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Demo von jurassischen Rebellen oder Freiheitskämpfern in den Siebzigerjahren © cc

«Eines Tages trennt sich der ganze Jura von Bern»

Pierre Rottet /  Am Sonntag, 18.6.2017, stimmt Moutier über eine Trennung vom Kanton Bern ab. Der weitere Jura werde folgen, sagt ein Ex-Separatist.

Red. Es sei «eine Frage der Zeit», bis sich der ganze französischsprachige Jura vom Kanton Bern trenne, sagt der Journalist, Schriftsteller und ehemalige Bélier-Aktivist Pierre Rottet. Bis heute verhalte sich der Kanton Bern gegenüber dem Jura unehrlich. Rottet erinnert an die verdeckte Einflussnahme der Berner Regierung auf die Jura-Abstimmung von 1974 und ärgert sich darüber, dass die Medien im Vorfeld der Moutier-Abstimmung diese Vergangenheit weder aufarbeiten noch darüber informieren. In einem «Brief an einen Leser» spannt Rottet den Bogen zu den Unabhängigkeitsbewegungen in Katalonien und Schottland. Infosperber hat seine Aussagen auszugsweise übersetzt und stellt seinen Standpunkt zur Diskussion.

Pierre Rottet (Foto: Philippe Dutoit)

Als ehemaliger Jura-Aktivist setze ich verständlicherweise bei der Zukunft von Moutier an. Im Gegensatz zu dem, was die Pseudo-Spezialisten-Kommentatoren behaupten, die mit ihrem Unwissen hausieren … ist «das Schicksal» der Stadt Moutier nicht besiegelt, wenn sie … am Sonntag 18. Juni gegen den Beitritt zum Kanton Jura stimmen sollte.

Meine Überzeugung? Moutier und der Rest des Juras, der bei Bern bleibt, werden sich früher oder später von Bern trennen und danach ihrer wahren Berufung folgen. Eine Frage der Zeit. Für Moutier vielleicht etwas eher. Die Geschichte ist manchmal zäh genug, um den Menschen Gelegenheit zu geben, die Fehler aus derselben Geschichte zu korrigieren (die minimale Mehrheit 1974).
(Verständnishilfe für Jüngere: Der Jura gehörte einst zum Kanton Bern. Nach jahrzehntelangen, zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen, wurde 1970 das Selbstbestimmungsrecht des Jura in die Berner Verfassung aufgenommen. Der künftige Grenzverlauf wurde in einer Reihe von Plebisziten im Jura bestimmt. 1974 fand das erste Plebiszit statt. Die südlichen Ämter (Südjura) entschieden sich für Bern – die Stadt Moutier hauchdünn. Am 18. Juni stimmt Moutier erneut über den Anschluss an den Kanton Jura ab. Red.)

Zur Zeit des Plebiszits vom 23. Juni 1974 war ich zusammen mit einer Gruppe von Jungen mit dem Wahlkampf bei der Jugend befasst, um sie zum Anschluss an das jurassische «Ja» zu überzeugen. … Mit 50,8 Prozent der Stimmen «verweigerte» die Stadt Moutier ihre Zustimmung zur Schaffung eines Kantons Jura. 50,8 Prozent, das war, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, ein Unterschied von etwa 70 Personen. Mit anderen Worten, eine Verschiebung der Stimmen von 36 Bürgern oder Bürgerinnen.
Einige Jahre später, 1984, erfuhren wir dank dem berühmten Bericht Hafner, was wir anderen Jurassier geahnt hatten, aber nicht beweisen konnten – nämlich, dass es heimliche Zahlungen der Berner Regierung an die Pro-Berner gab, um die Plebiszitärabstimmung in ihrem Sinn zu beeinflussen. … Das war der Skandal der schwarzen Kassen dieser Regierung. 730’000 Franken, laut jenem Bericht. Eine Zahl, die höchstwahrscheinlich nur die Spitze eines Eisbergs darstellte. Ohne Zweifel verschwanden weitere Tausende von Franken in den Taschen skrupelloser Mitbürger, um deren ihre Stimmen zu kaufen. Von hier zur Aussage, dass Moutier am Abend des 23. Juni auch sehr anders gewesen sein könnte, ist nur ein kleiner Schritt, den ich hiermit tue. Im übrigen bin ich nicht sicher, ob die Amtsbezirke des Südens das Abenteuer auf sich genommen hätten, allein mit Bern zu gehen, ohne Moutier. …

Fall Bern: Medien verschweigen Geschichte

Ich hätte gerne gelesen oder gehört, wenn die Medien im Vorfeld des 17. Juni 2017 es gewagt hätten, die beiden Bern, vor allem den Kanton Bern, aufzuschrecken, die Erinnerungsarbeit zu leisten und an jene bernische Schlaumeierei zu erinnern, anstatt Unsinn zu verbreiten und uns zu empfehlen, weiterzuzappen oder die Seite umzuschlagen.

Fall Katalonien: Begriff «spanisches Katalonien» ist Medien-Manipulation

Mein zweiter Ansatzpunkt … betrifft einen anderen Befreiungskampf … (In Katalonien hat) Präsident Puigdemont das Referendum über die Unabhängigkeit auf den 1. Oktober festgelegt.

«Wollt Ihr, dass Katalonien ein unabhängiger Staat in Form einer Republik wird?» Neben dem «Ja», das ich wünsche, würde ein «Nein», das in meinen Augen möglich bleibt, nur die Frist verlängern. Die Unabhängigkeit kommt früher oder später. Eine Frage der Zeit. Simpel.

Gleich am Tag der Ankündigung dieses Referendums hat der Madrider Korrespondent einer grossen französischen Tageszeitung vom «spanischen Katalonien» geschrieben. Als Provokation, aber das macht die Sache nicht besser. Man braucht ihn nicht zu fragen, wie «objektiv» er seine künftigen Artikel zu diesem Thema ausrichten wird. So werden die Leser hinterhältig manipuliert. Eine kleine Formulierung, aber sie sagt viel über die Absicht des Autoren – und der Redaktion – aus, den Leser auf den Weg zu führen, der Madrid gefällt. Welche Servilität!

Fall Schottland: «Unabhängigkeit verflüchtigt sich» ist Medienmanipulation

… (Zum selben Thema) kann ich nicht verschweigen, wie eine internationale Presseagentur das schottische Ergebnis der britischen Parlamentswahlen interpretiert, in denen die Scottish National Party (SNP) mehrere Sitze verloren hat. Ich zitiere: «Der Traum der schottischen Nationalisten von der SNP, ein neues Referendum über die Unabhängigkeit zu organisieren, hat weniger Zukunft. … » Weiter unten heisst es «Unabhängigkeit verflüchtigt sich». Hier ist es eine Agentur von leider zu viel Einfluss, und also der fragliche Journalist, die mit der Manipulation der globalen Information den Regen und das schöne Wetter macht. Sehr oft, zu oft, zur Freude der Regierungen, in diesem Fall diejenige in London. Eine Agentur, die dem Beispiel der britischen Regierung folgt und ihre Wünsche offen als Realitäten nimmt. Und dabei vergisst, dass heute nie so ist wie gestern. Und eine Realität, die morgen die kleinen Gewissheiten widerlegen wird, so ungelenk und dumm wie sie heute formuliert werden.

Mich beunruhigt, dass die öffentliche Meinung sich daran gewöhnt. Noch schlimmer, sie fügt sich in die Schemata, die ihr vorgelegt werden. Willig. Ohne Revolte.

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Dieser Artikel ist vergangene Woche als Brief an einen Freund in Moutier auf der Webseite «La Méduse» erschienen. Den vollen Text auf französisch finden Sie hier.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Pierre Rottet est un artiste-peintre, journaliste et écrivain. Cet ancien activiste du groupe séparatiste jurassien Bélier partage désormais son temps entre Lima et Fribourg. Jamais à court d’inspiration engagée, il a publié quatre ouvrages, «Souvenir», «Le Réel de Raël», «La Balade d’une vie - Parcours d’un insoumis», «Lettres à un ami», livre qui condense de nombreuses chroniques publiées sur la Méduse. Co-auteur avec Christian Campiche, alias El Campiche, de l’album «Amor y Revueltas».

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Eine Meinung zu

  • am 18.06.2017 um 00:10 Uhr
    Permalink

    Genau so ähnlich stelle ich mir das auch vor. Man muss nur etwas «hellhörig» sein und etwas kritisch denken und unseren Medien misstraisch begegnen..auch geschichtskenntnisse können da helfen

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