Die Affäre Lauber könnte längst beendet sein
Amtspflichtverletzung, Lüge, Illoyalität – all das war schon bei der Wiederwahl von Bundesanwalt Michael Lauber am 25. September letzten Jahres bekannt. Mit 129 Stimmen, sieben Stimmen über dem nötigen Mehr, wurde er aber von der Vereinigten Bundesversammlung für eine weitere Amtszeit von vier Jahren wiedergewählt. Nachdem nun das Bundesverwaltungsgericht die Vorwürfe bestätigte, will er über seinen Abgang verhandeln, bietet seinen Rücktritt nur an. Das heisst konkret – er will trotz all der Verfehlungen wohl einen Deal, was meist mit dem Wort «Abgangsentschädigung» umschrieben wird. Der Genfer SP-Nationalrat Carlo Sommaruga nennt dieses Verhalten «unendliche Arroganz.» Doch, was ist zu erwarten, von jemandem, der trotz jahrelanger Vorwürfe und damit zusammenhängender Beschädigung des Amtes, für eine weitere Amtszeit wiedergewählt wurde?
Es lohnt sich also, seine Befürworter nochmals zu Wort kommen lassen, die ihm damals treu zur Seite standen: Die Gerichtskommission hatte sich noch mit neun gegen sechs Stimmen gegen eine Wiederwahl ausgesprochen. Doch in der Vereinigten Bundesversammlung waren dann nur die Grünen, Grünliberalen und die CVP gegen eine Wiederwahl. Hingegen stellten sich die Parteien SP, FDP und SVP mehrheitlich hinter Lauber, der mit diesen Stimmen dann knapp gewählt wurde.
Einige Zitate von Lauber-Supportern vor der Wiederwahl:
SVP-Ständerat Roland Eberle: «Es geht um die Institution der Bundesanwaltschaft, wenn man die jetzt demontiert, in dem man einen Kopf wegschlägt, dann leidet die gesamte Justizinstitution in der Schweiz und die oberste Strafverfolgungsbehörde wird massiv geschwächt.» Die Lauber vorgeworfenen Tatbestände seien «Unschönheiten».
Christian Lüscher, FDP: «Herr Lauber hat (…) ein Controlling installiert, ein Coaching, er hat aufgeräumt. Herr Lauber hat einen Teil der Staatsanwälte entlassen, weil er sie als unfähig befand, ihre Aufgabe zu erfüllen. (Anm. der Red: Einige Entlassene klagten gegen ihre Kündigung und bekamen in der Folge Entschädigungen zugesprochen – die Steuerzahler kostet das mindestens eine Million Franken) «Seien Sie verantwortungsbewusst und wählen Sie Herr Lauber. Wenn Sie es nicht tun, wünsche ich Ihnen viel Vergnügen einen fähigen Kandidaten für das Amt zu finden.»
Ständerat Raphael Comte, FDP:«Viele von uns haben ein ungutes Gefühl. Verschiedene Taten, die dem Bundesanwalt vorgeworfen werden stören uns, irritieren uns, lassen uns zweifeln. Wir entdecken, dass ein Bundesanwalt nicht perfekt sein kann. Diese Dinge sind ein Grund für Unzufriedenheit, aber nicht ein Grund für eine Nicht-Wiederwahl.» Comte brachte einen drastischen Vergleich: «Ein Henker darf die Guillotine erst dann bedienen, wenn er sicher ist, dass der Verurteilte wirklich schuldig ist.»
Auch weitere Persönlichkeiten stellten sich damals auf die Seite von Lauber.
Urs Hofmann, Aargauer SP-Regierungsrat und Präsident der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren: «Die Kantone machen mit Lauber sehr gute Erfahrungen», sagte er gegenüber der NZZ. Hofmann bezweifelte, dass drei nicht dokumentierte Treffen Laubers mit Fifa-Präsident Gianni Infantino Grund genug wären, Lauber abzusetzen. «Für einen solchen Schritt müssen gravierende Gründe vorliegen, die eine Weiterbeschäftigung als unzumutbar erscheinen lassen. Ich bezweifle, dass dies hier der Fall ist.»
Und auch die Konferenz der Staatsanwälte wollte nichts von einer Abwahl des Bundesanwaltes wissen. «Wir machen uns berechtigte Sorgen. Es wäre kantonal, national wie auch international ein schlechtes Zeichen, den amtierenden Bundesanwalt abzusetzen.»
Das Drama Lauber geht also weiter, vor allem, weil auch seine Stellvertreter im ganzen Verfahren in ein schiefes Licht gerückt wurden, wie Infosperber bereits berichtete. Nun wird in Medien, die die ganzen Ungereimtheiten überhaupt erst ans Tageslicht gebracht hatten, auch über deren Rolle diskutiert und eine Übernahme des Amtes durch bisherige Stellvertreter ausgeschlossen.
Auszüge aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts:
«Zusammengefasst kann nach dem zuvor Ausgeführten festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer mehrfach (in vier Fällen) grobfahrlässig gegen Ziff. 5 CoC bzw. die aus der Treuepflicht fliessende Ausstandspflicht verstossen und damit seine Amtspflichten verletzt hat.»
«Indem der Beschwerdeführer gegenüber der Vorinstanz vorsätzlich die Unwahrheit sagte, hat er seine Treuepflicht und damit seine Amtspflichten verletzt.»
«Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass der Beschwerdeführer durch seine Aussagen anlässlich der Medienkonferenz vom 10. Mai 2019 illoyal gehandelt und seine Treuepflicht leichtfahrlässig verletzt hat.»
Das ganze Urteil hier.
Lauber und seine folgsame Truppe
Lauber prozessiert gegen Aufsicht – statt gegen Fifa
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
VORBILDER
Würde sich der ‹Bünzlischweizer› unsere nationalen Galleonsfiguren (Lauber, Blocher, Blatter/Platini und ihre Fifa, Teile des Parlaments) zum Vorbild nehmen, wären wir wohl sehr bald Kunden von Herr Lauber.
Oder: Eine Krähe hackt der Anderen kein Auge aus.
Die gesamte Institution Demokratischer Rechtsstaat ist schwer bestätigt, weil die Gewaltenteilung der 3 staatlichen Institutionen Legislative, Exekutive u. Judikative realexistierend immer weniger funktioniert. Die meisten CH-Bürger wollen, dass die von Ihnen für Ihre Teilinteressen Gewählten in der Legislative vorherrschen.
Die Judikative hat sich auch noch mächtigen Geschäftsinteressen unterzuordenen.
Auf Gesamt-gesellschaftlicher Ebene, der Staat ist ja nur deren Verwaltung, sind libertäre Kapitialisten u. ihre Vertreter in der Legislative zunehmend vorherrschend, wie in den USA u. Enngland.
Irgendwie erinnert diese Debatte an US-Congress-Geschichten. Wer profitiert von der Arbeitsbehinderung des Staatsanwaltes ?
Hat die Fifa-Lobby schliesslich die Verjährungen der sie betreffenden Verfahren dank Angriff auf die Institution geschafft ? Wer ist hier Strippenzieher und wer nützlicher Idiot oder anderweitig Trittbrettfahrer ?
Zu viele offene Fragen um bei dieser Geschichte ein gutes Gefühl haben zu können…
Und seinen Vize, Ruedi Montanari, soll der Lauber gleich mitnehmen. Der taugt genauso wenig.
Der Herr Montanari hat die schlechte Angewohnheit, Anzeigen gegen Staatsbedienstete überaus rasch und ohne echte Abklärung unter den Teppich zu kehren. Ich hab 2 solche Vorkommnisse in meinen Akten. Und im schönen Tessin, am Bundes-Strafgericht, handeln sie wie Lauber und Montanari. Ich hab sogar einen Richter am Bundesgericht, der mir geschrieben hat; weil – aufgepasst: ich ähnliche Gründe für meine Beschwerde vorbringe wie bei Verwaltungsgericht – es an einer Begründung mangle, daraufhin der BGG42 angewendet hat. Die Klage verhandeln? Ach nein, warum auch. BGer 9C_658/2019.
Weitere Ungereimtheiten gibt es, egal wo man hinschaut. Angefangen bei den Postautos (ist bis jetzt irgendjemand vor Gericht gelandet?); über Gebühren für Strassenbenutzung (das kleine Strässchen den Berner Gurten hinauf, verpackt als «Gebühr für eine Fahrbewilligung», dabei die Jahreskarte gratis ist, die Anderen dürfen zahlen) bis zur Post – schon wieder die Post – die Gebühren für die Verzollung verlangt, netterweise ohne Rechtsgrundlage. Ein Durcheinander auch bei der AHV. In meinem Fall weiss die AHV nicht mehr, welche Forderung zu welchem Beitragsjahr gehört (das kommt von den vielen Sammelbuchungen und von den Transitorischen. Beidesk sollte es bei der AHV eigentlich nicht geben).
Fundierter Bericht und couragierte Schlussfolgerung.Danke!
Ja die FIFA UND DIE U. S. JUSTIZ sitzen in der Sache am längeren Hebel. Die meisten unserer Parlamentarier, so scheint es mir, haben zu viel Angst vor dieser Tatsache. Es fehlt ihnen an Courage.
Max Bolliger
Alle beten einander nach, dass BA Lauber mit seinem Rücktrittsangebot einen Trick versuche. Er wolle eine Abgangsentschädigung herausholen. Woher sie das wissen, sagt keiner. Begründung gibt es auch keine. Dabei ist der Fall klar: Lauber hat seinen Rücktritt angeboten. Wenn das Angebot angenommen wird, ist der Fall erledigt.
Was mir auch nicht so gefällt, ist der rhetorische Trick, die Autorin wolle «seine Befürworter nochmals zu Wort kommen lassen». Das tönt ganz interessant; man erwartet eine Stellungnahme der früheren Unterstützer, wie sie die Sache jetzt sehen. Dieses Versprechen hält die Autorin nicht ein. Vielmehr haut sie den Leute ihre damaligen Aussagen um die Ohren. Sorry, das passt nicht zum Infosperber.
Natürlich handelte Lauber krass falsch. Aber nicht einmalig. Berühmt wurde z.B. der Zürcher Oberrichter Marti, der bei Berufungen den Verteidigern eröffnete, sie hätten keine Chance und sollten zurückziehen. Nachdem ihn das Bundesgericht deswegen wenigstens einmal in den Ausstand geschickt hatte, machte er es wieder. Und als der Anwalt trotzdem nicht zurückzog, teilte OR Marti ihm mit, er wisse, dass er sich befangen gemacht habe, und trete deshalb von sich aus in den Ausstand (BGE 137 I 227). So wurstelte OR Marti bis zur Pensionierung immer weiter.
Auch Staatsanwälte wurden bedroht, wenn sie die Berufung nicht zurückzögen werde ihre Arbeit verheerend kritisiert. Rechtswidriger Druck im Zeichen der Effizienz.
Bis zum 25. September war es eine Affäre Lauber. Nach der Bestätigung durch die Vereingte Bundesversammlung wurde es eine Affäre «Bern». 129 ParlamentarierInnen haben in Kauf genommen dass der Egomane, Überforderte und an Demenz leidende Lauber dem Ansehen der Justiz, dem Recht, noch mehr Schaden zufügt! Es war die Kapitulation von 129 ihren Ansprüchen gerecht zu werden, nämlich Verantwortung für die Schweiz zu übernehmen!