der Treibstoffbranche: Klik-Präsident ist Rolf Hartl, der Präsident der Erdöl-Vereinigung. Neben ihm sitzen Constantin Cronenberg, CEO BP Switzerland, Daniel Hofer, Unternehmensleiter Migrol AG und Jürg Klossner, Vorsitzender der Geschäftsleitung A.H. Meyer & Cie AG im Klik-Stiftungsrat.

Trotz der negativen Erfahrungen seit 2000 legt der Bundesrat den Vollzug der Klimapolitik im Bereich der Treibstoffe weiterhin vertrauensvoll in die Hände derjenigen, die aus betriebswirtschaftlichen Gründen gar nicht an einer Reduktion des Benzin- und Dieselverbrauchs und des CO2-Ausstosses interessiert sein können. Beispielsweise der Benzinverkauf von BP Schweiz stieg von 2010 bis 2012 um satte 11 Prozent.

7. Akt: Die Klagenden

Weil das revidierte CO2-Gesetz die CO2-Reduktionen im Inland verlangt, kommt die Stiftung Klik nun in Schwierigkeiten. Das CO2-Reduktionsziel bis 2020 ist ernsthaft in Gefahr. Deshalb stimmte die Stiftung Klik im Tagesanzeiger und Bund vom 24. März 2014 ein Klagelied über die geringe Zahl der Inland-Projekte zur CO2-Kompensation des Privatverkehrs an (siehe Link unten).

Das Wehklagen der Erdöl-Lobby mutet geradezu grotesk an. Normalerweise singt sie zusammen mit dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse das hohe Lied der Marktwirtschaft. Doch ausgerechnet die Sänger des Marktes haben ja den aktuellen, bürokratischen Klima-Leerlauf vorgeschlagen, um die wirklich marktwirtschaftliche Lösung der CO2-Abgabe zu verhindern. Und nun klagen sie über die selbst inszenierte Bürokratie. Um den CO2-Ausstoss des Privatverkehrs zu senken, suchen sie umständlich nach Kompensationen in allen möglichen Bereichen. Zum Beispiel bei der Abfalldeponie in Bever (GR), die klimaschädliches Methan neutralisiert. Gleichzeitig steigt aber der CO2-Ausstoss des Verkehrs – der eigentlich gesenkt werden müsste! – weiterhin an.

Epilog

Zum Schluss stellen sich zwei Fragen:


  1. Wieso wird der CO2-Ausstoss nicht dort gesenkt, wo er gemäss Gesetz gesenkt werden müsste, nämlich beim Benzin und Diesel?

  2. Wieso werden dafür nicht die marktwirtschaftlichen Instrumente eingesetzt, welche von den Wirtschaftsverbänden stets angepriesen werden, sondern die bürokratischen Subventions-Monster, vor denen uns dieselben Interessenverbände stets warnen?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Klimapolitik kritisch hinterfragt

Die Menschen beschleunigen die Erwärmung der Erde. Doch kurzfristige Interessen verhindern griffige Massnahmen.

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3 Meinungen

  • am 28.03.2014 um 17:50 Uhr
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    Einmal mehr eine sehr (zu)treffende Beschreibung eines eigentlichen Skandals durch Kurt Marti. Sagenhaft, wie erfolgreich die Erdölvereinigung und die Autolobby in dieser Sache waren und weiterhin sind. Sie arbeiten super, verdienen dafür schon fast Respekt, so zu sagen.
    Das wahre Problem liegt beim Bundesrat, Leuenberger und ganz besonders Leuthard, die laufend das CO2-Gesetz brechen — ungestraft bisher, abgesehen von seltener treffender Zurschaustellung (der Artikel). Den Links im und unter dem Artikel nachzugehen belohnt mit weiteren Highlights.

  • am 30.03.2014 um 11:55 Uhr
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    Das Volk lehnte 2000 vernünftige Massnahmen ab, nicht der Bundesrat.
    Dass hier für die heilige Kuh Auto wunderhübsche Ställe im Chalet-Stil gebaut werden, mag ja noch putzig sein. Aber, dass die Zerstörungskraft des übertriebenen Autogebrauchs auf Kosten der Landschaft, der Lungen, des Klimas und unzähliger, fahrlässiger Unfälle immer wieder schöngeredet wird, ist unverzeihlich. Da machen wir es uns bei den demokratischen Entscheidungen zu einfach: bequem.

  • am 30.03.2014 um 15:44 Uhr
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    Es mag sein, dass die Energielenkungsabgabe, die das Volk 2000 ablehnte, besser gewesen wäre als das CO2-Gesetz. Sicher ist das aber nicht, denn eine Abgabe auf Energie ist vergleichbar mit einer Abfallsackgebühr: Sie ist besser als nichts, aber sie ist nicht zielgerichtet.
    Wie Kurt Marti richtig erwähnt, stand die Energielenkungsabgabe 2000 indirekt in Konkurrenz zum CO2-Gesetz. Zum CO2-Gesetz hat sich das Volk nie explizit geäussert, da es über dieses kein Referendum gab. Dass es kein Referendum gab, ist aber eine implizite Willensäusserung.

    Der Bundesrat und das Parlament und «die Wirtschaft» (wer immer das ist, ja wer eigentlich ist das?) haben hingegen (anschliessend an die verloren gegangenen Abstimmungen von 2000!) das CO2-Gesetz gezielt und absichtlich hintertrieben, durch die gestufte Revision des Gesetzes und Ausführungsbestimmungen die hart an der Grenze des demokratisch Zulässigen sind. An den verschiedenen Revisionen des Gesetzes lässt sich das «Trauerspiel» gut nachvollziehen. Eine Abgabe auf Treibstoffe ist nun im Gesetz zwar noch erwähnt, aber nicht mehr vorgesehen.

    Es gibt klar Schuldige und die Bevölkerung steht dabei eindeutig nicht in der vorderen Reihe. Der Bevölkerung kann aber vorgeworfen werden, das «Trauerspiel» allzu gleichgültig hingenommen zu haben. Das muss sich ändern, zusammen mit der korrekten Beantwortung der Schuldfrage, um in der Schweiz beim Klimaschutz Fortschritte zu machen.

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