Die SBB fahren auf noch mehr Staatskosten
«SBB – Wir bewegen die Schweiz, gut aufgehoben und gut ankommen.» So lautet der neue Slogan der Bundesbahnen. Ein Werbefilm, den die SBB gestern Donnerstag an ihrer Bilanz-Medienkonferenz vorführten, zeigt glückliche Bahnreisende, die in geräumigen Erstklass-Wagen über Land fahren und sich «unterwegs zuhause» fühlen. Dieses kuschelige Wunschbild steht im Kontrast zur realen Entwicklung der SBB im Geschäftsjahr 2011.
Mehr Passagiere, weniger Transport
Die Zahl der SBB-Passagiere stieg 2011 zwar weiter und übertraf den Rekordwert des Vorjahres um 2,7 Prozent. Doch entgegen dem langfristigen Trend reisten die Passagiere im Durchschnitt weniger weit. Folge: Die massgebende Transportleistung (Personen mal Kilometer) nahm nur noch um 1,3 Prozent zu. Den Grund zeigen weitere SBB-Daten: Der Regionalverkehr wuchs letztes Jahr stärker als der Fernverkehr. Und der Anteil der Pendler, die sich werktags zur Stosszeit in volle Züge drängen und Bahnhöfe verstopfen, nahm überdurchschnittlich zu.
Im Unterschied zum Personenverkehr nahm der Güterverkehr deutlich ab. Resultat: Die gesamte Transportleistung der SBB, gemessen in Personen- plus Tonnenkilometer (Pkm plus tkm), schrumpfte 2011 um 1,7 Prozent unter den Stand im Vorjahr.
Mehr Staatsgeld, höherer Cheflohn
Die geschilderte Verkehrsentwicklung schlägt sich auch im finanziellen Ergebnis nieder: Der Verkehrsertrag aus Personen- und Gütertransport stieg 2011 – trotz Tarifaufschlägen im Personenverkehr – nur noch um 1,4 Prozent. Die Beiträge von Bund- und Kantonen an die SBB hingegen erhöhten sich gegenüber dem Vorjahr um stolze 9,7 Prozent auf total rund 2,95 Milliarden Franken. Nur dank diesen höheren Staatsbeiträgen weist die SBB-Buchhaltung einen um 13,5 Prozent höheren Konzerngewinn aus. Was zeigt: Die SBB steigerten ihren Ertrag und ihren «erfreulichen» Konzerngewinn im Jahr 2011 primär auf Kosten der Staatskasse.
Ebenfalls überdurchschnittlich gewachsen ist 2011 das Jahresgehalt von Konzernchef Andreas Meyer, nämlich um 7,6 Prozent auf 1,03 Millionen Franken. Die übrigen Personalkosten der SBB hingegen stagnierten; dies bei 124 000 Franken pro Vollzeitstelle.
Schulden und Kosten wachsen
«Die Bahn ist ein unverzichtbares Massenverkehrsmittel mit einer teuren Infrastruktur», betonte SBB-Verwaltungsrats-Präsident Ulrich Gygi vor den Medien. Ohne staatliche Unterstützung (die politisch gewollt und abgestützt ist) müssten die SBB ihre Tarife und Transportpreise verdoppeln. Mit seinem Beitrag von 2,95 Milliarden Franken finanziert der Staat heute primär die bauliche Infrastruktur der Bahnen und leistet Abgeltungen an den defizitären regionalen Personenverkehr sowie an den Güterverkehr.
Ihre Betriebskosten (inklusive Trassegebühren für die Benützung der wachsenden Schienenwege) sowie die Investitionen ins Rollmaterial, das der wachsende Bahnverkehr erfordert, müssen die SBB selber decken. Dazu haben sie sich in den letzten Jahren zunehmend verschuldet: Allein in den letzten fünf Jahren ist die Gesamtschuld der SBB um mehr als 4 Milliarden auf total 18,7 Milliarden Franken gestiegen. Davon entfallen heute 8 Milliarden auf verzinsliche Schulden und 10,7 Milliarden auf Darlehen von Bund und Kantonen.
Eine Tilgung ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Mit dem prophezeiten Wachstum des Bahnverkehrs steigen die Kosten stärker als die Erträge. SBB-Chef Andreas Meyer erwartet, dass die «Mehrbelastungen» der SBB schon bis 2017 auf jährlich 350 Millionen Franken steigen; der Löwenanteil davon entfällt auf die politisch beschlossene Erhöhung der Trassepreise. Zudem schieben die SBB beim Unterhalt des Bahnnetzes einen Nachholbedarf vor sich her, der sich heute auf 1,6 Milliarden Franken summiert. Was zeigt: Um einen finanziellen Kollaps der Schweizer Bahnen – und damit einen Kollaps des wachsenden Gesamtverkehrs – zu vermeiden, müssen Bahntarife und Staatsbeiträge an die Schweizer Bahnen in den nächsten Jahren weiter erhöht werden.
Hoffen auf «Fabi»-Vorlage
Neben neuem Rollmaterial erfordert der wachsende Verkehr auch einen baulichen Ausbau der Bahninfrastruktur. Dazu dient die «Fabi», die Vorlage über «Finanzierung und Ausbau der Bahn-Infrastruktur», die das Parlament in den nächsten Monaten behandeln wird. Mit dieser Fabi-Vorlage möchte das SBB-Management primär den Unterhalt des bestehenden Netzes finanzieren, die Kapazität von Bahnhöfen erweitern und den wichtigsten Netzengpass zwischen Zürich und Aarau erweitern. Die Kantone hingegen träumen primär von Grossprojekten wie etwa dem Wisenberg-, Brüttener- und Zimmerbergtunnel oder dem Ostschweizer Ypsilon. In dieser Situation plädierte SBB-Präsident Gygi für Mässigung, denn er weiss: Jeder Ausbau des Bahnnetzes erhöht die Betriebskosten und damit die Belastung der SBB.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine