Kommentar
Ein Millionen-Geschenk für den Milliardär
Schon wieder eine ganze Seite über Blocher in den Tamedia-Zeitungen. Titel diesmal in der gedruckten «Berner Zeitung» vom 16. Juli: «Man könnte es Geschenk nennen». Auf dem seitenhohen Bild zum Artikel schreitet der Grossunternehmer und ehemalige SVP-Bundesrat Christoph Blocher über einen edlen Natursteinweg im Sonnenschein auf seine Luxusvilla hoch über dem Zürichsee in Herrliberg zu.
Quintessenz der neuerlichen Recherche: Die Landesregierung hätte ihrem ehemaligen (und Ende 2007 nach nur einer Amtsperiode abgewählten) Mitglied Christoph Blocher nicht rückwirkend für alle zwölf Jahre das Bundesrats-Ruhegehalt von total 2,7 Millionen Franken bewilligen dürfen – sondern höchstens 1,1 Millionen.
Gilt Verjährung nur für Normalsterbliche?
Der Grund: Sowohl im Sozialversicherungsrecht wie auch im Obligationenrecht gilt für Renten- oder Lohnforderungen eine Verjährung von 5 Jahren. Das betonen zwei geheim gehaltene juristische Gutachten zu dem Fall, die dem Bundesrat vorlagen, als er die Rentenforderung Blochers am 1. Juli behandelte.
Die Mehrheit der sieben BundesrätInnen setzte sich darüber hinweg – und entschied auf die vollen 2,7 Millionen Franken für den Multimilliardär aus Herrliberg. Die «Berner Zeitung» rechnet vor: Mindestens 1,6 Millionen dieses Betrages seien «juristisch nicht abgestützt». Man könnte darum diese zusätzlichen 1,6 Millionen für Christoph Blocher auch «ein Geschenk nennen».
Ein Milliardär, der keine 225’000 Franken verdient?
Doch auch die Zahlung von 1,1 Millionen Franken (für Blochers noch nicht verjährte Forderungen ab 2015) wäre allenthalben fragwürdig: Gemäss der geltenden Regelung bekommt ein ehemaliges Mitglied der Landesregierung die Hälfte des Bundesratslohnes als Ruhegehalt. Das sind derzeit etwa 225’000 Franken pro Jahr – oder ein Monatslohn von zwölf Mal knapp 19’000 Franken. Wer davon nicht leben kann oder will (wie etwa der Zürcher SP-Mann Moritz Leuenberger, der sich vorübergehend noch für 100’000 Franken im Jahr als Verwaltungsrat an den Baukonzern Implenia verdingte; oder Ex-CVP-Bundesrat Flavio Cotti, der in den Fiat-VR Einsitz nahm) kann bis zum vollen Bundesratsgehalt von 450’000 Franken dazuverdienen – also zusätzlich maximal 225’000 Franken im Jahr. Aktuell verdient sich auch die frühere CVP-Bundesrätin Doris Leuthard in Verwaltungsräten bei Coop und Bell noch einen kleinen Zustupf.
Was über 225’000 Franken Zuverdienst hinausgeht, wird jedoch vom Ruhegehalt abgezogen. BundesrätInnen im Ruhestand müssen darum ihr Erwerbseinkommen jedes Jahr in Bern deklarieren. Ein Ex-Bundesrat, der ein Einkommen von über 450’000 Franken jährlich erzielt, bekommt gar kein Ruhegehalt mehr. Offiziell gibt es dazu keine genauen Angaben. Gemäss Medienberichten war dies aber etwa schon bei den früheren Mitgliedern der Landesregierung Kaspar Villiger (FDP) oder Joseph Deiss (CVP) der Fall. Und aktuell bei Ruth Metzler (CVP). Sie sind teils auch Vermögensmillionäre. Verglichen mit Blocher sind sie indes alle eher arme Schlucker: Die «Bilanz» hat dessen Vermögen schon 2018 auf 4,9 Milliarden Franken geschätzt.
Blochers nagen nicht am Hungertuch
Für die Berechnung des Freibetrags von 225’000 Franken zählten eben nur Arbeitseinkommen, konnte man aus allen Medien erfahren – nicht aber Dividenden. Bei den Dividenden jedoch zählen die Blochers (derzeit mit gegen 11 Milliarden Franken Familienvermögen an 12. Stelle auf der «Bilanz»-Liste der 300 Reichsten im Land) zu den ganz Grossen: Die drei Töchter des Ex-Bundesrates, Magdalena, Rahel und Miriam konnten sich für letztes Jahr 326 Millionen Franken an Dividenden ihrer Firma EMS Chemie (die ihnen ihr Vater Christoph vor seinem Eintritt in den Bundesrat 2004 übergeben hatte) teilen, wie die BZ vom 26. Juni 2020 vermeldet. Das sind für drei Personen 87 Millionen mehr, als der gesamte Personalaufwand für alle rund 2800 EMS-Beschäftigten (gemäss EMS-Geschäftsbericht genau 238,5 Millionen im Jahr 2019).
EMS-Chefin (CEO und VR-Delegierte) Magdalena Martullo-Blocher kassiert mit ihrem Vermögen von über 5 Milliarden (nebst ihrem «bescheidenen Lohn» von gut einer Million im Jahr) also über 100 Millionen an Dividenden. Da drängt sich die Frage auf, ob ihr Vater Christoph mit seinen 4,9 Milliarden Vermögen tatsächlich nicht einmal 225’000 Franken im Jahr verdiene.
Gute Regelung mit gravierenden Lücken
So oder so zeigt sich: Die abstruse Ausnahme der Dividenden vom anrechenbaren Einkommen der Alt-BundesrätInnen ist ein Unding. Da klafft eine gravierende Lücke in der Ruhestandsregelung, die sofort geschlossen werden sollte. Unverständlich auch, dass bei der Berechnung seiner Verdienst-Freigrenze das Vermögen eines Bundesrates im Ruhestand überhaupt keine Rolle spielen soll.
Grundsätzlich ist das geltende Ruhestands-System nämlich eine gute Sache: Es garantiert, dass sich BundesrätInnen bis zu ihrem letzten Tag im Amt unabhängig von Zukunftssorgen voll und ganz dem Dienst für die Allgemeinheit widmen können. Und dass sie ihr Leben nach dem Rücktritt in Würde weiterführen können – ohne sich für peinliche Auftritte oder Dienstleistungen «verkaufen» zu müssen.
Dass aber weder das Vermögen noch die Einkünfte aus Dividenden bei den Bundesleistungen an die Lebenshaltungskosten ehemaliger Mitglieder der Landesregierung angerechnet und mit einbezogen werden, ist eine ungerechte und geradezu unanständige Privilegierung der Herrschenden durch die Herrschenden. Und: Es belastet die Bundeskasse unnötig.
Arme Leute werden ganz anders angefasst
Zum Vergleich: Bei Menschen am unteren Ende der Einkommenspyramide zeigen sich diese Herrschenden in Bern mehr gnadenlos und knauserig als grosszügig. So haben die Eidgenössischen Räte am 19. März 2019 die Bedingungen für den Bezug von Ergänzungsleistungen (EL) durch Schweizerinnen und Schweizer, die am Existenzminimum vegetieren, nochmals verschärft – und damit die Bundeskasse um mehrere 100 Millionen jährlich entlastet.
Den Ärmsten im Land werden dabei für ihre Begehren um EL (bis zum Existenzminimum) alle «Einkünfte aus beweglichem und unbeweglichem Vermögen» sehr wohl an- und vorgerechnet. Sie sind sogar verpflichtet «einen Teil ihres Vermögens zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu verwenden». Bei diesem sogenannten «Vermögensverzehr» galt zuvor für Einzelpersonen ein «Freibetrag» von 37’500 Franken. Den haben die Räte auf 30’000 Franken gesenkt. Für Ehepaare von 60’000 auf 50’000. Um ihr Anrecht auf diese Ergänzungsleistungen ganz zu verwirken, muss eine Einzelperson hierzulande jedenfalls noch lange nicht MillionärIn (geschweige denn MilliardärIn) sein. SRF 4 titelte im März 2019: «Ab 100’000 Franken Vermögen ist Schluss.» Für Ehepaare gibt es ab 200’000 Franken keine EL mehr.
Dass dabei das selber bewohnte Häuschen nicht ans Vermögen angerechnet wird, ist ein kleines Zückerchen der Mehrheit der Wohnraumeigentümer in den Räten an die Minderheit der Hauseigentümer im Lande draussen. Doch auch dies mit Auflagen: Wenn die Kinder der EL-Bezüger das Häuschen erben, müssen sie zurückzahlen.
Der Bundesrat kann Blocher getrost auf den Rechtsweg verweisen
Es gibt im entsprechenden Gesetz sogar eine «Verwandtenunterstützungspflicht» durch Angehörige, die «in günstigen Verhältnissen» leben (was bei Blochers Kindern wohl eher zutreffen dürfte).
Kurzum: Die amtierenden Bundesräte hätten dem Zürcher Alt-Bundesrat freundlich nahelegen können, er solle doch zuerst die 5 Milliarden auf seiner hohen Kante in Herrliberg jenem «Vermögensverzehr» zuführen, den der Gesetzgeber von mausarmen EL-Bezügern im Land ganz selbstverständlich verlangt. Und erst bei Erreichen eines verbleibenden «Freibetrags» von 200’000 Franken Vermögen könne er «in Bern oben» als Bittsteller die hohle Hand machen kommen. Die BundesrätInnen könnten Blocher aber auch getrost «auf den Rechtsweg verweisen», wie es juristisch so schön heisst – bis nach Lausanne oder Strassburg hinunter. Dies zumindest für jene 1,6 Millionen seiner Forderungen, die rechtlich nirgends abgestützt sind.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Und jetzt kommen sie dann wieder und werfen uns vor es sei eine Neid-Debatte ! Nein, ist es nicht! Aber die Gesetze müssten für ALLE gelten! AUCH für ehemalige BUNDESRÄTE !
Der Neid und der Föhn sind die zwei ältesten Eidgenossen. Alt Bundesrat Blocher hat einen grossen Fehler gemacht! Dem Staat macht man keine Geschenke! Warum spricht niemand über die AHV der Alt-Bundesräte? Wer hat bisher von fen früheren BR-Mitgliedern seinen Verzicht erklärt? Christoph Blocher hat ja sein Imperium an seine Nachkommen weitergegeben, die Schweizer Neider wollten das ja so, deshalb ist sein Dividenden-Einkommen null und deshalb ist er sehr wohl BR-Ruhegehalt berechtigt! Warum also diese Aufregung??
Den Reichen wird gegeben und den Armen genommen!
Der Gesamtbundesrat solle sich wegen seiner Weichheit schämen!
Es bewahrheitet sich wieder mal: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Warum so kompliziert mit Zahlen arbeiten? Es geht auch ohne mit allgemeingültigem Recht.
Zugegebener Verzicht in der Öffentlichkeit (Tele Blocher) ist ein bewiesener, mündlicher Vertrag, der in der Schweiz volle Gültigkeit hat. Der Verzicht hat zumindest vorübergehend zu höherer Reputation der Person geführt. Falls nicht, ist es das Risiko desjenigen der sich davon etwas versprochen hat.
Ein jahrelanger, öffentlicher Verzicht und danach eine Forderung darauf widerspricht Treu und Glauben. Es ist Art. 2 des ZGB und gilt für ausdrücklich jeden – ohne Ansehen der Person. Treu und Glauben wird in jedem(!) Bundesgesetz wiederholt, sogar in der Zivilprozessordnung, was eine Weisung an die Justiz ist.
Treu und Glauben wurde vom Bundesgericht definiert:
– «Treu und Glauben ist die Schranke jeglichen Rechts."
– «Treu und Glauben ist der Leitstern jeglicher Rechtsprechung."
Mal schauen ob sich Finanzdelegation oder Bundesgericht an die eigenen Gesetze und Definitionen hält.
Noch etwas bzgl. «arme Menschen» für den Autor.
Er soll auf einem karrierten Rechenblock sein Vermögen als Strich einzeichnen – ganz unten ist Null Vermögen. Und jetzt zeichne er das Vermögen eines Milliardärs ein. Wenn er die Blätter der Reihe nach auf dem Fussboden auslegt, aber an der hintersten Mauer seines Hauses angelangt ist und trotzdem noch ein Bündel Blätter in der Hand hält, weiss er, dass er selbst dicht an den «armen Menschen» dran ist.
Vorsicht !
Worum geht es Blocher dem genialen Volks-Versteher u- Volks-Verführer ?
Bestimmt nicht um die paar Millionen. Das sind für Ihn nur die berühmten ‹peanuts›. Es verfügt bereits über genügend Macht-Mittel in Form von Geld. Es geht ihm aber immer um mehr Macht u. Vormacht u. die seiner Clique, über die Familie hinaus.
Sicherlich eine nützliche Illusion für die vielen weit weniger Bemittelten u. weistestgehend Machtlosen, dass wenigsten er ihr Heil sei u. sie irgenwie ein klein wenig Teilhabe möglich wäre, durch Identifikation.
Deshalb wittere ich ein Falle.
Es wird z.B. heissen, es sei ja nur ‹Neid› auf einen so verdienstvollen Mann u. DIE Linken i. DIE Moralisten sollen erst mal selbst was leisten.
Die ganze heiligsprechende Litanei, die sich in der Causa FIFA-Blatter so bewährt hat, kann nochmals angewendet werden. Das zum Schaden des echten demokratischen Geistes u. der Entmachtung der echten Demokraten.
Ein Problem in der Schweiz, welches sich mE auch im Artikel zeigt, ist dass die Schweizer scheinbar vielfach blind oder geblendet durch Nationalstolz sind, die Schweiz sei ja die eine Musterdemokratie weltweit. Dabei schreiben Sie ja selbst von der ‹Minderheit der Wohnraumeigentümer›: die Schweiz hat die mit Abstand niedrigste Wohneigentumsquote der OECD; dies und weiteres – z.B. Ihre Beispiele – zeigt wie die ‹realexistierende Musterdemokratie› aussieht.
Auch wenn Sie hier den Bundesrat adressieren, insgesamt bekomme ich den Eindruck der Artikel ‹reitet auf den Verhältnissen der Familie Blocher herum›, als hätten diese sich ein Staatsgeschenk genehmigt. Die Bundesräte dagegen hätten Herrn Blocher etwas ‹freundlich nahelegen› können oder ‹können getrost› auf den Rechtsweg verweisen: als gelte Recht und Professionalität nicht für den Bundesrat und er sei nicht daran zu messen.
Es ist nicht Sache Herrn Blochers, sondern des Bundesrates den Einspruch der Verjährung geltend zu machen, aber letzterer setzt sich über 2-3 Rechtsgutachten hinweg. Die Finanzdelegation des Parlaments müsse noch zustimmen, sehe sich zunehmend aber nicht zuständig, liest man…Der Bundesrat wolle rückwirkende Zahlung für die Zukunft rechtlich regeln, als regle dies das Obligationenrecht nicht mit der Verjährung. Wo sind wir denn da?
Wenn er sehe, wie das Geld ausgegeben wird, dann dürfe es keine Geschenke geben an so einen Staat, sagt Herr Blocher lt. Presse. Sehen Sie, er hat sich nicht geirrt…
Es geht eigentlich überhaupt nicht um Blocher: Die Berner «Elite» bedient sich rücksichtslos am Geld ihrer Bürger. Bundesbern hat sich längst von den Belangen der arbeitenden Menschen verabschiedet. Bundesräte sind eigentlich nicht mehr als Beamte und verdienen viel zu viel. Es bricht mir das Herz, wenn ich viele Alte im Migros- oder Coop-Restaurant am Kaffeeautomaten stehen sehe, während sie überlegen müssen, ob wohl eine zweite Tasse Kaffee finanziell noch drinliegt, während sich die Bundesbeamten die Bräuche vollschlagen! Wenn ein BR nicht total dumm ist, so wird er in einer oder zwei Amtsperioden bereits Millionär sein. Man könnte im Alter auch mit 7000 Franken monatlich gut leben können; die meisten haben wesentlich weniger zur Verfügung. Ein Trost bleibt: Man kann nicht Gott und dem Mammon dienen; es wird für alle Gerechtigkeit geben – nicht hier und schon gar nicht in Bundesbern.
Der Bundesrat ist eine Kollegialbehörde. Es ziemt sich deshalb nicht, dass eines seiner Mitglieder öffentlich sagt, was Sache ist. So müssen sich auch die Blocher Gegner hier als charakterlose Gesellen beschimpfen lassen. Ihr einziger Ausweg wäre der Rücktritt aus Protest und den hat bisher noch niemand angekündigt.
Das neue Gesetz für den Bezug von Ergänzungsleistungen (EL) welches 2021 in Kraft tritt ist trotz kleinen «Zückerchen» wie Anpassung der Mieten auf heutige Zeit eine Schande. Da gönnt man dem Alleinstehenden ganze Fr.30’000 als Freibetrag. Das ist so viel, wie eine Bundesrat alleine nur an Spesen kassiert. Und den Erben lässt man «happige» Fr.40’000 übrig, Rest muss zur Rückzahlung der Ergänzungsleistungen verwendet werden.
Das ist noch nicht alles: Ab Bezug von Ergänzungsleistung wird auf 10 Jahre rückwirkend kontrolliert, ob der Rentner nicht mehr als Fr. 10’000 bzw. 10% an Vermögen «verprasst» hat, wie es CVP Humbel nennt. Der Bundesrat legt fest, für welche Ausgaben mehr als 10’000 verbraucht werden darf.
Der Verein Avenir50+ schreibt dazu: Vor allem betroffen davon sind Menschen mit geringem Einkommen und ältere Erwerbslose, deren Lebensführung einer ungebührlichen Kontrolle durch den Staat ausgesetzt wird, abgesehen vom administrativen Aufwand, der damit für Verwaltung und Betroffene einhergeht
SRF schreibt: Änderung im März beschlossen
Weitgehend von der Öffentlichkeit unbemerkt hat das Parlament die Änderung im März beschlossen. Im neuen Ergänzungsleistungsgesetz, in Artikel 16 zur «Rückerstattung rechtmässig bezogener Leistungen» steht, dass diese «nach dem Tod aus dem Nachlass zurückzuerstatten» sind.
Tagesanzeiger schreibt: Viel Ärger um wenig Geld
Mit der Rückerstattungspflicht für Ergänzungsleistungen hat das Parlament vor allem Juristenfutter geschaffen.