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Tamoil-Manager Jürg Hornisberger, Migrol-Chef Daniel Hofer, KliK-Chef Marco Berg: «Bürokratismus» © KliK

Erdöl-Lobby demontiert ihre eigene Treibstoff-Abgabe

Kurt Marti /  Die fossile Lobby verhinderte eine CO2-Lenkungsabgabe mit einer minimalen Abgabe. Jetzt klagt sie über deren Bürokratie.

Eigentlich könnten sich die Vertreter der Auto- und der Erdöl-Lobby auf die Schultern klopfen. Denn sie haben es geschafft, eine wirksame CO2-Lenkungsabgabe auf Benzin und Diesel zu verhindern und stattdessen eine Mini-Abgabe von nur 1,5 Rappen pro Liter durchzusetzen. Von 2005 bis 2012 taten sie das mit dem Klimarappen der «Stiftung Klimarappen» (siehe Kasten unten) und von 2013 bis heute mit der CO2-Kompensations-Abgabe der Stiftung «Klimaschutz und CO2-Kompensation» (KliK), in deren Stiftungsrat ausschliesslich Vertreter der fossilen Lobby sitzen.

Laut dem aktuellen Entwurf des CO2-Gesetzes soll dieses System im Wesentlichen bis 2030 weitergeführt werden, dies obwohl die Ziele zur Senkung des CO2-Ausstosses des Privatverkehrs bis Ende 2020 weit verfehlt werden. Eine wirksame CO2-Lenkungsabgabe auf Benzin und Diesel hingegen, die im Gegensatz zum Klimarappen beziehungsweise zur CO2-Kompensations-Abgabe sozialverträglich an die Bevölkerung zurückerstattet wird und zudem Sparsame belohnt und Vielverbraucher belastet, eine solche Lenkungsabgabe sucht man im Entwurf des CO2-Gesetzes vergeblich.

Das widerspricht allen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Empfehlungen. Denn schon seit Jahren fordern das offizielle wissenschaftliche Beratungsorgan des Bundes für Fragen der Klimaänderung (OcCC) und die vier Akademien der Wissenschaften immer wieder eine CO2-Lenkungsabgabe. Auch in den kürzlich veröffentlichten Nationalfonds-Programmen «Energiewende» (NFP 70) und «Steuerung des Energieverbrauchs» (NFP 71) wurde diese Forderung bekräftigt.

«Der Bürokratismus hat massiv zugenommen»

Mit der Verhinderung einer wirksamen CO2-Lenkungsabgabe gibt sich die Erdöl-Lobby aber noch nicht zufrieden: Im Hinblick auf die laufende Revision des CO2-Gesetzes macht sie Druck auf das eidgenössische Parlament, damit dieses die Rahmenbedingungen für die Kompensations-Abgabe nach 2020 im revidierten CO2-Gesetz aufweicht. Zu diesem Zweck demontiert sie paradoxerweise die aktuelle, von ihr selbst initiierte Kompensations-Abgabe.

Konkret beklagen KliK-Präsident Daniel Hofer, KliK-Geschäftsführer Marco Berg und KliK-Teilnehmer Jürg Hornisberger in drei PR-Videos auf der KliK-Internet-Seite den «Bürokratismus» der Kompensations-Abgabe und fordern «mehr Pragmatismus in der Regulierung» und «möglichst viel Flexibilität».

Zudem drohen sie mit einer Erhöhung der Kompensations-Abgabe auf 20 Rappen pro Liter, falls das Parlament ihrem Wunsch nach möglichst hohem Kompensationsanteil im Ausland nicht folgt. Mit andern Worten: Statt den CO2-Ausstoss im Inland zu senken, wollen sie möglichst viele CO2-Emissionen mit einem fragwürdigen und schwer kontrollierbaren Ablasshandel im Ausland wegrechnen. Nachstehend ihre Argumentation im Detail:

KliK-Geschäftsführer Marco Berg, ein früherer Mitarbeiter der Erdölvereinigung, klagt in seinem PR-Video, der «Bürokratismus» habe «massiv zugenommen». Den Kompensationsprojekten würden «so viele Hürden in den Weg gelegt», dass den Akteuren der Klimaschutz «verleidet». Durch «den zeit- und kostenträchtigen Bewilligungsprozess des Bundes» und «das komplizierte Prozedere» seien aber die Projekte «nicht besser geworden». Es brauche «ein System, das einfach und kostengünstig» sei. Heute funktioniere das System «eher nach der Devise ‹lieber genau als wirksam’». Für die Zeit nach 2020 fordert Berg «mehr Pragmatismus in der Regulierung».

Tamoil-Manager Jürg Hornisberger, der zudem im Vorstand von Avenergy Suisse (früher Erdölvereinigung) sitzt, spricht in seinem PR-Video ein weiteres Problem an, nämlich die Schwierigkeit, in der Schweiz weitere Kompensationsprojekte zu finden. Es werde «sehr schwierig sein, in der Schweiz zu vernünftigen Kosten weitere CO2-Reduktionsprojekte zu identifizieren». Und er verlangt: «Die zusätzlich geforderten Kompensationen sollten daher hauptsächlich mit Projekten im Ausland realisiert werden.»

In dieselbe Kerbe schlägt auch Migrol-Chef Daniel Hofer, der gleichzeitig KliK- und Avenergy Suisse-Präsident ist. In seinem PR-Video hält er das Klimaziel der Schweiz 2030 mit «Auslandmassnahmen» für «erreichbar», wenn man bedenke, «dass eine Tonne eingespartes CO2 im Ausland wesentlich günstiger ist als in der Schweiz». Wie stark der Preis von Benzin und Diesel steigen werde, hänge davon ab, «wie hoch der Auslandanteil der Kompensation» sei. Bei einem «reinen Auslandanteil» geht Hofer von einer Preiserhöhung «von einem bis maximal zwei Rappen pro Liter» aus. Und er gibt einen Warnschuss ab: Je nach «Ausgestaltung des Inlandanteils» würde der Treibstoff «bis zu 20 Rappen pro Liter teurer.» Zudem verlangt Hofer von der Politik «möglichst viel Flexibilität in der Ausgestaltung der Massnahmen für die Umsetzung und besonders wenig Raum für willkürliche Entscheidungen».

NZZ: «Umstrittener CO2-Ablasshandel der Schweiz»

Die drei KliK-Exponenten liefern also ein miserables Zeugnis für die aktuelle Kompensations-Abgabe: Diese ist bürokratisch, zeit- und kostenintensiv, kompliziert und funktioniert nach der Devise «lieber genau als wirksam». Zudem kann das Klimaziel des Verkehrs bis 2030 mit der Kompensations-Abgabe nur mit einem hohen Ausland-Anteil erreicht werden. Sonst ist mit einer Preiserhöhung bis zu 20 Rappen pro Liter Treibstoff zu rechnen.

Selbst die NZZ titelte «Umstrittener CO2-Ablasshandel der Schweiz» und verwies auf Probleme wie die «Mitnahmeeffekte (Projekte wären auch ohne ausländische Finanzierung durchgeführt worden) und Doppelzählungen von Emissionsreduktionen (im Land des Projekts und im Land des Finanzierers)».

Unter diesen Vorzeichen ist es naheliegend, dieser bürokratischen, komplizierten sowie zeit- und kostenintensiven Kompensations-Abgabe, die nach der Devise «lieber genau als wirksam» funktioniert, den Stecker zu ziehen und endlich eine CO2-Lenkungsabgabe auf fossilen Treibstoffen gesetzlich zu verankern.

Klimarappen: Folgenschwerer Pakt mit dem Bundesrat

ktm. Nachdem das CO2-Gesetz im Jahr 2000 in Kraft trat, zeichnete sich schon bald ab, dass der Privatverkehr die gesetzten Klimaziele mit den versprochenen freiwilligen Massnahmen bei weitem nicht erreicht. Deshalb drohte gemäss CO2-Gesetz eine CO2-Lenkungsabgabe auf Treibstoffen (Benzin und Diesel).

Doch dann gelang im Jahr 2005 der fossilen Lobby unter der Federführung der Erdölvereinigung (heute: Avenergy Suisse) ein folgenschwerer Pakt mit dem Bundesrat: Statt eine wirksame CO2-Lenkungsabgabe auf fossile Treibstoffe einzuführen und die Erträge sozialverträglich an die Bevölkerung zurückzuzahlen, wurde ein Klimarappen von 1,5 Rappen pro Liter installiert, der vor allem eines brachte: Viel bürokratischen Leerlauf samt subventioniertem Ablasshandel im Ausland, also genau das, was die Wirtschaftslobby immer anprangert.

Mit dem Klimarappen verfolgte die Auto- und die Erdöllobby das Hauptziel einer möglichst geringen Preiserhöhung von Benzin und Diesel und folglich die Verhinderung einer viel höheren und wirksameren CO2-Lenkungsabgabe. Mit Erfolg. Denn die Preiserhöhung blieb mit rund 1,5 Rappen pro Liter äusserst bescheiden.

Wenig überraschend stieg in der Folge der CO2-Ausstoss der fossilen Treibstoffe bis heute weiter an, statt gemäss Zielsetzung des Bundes um 10 Prozent zu sinken (Infosperber: CO2-Abgabe auf Treibstoffe: 25 Jahre Sabotage).

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Weiterführende Links:

Erdöl-Lobby liefert Klima-Trauerspiel in 7 Akten

Die Erdölvereinigung diktiert die Klimapolitik

Schweiz senkt ihre Klimagase vor allem im Ausland

Flugticket- und andere Umweltabgaben machen Arme reicher


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Klimapolitik kritisch hinterfragt

Die Menschen beschleunigen die Erwärmung der Erde. Doch kurzfristige Interessen verhindern griffige Massnahmen.

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2 Meinungen

  • am 24.01.2020 um 14:34 Uhr
    Permalink

    Dieses Rumnörgeln um jeden Rappen der Öl-Lobbysten nervt zusehends, denn es ist einfach nicht mehr zeitgemäss. Diese Herren scheinen noch nicht wirklich kapiert zu haben, dass wir uns jetzt alle in einem Öko-Notstand befinden und es jetzt nicht mehr darum geht, um Sonder-Interesse zu feilschen sondern gemeinsam mutige, ja unpopuläre Schritte zu machen – wie zB eine klare Erhöhung des Preises der fossilen Treibstoffe . Was braucht es noch alles bis der «Groschen» endlich «runterfällt» ?

  • am 25.01.2020 um 15:08 Uhr
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    Dann wollen wir die Herrschaften mal nicht weiter stören. Ich fahre einfach elektrisch mit Strom vom Dach und vom Stromlieferanten meines Vertrauens. Ende Bürokratie.

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