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Zwischen Vielfalt und Vielzahl – der Streit um den Service public © VSM

Der Stellungskrieg im Medienland

Robert Ruoff /  In der Service-public-Debatte werden die politischen Lager erkennbar.

«Ich bin nicht gegen die SRG», sagt mir Nationalrat Gregor Rutz im «Café Fédéral». Es war eine vorsorgliche Feststellung. «Aber wir brauchen die SRG nicht als grossen Spieler auf dem Markt, sondern als Ergänzung zu den Privaten. Sonst ist das ein Markteingriff.» SVP-Nationalrat Rutz wird von Parteipräsident Albert Rösti als das «medienpolitische Gewissen der SVP» bezeichnet.

Die Marktradikalen

DIe SVP prägt nicht nur die Europadiskussion, sie setzt auch die Themen in der medienpolitischen Debatte. «Für mich», sagt Nationalrat Gregor Rutz, «ist das eine ordnungspolitische Frage.» An erster Stelle steht der Markt, auf dem möglichst viele private Unternehmen tätig sein sollen. Der Service public der SRG dürfte deshalb nur anbieten, was die Privaten nicht leisten können oder leisten wollen. Und die SVP nimmt die SRG und die privaten Service-public-Sender mit radikalen Forderungen in die Zange. Sie verlangt die Halbierung der Gebühren und den Verzicht auf staatliche Medienförderung. Das beschneidet massiv die finanzielle Leistungsfähigkeit der SRG und gefährdet das Überleben der 13 privaten Service-public-Sender von Chur bis Lugano. Aber es gehorcht dem Prinzip der scharfen Trennung: Hier der Markt und dort der Staat. Das Zukunftsmedium Internet soll den Privaten überlassen werden.

Die SVP will aber nicht nur massiv weniger Service public in den Medien, sie will auch mehr politische Kontrolle. Der Service public-Auftrag soll enger definiert werden und die Höhe der Gebühren soll das Parlament festlegen, nicht mehr der Bundesrat. Mit dieser Haltung findet sie Unterstützung bei prominenten FDP-Nationalräten wie Christian Wasserfallen. Und der Aargauer Thierry Burkart hat den Antrag eingebracht, dass neu das Parlament die Rahmenkonzession für die SRG beschliesst. Gebühren für private Radio- und Fernsehsender lehnt Burkart ab.

Auf die Frage, wie er sich denn die Finanzierung dieser Sender vorstellt (zu denen zum Beispiel Tele M 1 und TeleBärn der AZ Medien gehören), verweist er auf den Zuwachs von Werbung bei den Privaten, wenn man der SRG Werbung verbietet. Und ausserdem, so sagt er, «gibt es die Möglichkeit von Pay per View» und andere Formen von Bezahlfernsehen.

Die Republikaner

«Das wird alles für die Konsumenten nur viel teurer», ruft die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran aus, und beim Gespräch in ihrem Internet-Unternehmen verweist sie darauf, dass ein Grund-Abonnement von Teleclub oder Sky mit Sport schon sehr viel teurer ist als die gesamte Mediengebühr für den Service public. Dann wird sie sehr schnell grundsätzlich: «Information und Medien gehören zu den essentiellen (wesentlichen) Gütern wie Bildung, Gesundheit oder Strom» die zum gemeinsamen Nutzen gemeinsam finanziert und organisiert werden müssen. Sie verficht damit das Erfolgsrezept der helvetischen Republik, in der die wesentlichen Güter gemeinschaftlich – in Korporationen oder eben im Service public – verwaltet werden, und die dann auch jeder nutzen kann.

Das sei wichtig für die kleine, kulturell und sozial vielfältige Schweiz, erklärt sie, und wer den Service public schwäche, «schwächt die direkte Demokratie.» Darum müsse man den Service public breiter denken und für die Zukunft sichern. Qualitativ hochstehende private Presse, Lokal-Radios und TV sowie Online-Angebote gehören zum Service public dazu. «Das hat nichts mit links und rechts zu tun.» Es gehe bei der Forderung nach mehr Privatisierung der Medien schliesslich «um Geld und um Macht – wer die Medien kontrolliert, kontrolliert die Köpfe der Menschen.»

Manche ihrer Parteifreunde suchen bereits nach einem medienpolitischen Kompromiss. Edith Graf-Litscher, die medienpolitische Stimme der SP im Nationalrat, sucht nach einer konstruktiven Lösung. Aber das ist nicht einfach: Ihr Vorschlag, Medienförderung für Internet-Projekte einzuführen – auch zugunsten privater Medienhäuser –, ist in der Nationalratskommission erst einmal gescheitert.

Der Berner SP-Nationalrat und Präsident von «Cinésuisse», Matthias Aebischer, wünscht sich von der SRG mehr «stolze Demut». Stolz auf ihre Leistungen, aber Demut bei ihrem Auftritt. Eine starke SRG kann aus seiner Sicht auch bestehen bei einer Begrenzung der Gebühren auf 1,2 Milliarden, wie es der Bundesrat vorschlägt. Und für den Verzicht auf den einen oder anderen Radio- oder Fernsehkanal scheint er offen.

Die Kerntruppe

Anders Martin Candinas, Nationalrat und Mitglied des CVP-Parteipräsidiums. Der Bündner Verteidiger des Service public bleibt beim Berner Mittagsgespräch an dieser Stelle beinhart, denn: «Was die SRG nicht macht, machen private Ausländische». Und er denkt dabei nicht nur an die gegenwärtigen Kunden von «Goldbach Media». Er unterscheidet sich damit ganz grundsätzlich auch von FDP-Nationalrat Thierry Burkart, der kapitalstarke internationale Konkurrenten wie UPC, Netflix oder youtube als Teil des Strukturwandels sieht, der nicht aufzuhalten ist. «Wenn das zum Problem wird, kann man es sich ja nochmals ansehen.»

Der Christdemokrat Candinas setzt sich entschieden ein für stabile SRG-Gebühren und für den Gebührenanteil der Privaten, um die Vielfalt zu sichern. Mehr Werbung für die Privaten hält allerdings auch er für notwendig – aber ohne Abbau der Werbung bei der SRG. Er gehört in all diesen Strukturfragen zur Kerntruppe der SRG-Verteidiger, und er sieht ganz traditionell die Stärke der privaten Service public-Sender in der regionalen Berichterstattung. Als Rätoromane und Kulturveranstalter spricht er aus der Erfahrung mit «Tele Südostschweiz» und mit der SRG-Tochter «Radioteleivisiun Rumantscha». Eine neue Zuständigkeit des Parlaments für die SRG-Konzession und die Fessetzung der SRG-Gebühren lehnt er kompromisslos ab. «Das dient nur der Schwächung der SRG, und die SRG muss als starkes Medienhaus bestehen bleiben.»

Die Abweichler

«Wenn Sie mit Martin Candinas gesprochen haben, haben Sie die offizielle Meinung der CVP gehört», sagt einige Tage später Nationalrat Gerhard Pfister beim Morgenkaffee in Zug. «Dann sind Sie als Parteipräsident also ein Abweichler?» «Ich habe eine abweichende Meinung. Das ist bekannt. Aber ich will meine Meinung nicht zur Meinung der Partei machen.»

Aus seiner Sicht greift der gegenwärtige Medienkrieg zwischen Verlegern und SRG viel zu kurz, weil die digitale Technologie mit dem Internet ohnehin die ganze Medienwelt, von den Zeitungen bis zu Radio und Fernsehen, total umwälzen wird (siehe: «Die Utopisten»). Und ausserdem stellt er fest, dass die Zahl der SRG-Kritiker auch in seiner Partei zunimmt.

Wahrscheinlich denkt er dabei an den Freiburger CVP-Ständerat Beat Vonlanthen. Vonlanthen kritisiert grundsätzlich «Admeira», die gemeinsame Werbeplattform von SRG, Swisscom und Ringier. Er verlangt, dass für solche Zusammenarbeit künftig alle interessierten Medienunternehmen gleiche Teilnahmebedingungen bekommen. «Admeira» stösst in allen Parteien auf Kritik und erweist sich zunehmend als medienpolitischer Rohrkrepierer. Der SRG-Verteidiger Matthias Aebischer (SP) sieht nur die Möglichkeit, aus «Admeira» eine gemeinsame wirtschaftliche Plattform für alle Medienhäuser zu machen. Als Beispiel für gute Zusammenarbeit für SRG und Private.

Die Freisinnigliberale

FDP-Präsidentin Petra Gössi, die in Luzern einen Zwischenhalt für das Gespräch einschaltet, stellt zuerst einmal fest: «Ich bin keine Medienexpertin.» Und erklärt dann: «Am Anfang steht die Diskussion über den Leistungsauftrag.» Diesen Katalog kann man zusammenstreichen, sagt sie, und vor allem: Die SRG soll nicht ins Gebiet der privaten Anbieter eindringen, wie sie das mit DRS3, dann Virus oder Musikwelle getan hat. Andererseits darf die Freiheit des Marktes nicht zu italienischen Verhältnissen führen, in denen ein Medienzar wie Berlusconi den Medienmarkt beherrscht.
Die neue FDP-Chefin wägt immer noch ab. Sie neigt dazu, dem Parlament die Zuständigkeit für die Definition des Service public zu geben, aber doch eher in der Form eines referendumsfähigen Gesetzes. Und sie will entschieden keinen Staatseingriff in die Programmgestaltung, denn Staatsfernsehen ist ihr offenkundig genauso ein Gräuel wie die Berlusconisierung.
«Ich wünsche mir» sagt sie zum Schluss, «private Verleger, die bereit sind, in kritische Publizistik, Recherche und Hintergrundberichte zu investieren.» Das sieht sie in erster Linie als Aufgabe der Privaten, denn den Service public der SRG, so meint sie, könne man dafür wohl nicht ausreichend mit Mitteln ausstatten.

Die Brückenbauer

Jürg Grossen, Vizepräsident der Grünliberalen, hat kein Grundsatzproblem mit dem Service public. Aber er will mehr Markt, das heisst: er will eine Verdoppelung des Gebührenanteils der Privaten auf etwa 10 Prozent und damit weniger Gebühren für die SRG. Und er unterstützt die Forderung, zu prüfen, was denn die Privaten anstelle der SRG tun könnten. Beide, Private und SRG, sieht Grossen als Auftragnehmer eines kleineren oder eines grossen Leistungsauftrags.

Unabhängigkeit und Qualität sind dabei für ihn entscheidende Merkmale. Und dann sagt er: «Qualität verlangt auch Erreichbarkeit.» Erreichbarkeit heisst einerseits: Attraktivität des Programms; Unterhaltung und Sport gehören daher zum Service public. Und andererseits heisst es: Erreichbarkeit durch die Technik: Das Internet wird für alle das Medium der Zukunft, also auch für die SRG. Im Gegenzug, so Grossen, soll die SRG ihre gebührenfinanzierten Inhalte auch den Privaten möglichst gratis zur Verfügung stellen.

Regula Rytz, die Parteipräsidentin der Grünen, operiert mit dem Blick auf das Ganze. Sie will den Service public der SRG mit einem «starken finanziellen Rückgrat», aber auch mit mehr Geld und weniger bürokratischen Entwicklungshindernissen für die Privaten mit Leistungsauftrag. Und sie kann sich einen Abbau von Werbung bei der SRG vorstellen. «Kommerzielle Sender richten sich an Kunden», sagt sie, «der Service public hingegen an die Bürgerinnen und Bürger.» Das verbietet politische Einflussnahme und es verlangt eine staatsferne, umfassende Aufsichtsbehörde. Diese Behörde soll auch Telekomunternehmen wie die Swisscom oder UPC ins Auge fassen. Und sie soll im ganzen Medien- und Kommunikationsbereich den Datenschutz sicherstellen. Rytz: «Die Demokratie braucht beides, profilierte Private mit publizistischem Ehrgeiz und einen Service public der SRG, die insgesamt die Schweiz in ihrer Vielfalt zu den Menschen bringen.»

Das ist die Mediendebatte, wie man sie bei einem Streifzug durch die politische Szene erfährt. Und über allem hängt die «No-Billag»-Initiative wie ein drohendes Schwert. Alle, die man fragt, geben ihr keine Chance. Denn die Abschaffung der Gebühren wäre das Ende des Service public der SRG und des Service public der privaten Sender in den Regionen der Schweiz. Aber die SVP behält sich vor, die Initiative zu unterstützen, wenn ihr das Ergebnis der parlamentarischen Arbeit nicht genügt.

(Dieser Text ist am 15. September 2016 in der AZ Nordwestschweiz erschienen.)


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor war bis 2004 Mitarbeiter von SRG/SRF.

Zum Infosperber-Dossier:

SRG_Dossier

Medien: Service public oder Kommerz

Argumente zur Rolle und zur Aufgabe der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG.

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5 Meinungen

  • am 18.09.2016 um 12:26 Uhr
    Permalink

    Es berührt einen eigenartig. Eigentlich wissen wir schon seit mehr als hundert Jahren, dass Unterbehmen wie der ÖV, Post/ Telefon, Radio/ Fernsehen allen offen stehen müssen. Sie müssen nicht a priori rentieren, sie sind Diestleistungsbetriebe, die unentbehrliche Bedürfnisse der Bürger_innen abdecken. Die USA und GB sind Beispiele dafür, was geschieht, wenn der Service Public in private Hände übergeht. Die Eisenbahnen wurden zugrunde gerichtet, Briefe und Pakete erhalten längst nicht mehr alle. Natürlich, Radio hören und Fernsehen können alle. Aber diese Medien hängen amTropf der Werber und diese sind Lakaien der Grosskonzerne.

  • am 18.09.2016 um 15:38 Uhr
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    SRG und Service public

    Warum recherchiert die SRG nicht, was der tatsächliche und der potenzielle SRG-Kunde konkret von der SRG erwarten? Dazu reichen Einschaltquoten für SRG-Sendungen nicht und schon gar nicht die Meinungen der SRG-affinen Programmkommissionen und Trägerschaften. Meines Erachtens erwartet die Mehrheit zum Beispiel eine leichte Gebührenreduktion und etwas weniger Werbung zum Preis einer Reduktion von bildungsfernen Programmteilen (Gewaltdarstellungen, Formel-1- und Töffrennen) sowie Unterhaltung, welche auch Private und ausländische Sender anbieten (können).

  • am 21.09.2016 um 18:47 Uhr
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    Einen «öffentlichen Dienst» kann es ja nur geben, wenn dort eine sachbezogene und parteipolitisch neutrale «Beamtenschaft» sitzt, mit einem hohen Standard in puncto Aufgabenstellung (hier: Wahrheitsorientierung).
    Gibt es Journalisten, die dieses Bild ausfüllen können?
    Zugegeben, Journalisten waren schon mal besser. Die Amerikaner schwärmen noch heute von den hartgesottenen Reportern vergangener Zeiten, die ohne Rücksicht nach allen Seiten Skandale aufdeckten – können Journalisten wieder so werden?
    Aber auch damals wurden Skandale manchmal künstlich «skandalisiert» …

  • am 5.10.2016 um 11:09 Uhr
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    Eine kleine Korrektur: Es war nicht Thierry Burkart, der den Antrag eingebracht hat, dass das Parlament für die SRG-Konzession zuständig sein soll, sondern laut Curia Vista Thomas Müller (SVP). Burkart war nicht mal Mitunterzeichner.

  • Portrait_Robert_Ruoff_x
    am 5.10.2016 um 14:22 Uhr
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    @Andreas Künzi: Danke für Ihre Anmerkung. Sie haben recht. Aber ich auch.:) Denn es ist ein bisschen kompliziert. Thomas Müller (SVP) hat eine parlamentarische Initiative eingereicht, mit der er dem Parlament die Zuständigkeit für die SRG-Konzession erteilen will. Das hat einigen Widerstand ausgelöst. Thierry Burkart (FDP/Aargau) hat deshalb in der zuständigen Kommission den Antrag gestellt, eine duale Konzession zu beschliessen. Danach wäre das Parlament zuständig für eine Rahmenkonzession, der Bundesrat dann für die Betriebskonzession. Bei dieser Betriebskonzession müsste sich der Bundesrat an die Bestimmungen der Rahmenkonzession halten. – Burkart hat für seinen Antrag in der Kommission eine Mehrheit gefunden. Müller hat angekündigt, seine Initiative zurückzuziehen, wenn der Antrag Burkart im Parlament erfolgreich ist. – Burkarts Antrag gilt aber als Antrag der Kommission (KVF), deshalb erscheint sein Name nicht. Eine Minderheit in der Kommission aus CVP, BDP, SP und Grünen lehnte den Antrag ab und will die Zuständigkeit beim Bundesrat lassen. –Voilà. Mein Text entstand auf der Basis meiner Gesprächsnotizen. Aber ich habe vorsichtshalber jetzt auch nochmals nachgefragt…. Beste Grüsse, R.

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