Der mörderische Export von Waffen
Anfang Juli 2012: Fotos aus dem Kampfgebiet um die syrische Wirtschaftsmetropole Aleppo zeigen Kisten mit Schweizer Splitterhandgranaten HG85 aus der Produktion der staatlichen Rüstungsfirma Ruag, mit denen die Soldaten der Freien Syrischen Armee (FSA) gegen die Armee des Assad-Regimes kämpfen.
14. März 2011: Saudische Panzer überqueren die Grenze zu Bahrain, um das dortige Regime im Kampf gegen die Opposition zu unterstützen. Es sind Piranha-Schützenpanzer des Typs 8×8 aus Schweizer Produktion, von denen Saudi-Arabien 1991 bei der Mowag in Kreuzlingen 1000 Stück bestellt hat.
25. März 2009: Der Bundesrat bewilligt 400 Maschinenpistolen des Typs MP9 PDW (Kaliber 9 Millimeter) und 400 Sturmgewehre SG 553 (Kaliber 5,56 Millimeter) an die Polizei des indischen Teilstaats Jharkhand sowie 10 Maschinenpistolen des Typs MP9 PDW an die Polizei im Bundesstaat Chhattisgarh. Chhattisgarh wird von Ultranationalisten beherrscht, die im Süden des Landes gegen maoistische Rebellen kämpfen. Laut der Menschenrechtsorganisation «Human Rights Watch» bilden beide Konfliktparteien Kinder unter 18 Jahren für bewaffnete Einsätze aus.
Kurzer Stopp – und alles läuft wieder wie vorher
Wann immer solche Fakten ans Licht kommen, das Ritual ist immer dasselbe: Die Exportkontrolle im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) untersucht die Lieferungen, beteuert entweder, alles sei mit rechten Dingen zugegangen oder aber stoppt die Exporte zumindest vorübergehend, weil die Käufer gegen Verträge verstossen hätten. Kurz darauf läuft das Geschäft wieder wie vorher.
Wie löchrig das Waffenexportgesetz ist, zeigt das Beispiel Saudi-Arabien. Obwohl der Bundesrat 2009 aufgrund der Menschenrechtssituation den Export von Kriegsmaterial nach Saudi-Arabien verboten hat, wurden sowohl 2009 wie 2010 trotzdem Waffen und Zubehör für je rund 130 Millionen Franken dorthin exportiert – darunter auch Ersatzteile für die Piranha-Panzer, die gegen das Volk in Bahrain zum Einsatz kamen. Möglich macht dies eine Bestimmung im Kriegsmaterialexportgesetz, die bereits bewilligte Lieferungen nicht unterbindet und Ersatzteillieferungen jederzeit ermöglicht.
Kriegsmaterialexportkontrolle verfehlt ihre Wirkung
Im November 2009 lehnte die Schweizer Bevölkerung in einer Abstimmung ein Verbot von Kriegsmaterialexporten ab. Im gleichen Jahr erreichten die Waffen- und Munitionsverkäufe mit 728 Millionen Franken einen zuvor nie dagewesenen Höchststand. Im April 2012 kam eine Studie von wissenschaftlichen Mitarbeitern der Juristischen Fakultät der Universität Zürich zum Schluss, dass die Waffenexportkontrolle der Schweiz ihre Ziele weitgehend verfehlt: «Kriegsmaterialexporte an problematische Empfangsstaaten erfolgen nach wie vor. Zusicherungen von Importeuren von Schweizer Waffen, diese nicht an Drittstaaten zu veräussern, verfehlen ihre Wirkung», lautete das Fazit der Studie.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Die Artikel-Serie «Die 10 Schönheitsfehler der Schweiz» entstand im Auftrag der Filmemacher von «Image Problem».