Sperberauge
Das Eigentor des Bauernlobbyisten Jacques Bourgeois
Nicht nur FDP-Bundesrat Ignazio Cassis, sein Parteikollege Nationalrat Hans-Peter Portmann, CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter und das SVP-Trio mit den Nationalräten Andreas Glarner, Erich Hess und Lars Guggisberg wollen die NGOs disziplinieren. Auch der bis 2020 amtierende Bauernverbandsdirektor Jacques Bourgeois reiht sich mit einem parlamentarischen Vorstoss in die Kampffront gegen die NGOs ein. Er fordert in einer am 15. Dezember eingereichten Interpellation «Transparenz bei der finanziellen Unterstützung von NGO durch den Bund». Natürlich verlangt der während 35 Jahren im Solde landwirtschaftlicher Verbände gestandene Bauernpolitiker nicht Transparenz bei den unzähligen Organisationen, in denen die Landwirtschaftslobby weitverzweigt organisiert ist. Sein Angriff zielt nur auf die Organisationen hinter der Konzernverantwortungsinitiative, «die sich je länger je mehr auch politisch» engagieren – und nicht etwa wie die Bauernlobby, die sich seit vielen Jahrzehnten politisch höchst erfolgreich einmischt.
Bourgeois will unter anderem wissen, ob es der Bundesrat als normal erachtet, «dass öffentliche Mittel des Bundes zur Finanzierung von politischen Kampagnen eingesetzt werden?» Und falls nein, was er gedenke zu unternehmen, «damit diese öffentlichen Mittel zur Unterstützung einer Sache und nicht zur Finanzierung von politischen Kampagnen verwendet werden?»
Einen schlechteren Dienst könnte der letztes Jahr abgetretene Bauernverbands-Direktor der Branchenorganisation, der er während mehr als 20 Jahren diente, nicht leisten. Denn der Bund unterstützt den Bauernverband beispielsweise mit jährlich 2,2 Millionen Franken, damit dieser – wie der «Tages-Anzeiger» berichtet hat – «die von der hiesigen Landwirtschaft erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen und somit auch jene der Schweizer Landwirtschaftsprodukte in der Bevölkerung bekannt macht».
Was der Landwirtschaft vergönnt ist, missgönnt der langjährige Bauernlobbyist offensichtlich den NGOs. Das Ansinnen dürfte sich als Schuss ins eigene Knie erweisen. Man darf jedenfalls gespannt sein, wie stark sich die Bauernlobby in den bevorstehenden Abstimmungen zur Abschaffung der Massentierhaltung und zur Initiative für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung engagieren wird. Und welche Folgen es für die Werbeorganisation Proviande haben wird, die mit staatlichen Geldern den Kauf von Schweizer Fleisch propagiert?
«Cassis’ Intervention könnte weit über die NGOs hinaus Folgen haben», mutmasste der «Tages-Anzeiger». Es müsste zumindest so sein. Oder der Aussenminister besinnt sich neu. Denn mit seinem Verbot, dass NGOs über ihr Wirken in fernen Ländern in der Schweiz informieren, verstösst er gegen das Prinzip der Rechenschaftsablegung. Für die Hilfswerke muss es geradezu Pflicht sein, dass sie in der Schweiz öffentlich darüber berichten, wie sie staatliche Gelder in Entwicklungsländern einsetzen und welche Wirkung sie damit erzielen. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben Anrecht darauf, darüber informiert zu werden. Ihnen gegenüber sollte sich auch der Aussenminister verpflichtet fühlen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.