Kommentar

Der Name Bührle belastet den Neubau des Zürcher Kunsthauses

Erich Schmid © zvg

Erich Schmid /  Stadt und Kanton Zürich üben Druck auf ein Gutachten aus, um die Begriffe Antisemitismus, Zwangsarbeit und Freikorps zu streichen.

Die Bührle-Stiftung suchte für ihre wertvolle Kunstsammlung eine neue Bleibe, eine sicherere, nachdem versuchte und gelungene Diebstähle am angestammten Ort das Schutzbedürfnis erhöht hatten. Also schlug sie der Stadtregierung vor, die Sammlung in einem gut bewachten Neubau des Kunsthauses Zürich unterzubringen, der allerdings erst noch erstellt werden müsse. Ein solcher koste 150 Millionen, und die Stadt müsse nur die Hälfte davon übernehmen, die andere Hälfte bezahlten Private. Der Stadtrat, allen voran die für Kultur zuständige Präsidentin Corine Mauch, fing Feuer und witterte das grosse Geschäft mit dem Tourismus. Ein neues Kunsthaus mit einer alten Sammlung würde ein grosses Publikum anziehen, das aus allen Grossstädten Europas einfliegen und die Millioneninvestition mit Übernachtungen und Einkaufstouren um ein Vielfaches kompensieren würde: Kunst als Motor für die Wirtschaft.
Aber der Name Bührle ist belastet von unleugbaren Waffengeschäften mit Nazideutschland und wirft nun seine alten Schatten auf den fertiggestellten Neubau des Kunsthauses. Und diese werden länger und länger und verdunkeln die Fantasien von einer Weltstadt, die mit Kunst den Tourismus ankurbeln will.
Ob die Rechnung je aufgehen wird? Für die UBS war eine ähnliche einst nicht aufgegangen. Sie hat ihre Abteilung Art Banking aufgeben müssen, weil sie von Kunst nichts verstand. Auch Zürich als Weltstadt droht daran zu scheitern. Erstens weil die Welt sich ändern muss, wenn sie nicht zugrunde gehen will. Also aufhören mit Billigfliegen in der Luft und Tempobolzen auf den Strassen von Grossstadt zu Grossstadt, um in Zürich alte Klassiker zu sehen. Und zweitens weil man auf Dauer nicht wegsehen kann, weshalb und wie die wertvolle Sammlung Bührle den Weg nach Zürich gefunden hat, denn dieser Weg führte durch Antisemitismus, Zwangsarbeit und Freikorps.

Einflussnahme auf Gutachten
Zwar unternehmen die SP-Politikerinnen Corine Mauch und ihre Regierungskollegin vom Kanton, Jacqueline Fehr, vor der Eröffnung des Kunsthaus-Erweiterungsbaus alles, um dieses Wegsehen zu ermöglichen, und versuchen Passagen in einem Universitätsgutachten zu Bührles problematischen Verwicklungen zu streichen; es geht um die Begriffe «Antisemitismus», «Zwangsarbeit» und «Freikorps» (wo Emil Georg Bührle einst mitmarschiert war). Einer der Autoren des Uni-Gutachtens, Erich Keller, den das Gewissen plagte, hat deswegen seinen Namen zurückgezogen, und der andere, Mathieu Leimgruber, will noch abwarten. Denn die Uni Zürich hat wegen der Druckversuche nun noch ein neues, zweites Gutachten in Auftrag gegeben, um herauszufinden, ob die Politik Zensur ausüben wollte oder ob die beantragten Streichungen berechtigt sind. Dazu berufen wurden der bekannte Historiker Jakob Tanner und seine Kollegin Esther Tisa Francini.
Es steht einiges auf dem Spiel. Denn sollten Tanner und Francini zum Schluss kommen, dass die Begriffe Antisemitismus, Zwangsarbeit und Freikorps im Gutachten zur Aufarbeitung der Bührle-Sammlungsgeschichte ihre Richtigkeit haben, dann dürften sie jedes einzelne Wort der schönen Reden bei der Eröffnung des neuen Kunsthauses Ende 2021 nicht nur überschatten, weil zuviel Entsetzen, Leid und Zerstörung daran hängen, sondern sie werden auch die Peinlichkeit in Erinnerung rufen, dass die SP-Politikerinnen offensichtlich über wenig Sensibilität gegenüber unbequemen historischen Fakten verfügen.
Noch ist es eine Affäre auf lokaler Ebene. In der Vergangenheit ist diese Art von Verdrängung auch schon zum Skandal ausgewachsen und hat die Schweizer Banken Milliarden gekostet und einen hohen Banker, der die veruntreuten nachrichtenlosen Vermögen «Peanuts» nannte, den Job.
Schon vor Jahren interveniert
Die Zensurversuche beim Geschäft mit der Kunst sind übrigens nicht neu und haben schon früh begonnen. Der Schreibende hatte sie kurz vor der Abstimmung über den Baukredit für das neue Zürcher Kunsthaus am eigenen Leib erfahren. Ich forderte in einer Zeitungskolumne die Verwalter der Bührle-Sammlung auf, «den geplanten Erweiterungsbau des Kunsthauses selber zu bezahlen, damit es den Steuerzahler nicht 150 Millionen koste». Es handle sich bloss um 75 Millionen, wetterte der Sprecher des Kunsthauses, Björn Quellenberg, auf meinem Telefonbeantworter und fügte hinzu: «Das wird noch auf Sie zurückfallen!» (Mittlerweile kostet der Bau von David Chipperfield über 200 Millionen.) Jedenfalls schrieb ich in der nachfolgenden Kolumne: «Aber gut, wenn man schon so genau sein will, dann hoffen wir doch, dass man auch ein paar präzisierende Fragen zum 150-Millionenprojekt stellen darf; zum Beispiel erstens, ob die im erweiterten Kunsthaus garagierte Bührle-Sammlung eine Leihgabe oder eine Schenkung wäre, zweitens, ob sich in der Bührle-Sammlung auch Raubkunst aus dem 2. Weltkrieg befindet, und drittens, ob dann alle durch Bührle-Waffen Kriegsgeschädigten, welche die Kunstsammlung anschauen wollen, wenigstens freien Zutritt hätten.»

Niemals hätte ich gedacht, dass meine damaligen Kolumnen noch einmal Aktualität bekommen. Auch wusste ich damals noch nichts von Antisemitismus, Zwangsarbeit und Freikorps. Davon erfuhr die Öffentlichkeit erst durch die Druckversuche der Politik.

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Die Recherche der Wochenzeitung WOZ zum Thema:

Bührle wird beschönigt

Vertrauen verspielt


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Erich Schmid ist Autor und Film-Regisseur. Er lebt und arbeitet im Wohn- und Atelierhaus von Max Bill in Zumikon.

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7 Meinungen

  • am 30.08.2020 um 15:01 Uhr
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    Die Druckversuche gegenüber den bührlekritischen Autoren sind kurzsichtig, kontraproduktiv und ein Zeichen von Mutlosigkeit. Warum sich nicht der Wahrheit stellen? aber diese Tatsachen (Freikorps, möglicher Antisemitismus, Waffengeschäft) in ihrem Zusammenhang bewerten. Auch in der Schweiz gab es Bürgerwehren gegen die «Linken» sowie Antisemitismus bei Prominenten (um die «Verjudung der Schweiz» zu verhindern). Und die Schweiz als Ganzes, nicht nur Bührle, hat im Zweiten Weltkrieg Nazideutschland beliefert. Die gegenwärtige Häme gegenüber dem Waffenfabrikanten (nicht «-Händler") hat etwas Heuchlerisches und Kleinkariertes. Die Franzosen stehen ja auch dazu, dass Bonaparte die Mona Lisa gestohlen hat.
    30.08.2020 René Hauswirth

  • am 30.08.2020 um 15:41 Uhr
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    Kritisiert wird jetzt, dass im Forschungsbericht zu dem Waffenhändler Emil Georg Bührle selig einige Fakten weggelassen werden «mussten»:

    Noch nichts gehört habe ich, dass kritisiert wird, dass die Credit Suisse jetzt das neue Hardturmstadion finanziert, die «Credit Suisse Arena». Die Credit Suisse macht ihre Profite auch mit Unternehmungen, die an der Produktion von Atombomben beteiligt sind. Laut dem Friedensnobelpreisträger 2017 ICAN, der internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, investierte die Credit Suisse 2018 1,313 Milliarden Dollar in Firmen, die an der Herstellung von nuklearen Sprengkörpern beteiligt sind. Die Credit Suisse kurbelt mit dieser Anlagepolitik das nukleare Wettrüsten an und gefährdet unsere Sicherheit.

    Zu erwarten ist leider, dass die fussballbegeisterten Zürcherinnen und Zürcher dem Projekt «Ensemble» am 27. September 2020 zustimmen werden und das Referendum ablehnen werden.
    Man könnte dann beim Haupteingang der «Credit Suisse Arena» nach der Vollendung des Fussballstadions wenigstens ein grosse Transparent anbringen etwa mit der Anschrift: «Die «Credit Suisse Arena» wurde auch mit Profiten finanziert die die Credit Suisse mit der Finanzierung von Firmen erzielte, die Atombomben produzieren».

    (1) Bundesgesetz über das Kriegsmaterial, Verbotenes Kriegsmaterial:
    «Die direkte und indirekte Finanzierung der Entwicklung, der Herstellung oder des Erwerbs von verbotenem Kriegsmaterial ist verboten», und das sind auch Atomwaffen.

  • am 31.08.2020 um 16:33 Uhr
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    Passt doch zu Zürich. Demokratische Rechte werden «eingestampft», Marsch füürs Läbà» Auf unangenehme Gutachten zur Sammlung Bührle wird Druck ausgeübt, der Chipperfield Bau am Heimplatz ist ein monumentaler Koloss der den Heimplatz erschlägt, im Gegensatz zum alten Kunsthaus das Offenheit und Transparenz signalisiert. Wichtig für Frau Mauch ist nur dass sie zu ihrem grossen Auftritt kommt mit einer wohlfeilen Rede, für Herrn Quellenberg ist es Abschluss einer Karriere im Zürcher Kulturfilz. Waffenlieferung an Hitler Deutschland, fragwürdige Herkunft der Bilder möglicherweise erpresst aus jüdischen Besitztum sind da nur hinderlich. Erstaunlich wie die jüdische Gesellschaft in Zürich und der Schweiz schweigt

  • am 1.09.2020 um 16:26 Uhr
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    an Victor Brunner: Aus dem Verschweigen von Antisemitismus machen Sie einen Vorwurf an die Juden, dass sie nicht schweigen. Das ist meines Erachtens nichts als Antisemitismus auf Umwegen, als ob es nur die Juden etwas anginge, was man ihnen antat und antut. Es geht uns alle etwas an, und nicht nur die Juden, die sie erwähnen. Und wenn Sie ihrem Elaborat noch beiläufig den „Marsch fürs Läbe“ unterjubeln, dann wird mir klar, aus welcher Ecke ihre Meinung stammt.

  • am 4.09.2020 um 09:18 Uhr
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    Geehrter Elmer, ein etwas kruder Kommentar von Ihnen. Lesen sie noch einmal meinen Kommentar und dann ihren. Ich mache keinen Vorwurf, ich frage nach. Es gibt Fragen zu der Sammlung und deren Entstehung. Darum wurde auch ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die Vermutung liegt nahe dass da Exponate aus jüdischen Besitz stammen und von Bührle «erworben» wurden. Vor ziemlich genau 22 Jahren wurde der Streit um die Holocaust-Gelder abgeschlossen. Lehren daraus sind zu ziehen, auch bei Kunstsammlungen. Da wäre ein mahnendes Wort der jüdischen Gemeinde angebracht gewesen. Das hat nichts mit Antisemitismus zu tun und ist auch nicht respektlos! Lesen sie das Buch von Abraham Melzer «Die Antisemitenmacher», vielleicht verschafft ihnen das etwas Klärung beim Begriff Antisemitismus!

  • am 5.09.2020 um 08:33 Uhr
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    Sie scheinen das von Ihnen empfohlene Buch so gut gelesen zu haben, dass Sie schon fast besser wissen als sein Autor, wie man Antisemiten macht. Muss man noch erwähnen, dass ihm, dem Autor, den Sie rühmen, am 13. Oktober 2017 in Frankfurt verboten wurde, aufzutreten? Wegen seiner (und Ihrer) Haltung? Sie fordern die Juden zum Handeln auf, nachdem man sie vielfach bestohlen und, um sie zu bestehlen, millionenfach ermordet hat. Sie wollen die Opfer zu Tätern machen; sie als Opfer sollen handeln, um das Unrecht zu sühnen, nicht die Täter und ihre Profiteure. Über die verlieren sie kein Wort. Darin steckt Ihr Vorwurf. Und dann reden Sie sich heraus, Sie hätten bloss eine Frage gestellt. Das ist, als würden Sie jemanden, den Sie nicht mögen, fragen, ob er ganz gesund sei im Kopf. Und wenn die Antwort krude ausfallen würde, dann würden Sie sagen, sie hätten ja bloss eine Frage gestellt.

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