Sperberauge
Bündner Aufstand gegen Strombarone
Die Debatte um die Wasserzinsen kommt ins Rollen: 74 von 120 Bündner GrossrätInnen haben einen Auftrag (siehe Link unten) an die Bündner Regierung eingereicht, von der sie verlangen, «sich nach Kräften und allenfalls unter Inanspruchnahme von Studien, Gutachten etc. dafür einzusetzen, dass die Wasserzinsen mindestens auf heutigem Niveau gehalten werden. Dabei sollen zusammen mit den Konzessionsgemeinden, denen in Graubünden die Wasserhoheit zukommt, auch neue Strategien und Allianzen geprüft werden».
In der Begründung zum Vorstoss im Bündner Parlament reden die GrossrätInnen Klartext:
«In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Energie (BFE) wollen die Stromkonzerne und die Eigner der Wasserkraftwerke die Wasserzinsen der Bergkantone massiv kürzen. Das Vorhaben steht unter dem Titel ‚Flexibilisierung der Wasserzinsen‘. In Wirklichkeit aber geht es darum, die milliardenschweren Verluste als Folge von strategischen Fehlentscheiden abzufedern. Im Ergebnis ist es nichts anders als ein ungerechtfertigter und unfairer Angriff auf die Finanzen der Bergkantone und -gemeinden. Die finanziellen Folgen für den Kanton Graubünden wären fatal und die Ausfälle würden aufgrund der aktuell vorliegenden Zahlen bis zu 75 Millionen Franken betragen.»
Laut dem grossrätlichen Auftrag gibt es für eine Senkung der Wasserzinsen aus folgenden Gründen keine Veranlassung:
- Speicherzuschlag wurde mehrfach verhindert
- Gewinne privatisiert, Verluste sozialisiert
- Steuern wanderten ins Mittelland
- Erträge aus Erbringung von Systemdienstleistungen sind unberücksichtigt
- Solidarität nach der Atomausstiegsinitiative
Infosperber hat bereits mehrmals über das dreiste Vorgehen der Strombranche im Verbund mit dem Bundesamt für Energie (BFE) berichtet und die fehlende Strategie der Gebirgskantone kritisiert:
Wasserzinsen sind 65 Millionen Franken zu tief
Bergkantone: Anti-Wolf statt Pro-Wasserzinsen
Strombarone ziehen die Alpen-Opec über den Tisch
Druck auf Wasserzinsen: Alpen-Opec ohne Strategie
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)
Wenn es nicht zum Heulen wäre, wäre es zum Lachen: Die Mehrheit der Bündner Grossräte schreibt: « In Wirklichkeit aber geht es darum, die milliardenschweren Verluste als Folge von strategischen Fehlentscheiden abzufedern. »
Hurrah. Peinlich nur: Eine ganz grosse Mehrheit desselben Grossen Rats, genau genommen alle Parteien ausser SP und GLP (die Grünen sind nicht vertreten) ist mit grosser Vehemenz und einer Lügenteppichkampagne, die diejenige der SVP um die ES2050 erblassen lässt, hinter dem krassesten aller Fehlentscheide der Schweizer Strombranche gestanden: den Plänen der Bündner Repower für Kohlekraftwerke, welche das Volk verhinderte (http://bit.ly/rp-on).
Kritisieren ist einfach. Selbstkritik ist edel. Aber Selbstkritik war ja ganz bestimmt nicht die Absicht dieser Bündner Grossräte gewesen. Sie hoffen wohl, ihre Fehlleistungen bezüglich Repower gingen so schnell wieder vergessen. Aber gegen genau dieses Vergessen gibt es eine ganze Website: retropower.ch.