Kommentar
Der lange Abschied vom Atomzeitalter
»Schluss mit Atomkraftwerken», meldete am Dienstagmittag das Schweizer Radio. «Ja zum Atommausstieg», titelten andere Medien. Beide Schlagzeilen bezogen sich auf die Beschlüsse des Nationalrats von gestern Dienstag zur Atomenergie.
Einen alternden AKW-Gegner müsste es freuen, dass nach dem Bundesrat jetzt auch das Parlament den «Ausstieg aus der Atomenergie» beschlossen hat. Wenn es denn ein Ausstieg wäre. Ist es aber nicht. Das Parlament verbietet einzig den Bau von neuen Kernkraftwerken, welche Strom für die nächsten Generationen liefern würden. Unsere Generation hingegen darf ihre alten Atommeiler unbefristet weiter laufen lassen nach den Prinzip: Wir konsumieren den subventionierten und darum billigen Atomstrom noch jahrzehntelang, den Atommüll überlassen wir unseren Enkeln und ihren Kindern. Das ist, mit Verlaub, ziemlich egoistisch.
Gewiss, die Kernenergie, die 40 Prozent unseres Stromverbrauchs deckt, lässt sich nicht von heute auf morgen einsparen oder ersetzen. Es rächt sich, dass wir den Atomausstieg nicht schon vor 21 Jahren einleiteten, als unsere Abhängigkeit vom Atomstrom noch kleiner war. Doch 1990 folgte das Volk der Propaganda der Wirtschaft sowie der bürgerlichen Parteien und verwarf die Initiative, die damals den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie verlangte.
Energieeffizienz und ein Umstieg auf erneuerbare Energie wurden schon in den 1990er-Jahren gepredigt. Doch solange wachsende Mengen an Atomstrom in Steckdosen und Elektroheizungen strömten, wuchs der Stromverbrauch weiter. Ein Schlussstrich unter die Atomenergie, so fern er auch liegt, bildet die Voraussetzung, damit die Schweiz den Umstieg auf eine effizientere und erneuerbare Energieversorgung endlich einleitet. Aus generationsübergreifender Sicht bleibt unser Verbot für neue AKW zwar heuchlerisch und egoistisch. Aus energiepolitischer Sicht aber ist es trotzdem richtig, damit die Energiewende endlich beginnt. Denn langfristig kann niemand mehr Energie brauchen, als nachwächst.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine