Kommentar

Eine kleine Reform des Bundesrats

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Oswald Sigg /  Bundespräsidium/Aussenministerium – eine ideale Ämterkombination. Mit jährlichen Rochaden im Bundesrat könnte sie zur Regel werden.

Der letztjährige Bundespräsident Didier Burkhalter hat als OSZE-Vorsitzender eine ausgezeichnete Figur gemacht. Der Zufall wollte es, dass die Schweizer Regierung im Jahr des Ausbruchs der schwersten Krise Europas seit dem Ende des Kalten Kriegs turnusgemäss die OSZE zu führen hatte. Kein Zufall war es hingegen, dass der Schweizer Bundespräsident die besten Voraussetzungen für dieses Amt mitbrachte. Nicht allein, weil ausgerechnet in diesem Jahr unser Präsident zugleich Aussenminister war. Sondern auch weil er in den Top-Gremien der Konfliktstaaten, der Staatspräsidenten und Regierungschefs zunächst ein wenig bekannter Akteur ist. Jeder andere Vorsitzende wird schon vor Beginn seines präsidialen Amtsjahres bei der OSZE von jenen, die das Sagen haben, taxiert, eingeschätzt und beurteilt. Oder auch vorverurteilt. Nicht offiziell, aber hinter vorgehaltener Hand. Den Schweizer Bundespräsidentinnen und -Präsidenten indessen fehlt es an Routine auf der Weltbühne und am Glamour der Macht. Der Bundespräsident ist nicht der Staatschef der Schweiz. Er ist kein mächtiges Schwergewicht. Er kann weder die Armee noch die Notenpresse in Gang setzen. Klugheit, bescheidenes Auftreten und eine hervorragende Diplomatie im Hintergrund sind die alleinigen Mittel der Repräsentanz einer kleinen direkten Demokratie.
Höchstes Amt mit Ablaufdatum
Ähnlich wie einige seiner Vorgängerinnen und Vorgänger hat sich Bundespräsident Burkhalter am Ende seines Präsidialjahres für eine Aufwertung der Präsenz des Bundesrates in internationalen Gremien ausgesprochen. Aber er verzichtete darauf, den systemwidrigen Vorschlag für eine mehrjährige Amtszeit des Bundespräsidenten zu wiederholen. Seine Empfehlung war vielmehr, für den Aussenminister und Chef des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten den Titel eines zweiten Vizepräsidenten des Bundesrats zu schaffen. Mit einer solchen Visitenkarte in der Hand hätte selbst der schweizerische Aussenminister protokollarisch zu den höchsten Kreisen Zugang und nicht nur zu den Ministerrunden. Nur: Ein permanenter zweiter Vizepräsident würde der Logik eines Kollegiums widersprechen. Unter sieben Gleichen würde einer hierarchisch permanent höher gestellt. Das schweizerische Bundespräsidium ist aber allein deshalb der Inbegriff einer kollegialen Institution, weil im höchsten Amt jährlich ein Wechsel stattfindet. So dass auf dem Sessel des Vorsitzenden immer nur ein primus inter pares Platz nimmt. Mit einem solch präzisen Ablaufdatum und damit unter geradezu basisdemokratischen Bedingungen würde wohl kein Staatspräsident der Welt mit seinem Schweizer Kollegen tauschen wollen.
Aussenministerium als Präsidialdepartement
Aber die Richtung des Vorschlags von Didier Burkhalter stimmt. Er will dem EDA mehr Gewicht geben. Die Aussenbeziehungen der Schweiz müssten indessen nicht allein protokollarisch aufgewertet werden. Gerade der letztjährige Bundespräsident und EDA-Chef hat gezeigt, wie kongenial die beiden Rollen zueinander passen. Nun sollte nicht einfach darauf gewartet werden, bis Aussenminister Burkhalter wieder einmal Bundespräsident wird. Denn für die Kombination Bundespräsidium/Aussenministerium gibt es immerhin schon eine über 50 Jahre dauernde historische Praxis. Im frühen Bundesstaat von 1848 bis 1888 und von 1897 bis 1914 war das jährlich wechselnde Bundespräsidium mit dem EDA-Vorsitz verbunden.
Dieses Regime barg wenigstens zwei unmittelbare Vorteile. Einerseits war der Bundespräsident zugleich Aussenminister und das EPD – das Eidgenössische Politische Departement, wie das Aussenministerium früher bezeichnet wurde – operierte faktisch als Präsidialdepartement. Es war damals für die äussere und für die innere Sicherheit des Landes zuständig und galt als politisch wichtigstes Departement. Anderseits brachte die Koppelung des Bundespräsidiums mit dem Aussenministerium den eminenten Vorteil eines alljährlichen Chefwechsels in wenigstens zwei Departementen. Gerade heute wäre eine gewisse Rotation in den Vorsteherbüros der sieben Departemente mehr als wünschbar, denn sie würde das Zusammenwirken im Gremium verbessern. Auch könnten die Chefwechsel in Regierung und Verwaltung etwas frischen Wind verursachen. Und schliesslich trägt jeder und jede im bundesrätlichen Kollegium ohnehin die gesamte Verantwortung für alle Departemente mit – Fachkenntnisse und Führungserfahrungen in anderen Departementen sind dazu eigentlich unabdingbar.
Der Bundesrat hat es in der Hand
Ein dritter Vorteil kommt hinzu. Die Geschichte der Regierungs-, Staatsleitungs- oder Bundesratsreformen ist ebenso lang wie erfolglos. Das liegt daran, dass solche Innovationen regelmässig im Parlament scheitern. Für die Zuweisung der Departemente hingegen ist allein der Bundesrat zuständig. Gemäss dem Artikel 35 im Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz sind die Mitglieder des Bundesrates verpflichtet, das ihnen übertragene Departement zu führen. Mehr noch: «Der Bundesrat kann die Departemente jederzeit neu verteilen.» Eine solch kleine, aber weittragende Bundesratsreform könnte – ohne jegliche Vorbereitung durch die Bundesverwaltung – in der nächsten Sitzung des Bundesrats beschlossen und sogleich umgesetzt werden.


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