Direktzahlungen: Jenseits vom Durchschnitt
Mit dem Durchschnitt ist das so eine Sache. Jeder Durchschnitt kaschiert die Extreme. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) teilte den Medien neulich mit, dass die Bauern letztes Jahr im Schnitt 3700 Franken pro Betrieb für Landschaftsqualität erhalten haben. Konkret haben allerdings 30’000 Betriebe Null Franken, und 300 Betriebe weniger als 300 Franken für die Qualität der von ihnen bewirtschafteten Landschaft erhalten, während andere Betriebe 20’000, 30’0000 Franken, ja sogar bis zu 60’000 Franken «für schön» bekommen haben.
Das ist typisch für die Folgen der Agrarreform AP14-17: Sie hat viele kleine Verlierer und wenige grosse Gewinner geschaffen. Während die Mehrheit der Betriebe letztes Jahr zwischen 5 und 10’000 Franken plus/minus aus dem Staatshaushalt erhielt, stiegen bei rund 200 Betrieben im Jahr 2014 die Direktzahlungen um mehr als 50’000 Franken an. Das ist in rund der Hälfte der Fälle darauf zurückzuführen, dass die Abstufung der Direktzahlungen bei Fläche und Tierzahlen geändert wurde, wovon grosse Betriebe profitiert haben. Ein Blick in die Direktzahlungsdaten des Bundes zeigt jedoch, dass auch kleinere Betriebe zu den Extremgewinnern der AP14-17 gehörten. Unter den grossen Profiteuren befindet sich zum Beispiel ein mittelgrosser Betrieb mit 25 Hektar der ein Plus von 150’000 Franken auf seinem Konto verbuchen konnte. Und das, obwohl er – laut eigenen Angaben – nur zwei Arbeitskräfte beschäftigt.
Standard oder reale Arbeitskraft?
Damit ist nicht die Standardarbeitskraft SAK gemeint, sondern die Anzahl Arbeitskräfte, die der Betriebsleiter auf seinem Antrag für Direktzahlungen angibt. Diese Selbstdeklaration ist zwar mit Unsicherheiten verbunden, aber häufig näher an der Realität als die SAK-Berechnung. Bei der SAK-Berechnung wird der Aufwand für eine extensive Bewirtschaftung massiv überschätzt: Ob eine Wiese nur einmal im Jahr oder viermal im Jahr gemäht wird, ist für den SAK-Wert egal, obwohl der Aufwand für die viermalige Mahd logischerweise höher ist. Zudem sind Vernetzungs- und Landschaftsqualitätsbeiträge von der SAK-Limite ausgenommen. Und diese Beiträge können, wie oben ausgeführt, mitunter ganz schön ins Geld gehen.
Schaut man sich die Direktzahlungsdaten der Betriebe im Detail an, so stellt man fest, dass letztes Jahr rund 1500 Betriebe auf mehr als 70’000 Franken Direktzahlungen pro (selbst deklarierter) Arbeitskraft (AK) kamen. Rund 50 dieser Betriebe erhielten mehr als 150’000 Franken Direktzahlungen/AK, ein Dutzend schaffte es sogar auf 200’000 Franken/AK und mehr. Dabei hat der Bund dem Parlament immer versichert, dass solche Beträge dank der SAK-Limite in Höhe von 70’000 Franken ausgeschlossen sei. Dabei war schon damals klar, dass die SAK gar kein Mass für den tatsächlichen Bedarf an Arbeitskräften ist, sondern in erster Linie ein Betriebsgrössenmass. «Das System bildet nicht die effektive Arbeitszeit auf einem Betrieb ab. Es ist vielmehr ein standardisiertes Mass für die Betriebsgrösse, das sich an der Arbeitszeit bei landesüblicher Bewirtschaftung und Mechanisierung orientiert», so steht es im Evaluationsbericht des Bundesrates über die SAK.
Ob und was das BLW allenfalls unternehmen wird, damit Beiträge in dieser Höhe künftig vermieden werden, konnte BLW-Vizedirektor Christian Hofer noch nicht sagen: «Die Einzelfälle mit sehr hohen Direktzahlungen pro Arbeitskraft müssen zuerst individuell analysiert werden um angemessene Schlüsse daraus ziehen zu können.» Er weist aber grundsätzlich darauf hin, dass «Betriebe, die mit sehr effizientem Arbeitseinsatz Kosten sparen und damit die Wettbewerbsfähigkeit verbessern ganz im Sinne der Agrarpolitik sind».
Landschaftspflege statt Nutzfläche
Ob die Gesellschaft tatsächlich die effizientesten Betriebe mit den meisten Direktzahlungen belohnen will, sei dahingestellt. Auffällig ist jedenfalls, dass sich viele der «effizienten» Betriebe auf die Landschaftspflege konzentriert haben: Die meisten von ihnen bewirtschaften mehr als die Hälfte ihrer Nutzfläche als Biodiversitätsförderfläche (BFF). Wenn man das als Mass für die Definition «Landschaftspfleger» nimmt hat die Schweiz inzwischen rund 2000 Landschaftspflegebetriebe – letztes Jahr waren es noch keine 1000. Es gibt sogar Betriebe, die 100 Prozent der Nutzfläche als Biodiversitätsförderfläche angemeldet haben. Da kommt zu Recht die Frage auf, ob diese Betriebe nicht besser dem Bundesamt für Umwelt unterstellt werden sollten. Da solche Betriebe nicht dem Durchschnitt entsprechen (der rund 15 Prozent Biodiversitätsförderfläche bewirtschaftet), tauchen sie in der Durchschnittsstatistik des BLW nicht auf.
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Zeichen der Extensivierung
- Die offene Ackerfläche ging letztes Jahr um 270 ha und das Grünland um 230 ha Hektar zurück, während die «weitere Landwirtschaftliche Nutzfläche» um 1100 ha stieg.
- 2014 erhielten 71’000 Hochstammbäume mehr Direktzahlungen als noch 2013, das ist ein Plus von rund drei Prozent.
- Die Biodiversitätsförderfläche ist, wenn man die Bäume dazurechnet, von 145’000 ha auf 185’000 ha gestiegen.
- Über 2000 Betriebe haben mehr als 50 Prozent Biodiversitätsförderfläche, wenn man Hochstammbäume dazurechnet. 2013 waren es noch keine 900.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Keine. Eveline Dudda ist Agrarjournalistin, www.dudda.ch
Zu den Arbeitskräften ist zu sagen dass die gewünschten Angaben in einem der zahlreichen Formularen nicht die durchschnittlichen Arbeitskräfte betreffen sondern die am Stichtag. An diesem Tag sind Arbeitskräfte auf dem Feld kaum ein Bedarf. Wohl muss man aber langsam einen Fachmann anstellen um die Formulare auszufüllen, da können selbst die Ingenieure kaum mehr mithalten.
In der Effizienz gibt es tatsächlich grosse Unterschiede. Es kommt vor dass die Arbeitsleistung der Helfer die durch erklären verlorene, nicht aufwiegt.
Es gibt aber auch grosse Unterschiede im Bewirtschaftungsaufwand einzelner Parzellen, die kaum in der Büroauswertung sichtbar werden.
Grundsätzlich denke ich das eine Begrenzung der Direktzahlungen pro effektive Arbeitskraft (Nachweis??) oder Betrieb, den Bodenkrieg entschärfen würde, eine angenehmere soziale Stimmung unter Landwirten und wohl auch mehr zufriedene Dorfbewohner fördern würde.