Glosse
Blochers Garten Eden
«Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert; dort teilt er sich und wird zu vier Hauptflüssen. Der eine heisst Pischon; er ist es, der das ganze Land Hawila umfliesst, wo es Gold gibt. Das Gold jenes Landes ist gut; dort gibt es auch Bdelliumharz und Karneolsteine. Der zweite Strom heisst Gihon; er ist es, der das ganze Land Kusch umfliesst. Der dritte Strom heisst Tigris; er ist es, der östlich an Assur vorbeifliesst. Der vierte Strom ist der Eufrat.»
Mit diesen Worten wird im ersten Buch Mose die Lage des Garten Eden beschrieben. Verheissungsvolle Worte, die die Fantasie der Menschen seit jeher beflügeln und die in der Vergangenheit verschiedentlich zu Lokalisationsversuchen geführt haben. Wer möchte nicht die verbotenen Früchte kosten, umgeben von vier Paradiesflüssen und von Ländern, in denen die mystischen Bodenschätze zum Himmel reichen. Der britische Ägyptologe David Rohl hats versucht, er lokalisierte das Paradies im Gebiet von Täbris, der Hauptstadt der iranischen Provinz Ost-Aserbaidschan. Zu einem anderen Ergebnis kam der deutsche Professor für altorientalische Philologie, Manfried Dietrich. Er war sich sicher, dass Eden nur in Eridu, der vermutlich ältesten sumerischen Stadt im heutigen Süd-Irak liegen kann.
Es gibt zahlreiche weitere Theorien darüber, an welchem Ort sich der Garten Eden befinden könnte. Egal ob diese mit Glauben oder mit Wissenschaft untermauert werden, alle Erklärungsversuche haben versagt. Der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse bleibt verschollen, ein schwarzes Loch im kollektiven Gedächtnis der Menschheit.
Das Paradies ist gefunden
So war das bis am 28. Juni 2017. Völlig unerwartet enthüllte das SRF-Sendeformat «Glanz & Glora» im Rahmen ihrer Serie «Prominente zeigen ihre Gärten» die exakte Lage des so verzweifelt gesuchten Garten Eden. Die Gelehrten und Wissenschafter haben sich allesamt geirrt. Der Garten thront hoch über dem Zürichsee, in Herrliberg. Das sind bittere Nachrichten: Das Paradies ist bewohnt. Alt-Bundesrat und SVP-Haudegen Christoph Blocher stibitzt hier zusammen mit seiner Frau Silvia verbotene Früchte. Seit 17 Jahren horten die beiden das grösste Geheimnis der Menschengeschichte, typisch schweizerisch: Ein Zaun verhindert das unbefugte Eindringen, blickdichte Hecken schützen vor neugierigen Augen.
Das permanente Naschen vom Baum der Erkenntnis hinterliess Spuren. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Blochers einem Kamerateam von SRF gnädig Zutritt gewährten und sie durch das Paradies führten. Dabei entstand eine bewegende, sechsminütige Reportage, die nicht nur den Ursprung der Menschheit, sondern – für die Schweiz viel wichtiger – den Ursprung von Christoph Blochers Denken zeigt. Zwei Mysterien, auf einen Schlag gelüftet. Es muss doch irgendeinen Fernsehpreis geben, den man dem «Glanz&Gloria»-Team für diese Leistung überreichen kann. Wobei, immerhin drehten sie im Paradies, das muss reichen.
Blocher, der Stier
Die Pforte zum Paradies ist gross und hängt schwer in den Angeln. Christoph Blocher ächzt mit ihm um die Wette, ein Rinnsal aus Schweiss und Tränen benetzt den Boden. Sofort verwandelt sich karge Steinlandschaft in ein üppiges Meer aus Edelweiss-Blumen. Christoph Blocher lächelt glücklich. Der Garten Eden hat seine Vorteile.
Das Kamerateam von SRF tritt ein und staunt. 11’000 Quadratmeter pure Freude, göttliches Glück. Daran haben sich die erfahrenen Journalisten aber schnell gewöhnt, Berufskrankheit. Etwas anderes können sie dagegen nur schwer begreifen: Die terrassenförmige Parkanlage wurde nach dem Prinzip von Sentosa Island in Singapur gestaltet. Der Kameramann kratzt sich am Kopf. Bei so viel Internationalität fühlen sich Blochers wohl? Erleichtert bemerkt er die Schweizer Flagge, die stolz im paradiesischen Wind weht. Sie schafft Ausgleich, ein Paradies ohne Schweizerkreuz wäre nur ein halbes Paradies. Ein Paradieschen, nur 5500 Quadratmeterchen. Platznot. Überfremdung. Man kennt das.
Silvia Blocher begrüsst die Fernsehmacher freundlich und führt sie zuerst zu einem grossen, eisernen Stier. Kopf gesenkt, Angriffsstellung, spitze Hörner. «Diesen Stier habe ich meinem Mann zum Geburtstag geschenkt», sagt sie. «Ich fand, er entspricht sehr seiner Energie und Dynamik.» Erneut ist der Kameramann irritiert. Er sieht sich Christoph Blocher an, der in Strohhut und Sonnenbrille so richtig handzahm aus der Wäsche guckt. Der Kameramann sucht etwas Gefährlicheres, etwas, das den Zuschauern den Atem raubt. So funktioniert Fernsehen. Er entdeckt eine Biene, die sich am Nektar einer Blüte labt und hält drauf. Nahaufnahme, ein mutiger Mann. Währenddessen spricht Silvia Blocher von ihrer Hochzeit und davon, dass sie nie im Garten tätig sein wollte. Auch etwas, das sich geändert hat. «Ich bin richtig fanatisch worden, ich muss sagen, ich habe den Garten sehr gern», schwärmt sie in die SRF-Kamera. Der Baum der Erkenntnis hat auch bei ihr Spuren hinterlassen.
Politik im Paradies
Dann spricht Christoph Blocher über das wunderbare Alpenpanorama: Wir sehen übrigens von hier in neunzehn Schweizer Kantone. Also von den sechsundzwanzig sehen wir neunzehn.» Darauf ist Christoph Blocher stolz und das ist nicht nett. Er will alles sehen, das Paradies versteckt er aber vor der Weltbevölkerung. Jetzt hat er das «Glanz&Gloria»-Team verletzt. Aber so ist sie halt, die Welt. Der Paradies-Besitzer hat bessere Karten als der Normal-Bürger. Trotzdem zeigt Christoph Blocher noch etwas Empathie und sagt: «Ich bin sehr glücklich, dass die Frau derart Freude am Garten hat. Das ist ihr Werk und ihre Verantwortung, nicht meine.» Also hilft Christoph Blocher nicht bei den Gartenarbeiten. Seine Silvia kümmert sich alleine um die 11’000 Quadratmeter, der Gemahl labt sich währenddessen an den verbotenen Früchten und schwimmt am Morgen im Pool, einem Schmuckstück aus Schweizer Natursteinen.
Das Grundstück der Blochers war ursprünglich eine Schafweide, erklärt die Stimme im Off den Zuschauern, während Christoph im Haus verschwindet und sich Silvia weiter um das SRF-Team kümmert. Damit passt das Paradies zur SVP, die sich immer noch einen bäuerlichen Anstrich gibt, dabei aber schon lange die Interessen von Grossverdienern vertritt. Das traut sich das Glanz&Gloria-Team aber nicht zu sagen, der eiserne Stier war ihnen wohl doch eine Warnung.
Silvia Blocher schwärmt noch ein wenig von ihren Enkeln und präsentiert dem SRF-Team dann eine breite Treppe, die sogenannte Himmelsleiter. Sie führt auf die nächste Ebene und damit zum Obst und Gemüsegarten. Eigentlich müsste er hier stehen, der Baum der Erkenntnis. Die SRF-Leute recken die Köpfe und blinzeln vorsichtig in alle Richtungen. Sie werden enttäuscht, der Baum bleibt Mythos. Blochers hüten ihre Geheimnisse. Dafür gibts die Erkenntnis, dass Silvia Blocher auch exotisches Obst und Gemüse zieht. Etwa einen Feigenbaum und zwei Kaki-Bäume. Leider sind beide erfroren, vielleicht hat Christoph Blocher nachgeholfen. Im nächsten Teil des Gartens darf sich die einheimische Natur dagegen frei entfalten. Und hier blüht, knospet und spriesst jedes Gewächs, dass es nur so raschelt.
«Ein Garten sollte im Gleichgewicht sein. Er sollte für alle Pflanzen, Tiere und Menschen einen Erholungsraum oder einen Lebensraum bieten». Das ist der Gartentipp von Silvia Blocher. Der Kameramann horcht auf. Warum hat sie ihren Mann nicht auch in der Politik beraten?, fragt er sich. Während er noch grübelt, fährt Silvia Blocher fort. Sie finde es wichtig, dass es einheimische Pflanzen, Sträucher und Bäume seien. Der Kameramann ist beruhigt, er dachte schon, sein Team sei beim falschen Ehepaar gelandet.
Nachdem Silvia ihre Jätkünste unter Beweis gestellt hat, setzt sie sich zufrieden auf eine Gartenbank – an einen Ort ohne Seesicht, der von Gebüschen und Bäumen umschlossen wird. «Die Arbeit besteht darin, diejenigen Pflanzen auszureissen, die man nicht haben will», so Silvia Blocher. Denselben Ansatz verfolgte ihr Mann auf dem politischen Parkett.
Zum Schluss der Sendung erklärt Christoph Blocher noch schnell, dass er einen Rückzugsort brauche, in dem er sich von seinem öffentlichen Leben erholen könne. Das funktioniert am besten zu zweit in einem 11’000 Quadratmeter grossen Garten, das weiss doch jeder.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Die Neidkultur hat wieder einmal Hochkonjunktur! Und was wäre geschehen, wenn Herr und Frau Blocher den neugierigen Blick in ihren Garten gewährt hätten? Sie mussten es doch einfach tun, die anonyme Neidgesellschaft verlangt dies doch! Dass mit diesem Umschwung auch ein Gärtner sein Auskommen bestreiten kann, wird verschwiegen. Lassen wir doch Herrn und Frau Blocher ihren Umschwung, auch sie können nicht mehr als ein Rindsfilet pro Tag essen. Es wäre ja mal schön, wenn man auch bei den Partei-Parteien mal den «Garten» besichtigen könnte. Wo bleibt Christian Levrats Garten? Die Jusos sind doch kein Garten, sondern nur …….